«Wir können alle 500 Arbeitsplätze retten»
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Sauber-Chef Vasseur zu BLICK:«Wir können alle 500 Arbeitsplätze retten»

Alfa-Sauber-Chef Vasseur zu BLICK
«Wir können alle 500 Arbeitsplätze retten»

BLICK traf Alfa-Sauber-Chef Frédéric Vasseur (52) zum exklusiven Gespräch. Dabei hagelte es vom Franzosen viel Kritik, aber auch viel Lob.
Publiziert: 16.06.2020 um 17:14 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2020 um 18:59 Uhr
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Alfa-Sauber-Chef Frédéric Vasseur in seinem Büro in Hinwil.
Foto: Lukas Gorys
Roger Benoit

Während Alfa-Sauber-Chef Frédéric Vasseur (52) am Dienstag BLICK im obersten Stock zu einem Interview einlud, trainierten im Hinwiler «Keller» gleichzeitig über 20 Mechaniker mit Masken rund 60 Boxenstopps. Dies im Hinblick auf den Start in Spielberg. Der Virus hat den GP-Zirkus weiter im Griff.

Herr Vasseur, wie war ihre Corona-Zeit in Frankreich?
Frédéric Vasseur: Die erste Woche konnten wir noch raus in den Wald. Dann war alles abgeriegelt. Doch mit meiner Frau und den Kindern haben wir dies gut gemeistert. Ich war ja vorher noch nie zwei Wochen an einem Stück daheim!

Viel Zeit zum Lesen, Spielen und Essen …
(Lacht) Dank Skype war ich täglich mehrmals mit der Formel 1, der FIA und den anderen Teamchefs verbunden.

Und Ihre Bilanz?
In einer Zeit, in der es in der Formel 1 ums Überleben geht, lernt man den Charakter seiner Gegner verdammt gut kennen. Man ist dann erstaunt, wie engstirnig einige Herren sind und leider nicht das grosse Ganze sehen.

Wie soll man das verstehen?
Viele müssen endlich begreifen, dass die Welt auch ohne Formel 1 leben könnte! Wir müssen auf dem Boden bleiben. Die Superstars sind in diesem Jahr nicht die Rennfahrer sondern die Ärzte und die Krankenschwestern.

Man hat sich geeinigt, dass ab 2021 mit 145 Millionen Dollar die Budgetobergrenze kommt. Zudem wurden jetzt die Motoren eingefroren, die Entwicklungsarbeit praktisch gestoppt. Haben Sie wirklich Hoffnung, dass in Zukunft die Fans spannendere Rennen sehen werden? In den letzten 139 WM-Schlachten siegten immer Mercedes, Red Bull oder Ferrari.
Das weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass wir auf der technischen und finanziellen Seite in den nächsten Jahren endlich Stabilität brauchen. Sonst geht der Sport tatsächlich kaputt. Die drei Topteams müssen begreifen, dass sie ohne Gegner allein dastehen.

Aber sie siegen ungefährdet weiter.
Halt. In Brasilien 2019 fuhren hinter Sieger Verstappen die nächsten fünf Pilotern für kleinere Teams: Gasly, Sainz, Räikkönen, Giovinazzi und Ricciardo.

Während der Corona-Zeit war plötzlich der Transfer-Teufel los, Vettel muss Ende Saison bei Ferrari gehen, Sainz löst ihn ab, Ricciardo wird zu McLaren gehen.
Das war wirklich ein komischer Zeitpunkt ohne einen Kilometer gefahren zu sein. Da fielen einfach die Domino-Steine um.

Und bei Alfa-Sauber blieb es ruhig.
Zum Glück. Wir haben keine Hektik. Kimi hat noch einen Vertrag bis Ende Jahr. Dann sehen wir weiter. Ich muss niemandem erzählen, wie wertvoll er ist. Und Giovinazzi wurde Ende Saison immer stärker.

Nick Heidfeld hat sich kürzlich als Online-Prophet betätigt und glaubt, dass Mick Schumacher noch 2020 im Alfa-Sauber sitzt, wenn Giovinazzi nicht besser wird …
Jeder darf seine Meinung haben. Und wir gehen einfach unseren Weg. Zudem sollte sich Mick jetzt zuerst einmal auf seine Formel-2-Karriere konzentrieren.

Die Einnahmen von Besitzer Liberty, der ja dann das Geld verteilt, werden 2020 sehr tief ausfallen, da ja kein Organisator für Geisterrennen bezahlt. Die ersten Teams mussten schon Leute entlassen. Was passiert in Hinwil?
Wir werden die Krise dank den Behörden und der Besitzer-Familie überstehen. Wir können dank den Eigentümern alle 500 Mitarbeiter behalten! Diese Unterstützung ist einmalig und sehr beruhigend und gibt uns die Moral für die Zukunft. Denn unser Weg ist noch lang.

Zum WM-Kalender. Die ersten acht Rennen scheinen gesichert.
Zum Glück. Auch zweimal Bahrain und Abu Dhabi dürften im Spät-Herbst stattfinden. Dazwischen ist es wie beim Kaffeesatzlesen. Da lese ich gerade, dass Peking ein Stadtvieirtel wegen Corona abschliesst und Shanghai bietet sich gleichzeitig für zwei China-Rennen an.

Mit wie vielen WM-Rennen rechnen Sie 2020?
Ich würde mal 15 oder 16 sagen. Das ist natürlich für die zweite Jahreshälfte ein Stress-Wahnsinn für alle. Doch da müssen wir zusammen durch. Die Teams, Fahrer, die FIA, die FOM, Liberty und die Medien. Jetzt sitzen wir alle im gleichen Boot. Und vor allem FIA-Präsident Jean Todt ist zum Glück ein guter Kapitän in der Krise.

In den letzten zwei Jahren gab es für ihr Team jeweils den 8. WM-Schlussrang mit 48 und 57 Punkten. Das Hinwiler Ziel 2020?
Klar wollen wir jetzt auf den 7. Platz. Aber leider hat die Zuverlässigkeit der Top-Autos noch mehr zugenommen. Es fällt in den meisten Rennen ja kaum noch einer aus. Also müssen wir bei den drei oder vier Chaos-Rennen vorne dabei sein.

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