Alfa-Sauber-Pilot Kimi Räikkönen

«Im März sind alle GP-Fahrer happy»

Wir sitzen während einer Testpause in Barcelona im Hinwiler Motorhome. Kimi hat sich seit unserem ersten Interview vor 20 Jahren in einer Pizzeria in Wetzikon ZH kaum verändert. Aus dem grossen Schweiger ist längst der populärste GP-Star geworden. Unter dem Motto: In der Ruhe liegt die Kraft.

Wie gehts Ihnen als ältester Rennfahrer im Feld?
Kimi Räikkönen: Im März sind noch alle GP-Fahrer happy! Je länger die Saison geht, desto stärker verändert sich die Gemütslage. Spätestens im September werden einige von uns dann mürrisch oder sogar hässig. Jeder erlebt seine eigene Story.

Sie werden mitten in der Saison den Brasilianer Rubens Barrichello mit jetzt 322 Rennen als dienstältesten Piloten ablösen.
Das sind nur Zahlen, die dann in den vielen Statistiken stehen. Mehr ist das nicht.

Sie sind 2019 nach Hinwil zurückgekehrt. Gab es seither erkennbare Fortschritte?
Man hat das Team aufgestockt. Und das neue Auto fühlt sich in allen Bereichen besser an. Aber wo wir am Ende stehen, hängt auch von der Konkurrenz ab. So sind noch keine Prognosen zu erwarten.

Und wie schätzen Sie diese trotzdem ein?
Die Testfahrten sind immer so eine Sache. Niemand weiss genau, was die andern wirklich machen. Wenn ich einen kurzen Ausblick riskiere, dann sehe ich nur zwei Mercedes und zwei Ferrari.

Sie meinen Racing-Point-Mercedes, das den alten Silberpfeil kopierte, und Haas-Ferrari, das ohne die Italiener kaum ein Auto hätte.
Das ist alles sehr politisch.

Und da halten Sie sich ja seit Jahren raus.
Richtig.

Was war der schwächste Punkt des C38 im letzten Jahr?
Das kann man so nicht sagen. Wir sind einfach in einigen Rennen mit den Reifen nicht klargekommen. Das hat uns oft gebremst. Aber dieses Problem hatten einige Teams.

Alfa-Sauber hat jetzt auch einen Rennsimulator, wird man Sie dort auch antreffen?
Nun, ich habe den Simulator ge­sehen. Er wird immer noch weiter­entwickelt. Es wird noch einige Zeit dauern, bis er uns wirklich helfen kann. In allen Teams war die Einführung eines Simulators ein langer Prozess. Okay, um neue Pisten kennenzulernen, ist er hilfreich.

Aber?
Die kleinen Details kommen kaum zum Vorschein. Manchmal denke ich, dass viele Leute dem Simulator zu viel vertrauen. Da werden schon Aufhängungen für die nächste Saison getestet. Dann entscheidet man, was besser ist. Für mich ist das crazy, denn du kannst schnell in die falsche Richtung gehen. Egal, wie viel Geld du ausgibst, die Wahrheit und das richtige Gefühl bekommst du eigentlich nur auf den Rennstrecken.

Und deshalb ist der WM-Start in Australien so wichtig.
Genau. Viele werden dort überrascht werden. Und die Barcelona-Testresultate bekommen plötzlich eine andere Bedeutung.

Im Mittelfeld ist wohl auch 2020 der Teufel los. Fehlt es da oft am Respekt für den Gegner?
Ich würde sagen, es hat 2019 einige wilde Szenen gegeben. Aber das wird immer so sein. Wir fahren in den schnellsten Autos der Welt.

Früher hatten Sie fünfmal eine Karambolage mit Landsmann Valtteri Bottas ...
Yeah, doch das kommt davon, wenn du das Rennen immer in der Nähe mit den gleichen Gegnern beendest (lacht). Dieses Jahr werden wir uns bestimmt nicht sehr oft begegnen.

Auch die Formel 1 wird vom Coronavirus nicht verschont. Der GP China ist bereits verschoben. Haben Sie jetzt vor langen Reisen Angst, weil Sie vielleicht infiziert werden und Ihre Familie anstecken könnten?
Ich habe keine klare Antwort. Aber wenn wir uns alle über diese Dinge zu viele Sorgen machen, sollten wir vielleicht alle zu Hause bleiben. Das Thema ist nicht zu unterschätzen, doch sollten wir uns auch Fragen stellen: Wie gut sind die Spitäler in deiner Nähe, wie alt und gesund bist du? Es gibt so viele Aspekte rund um das Coronavirus. Du kannst auch an einer gewöhnlichen Grippe sterben oder so.