Er wurde gefeiert wie ein Messias. Die halbe Schweiz hing ihm an den Lippen, wenn er mit seinen Vorträgen über Motivation und Teambildung durchs Land tingelte. Er hat das Schweizer Eishockey, ja vielleicht den ganzen Schweizer Sport wachgeküsst.
Ralph Krueger (59) war mit seiner erfrischenden und begeisternden Art vor zwanzig Jahren der Vorreiter der heutigen jungen Erfolgstrainer. Er motivierte per SMS, nahm den Spielern die helvetischen Komplexe und sorgte in seiner dreizehnjährigen Amtszeit als Hockey-Naticoach für einen Aufbruch.
Nicht zuletzt dank ihm nahm das Schweizer Eishockey eine erstaunliche Entwicklung. «Kein anderes Land ist den letzten zwanzig Jahren auf allen Ebenen derart vorwärtsgekommen», sagt Krueger wenige Tage vor dem Start zur Hockey-WM.
Krueger sitzt im Hotel Grischa in Davos. In seiner neuen Heimat. Seit wenigen Tagen besitzt er auch den Schweizer Pass. Die letzten fünfeinhalb Jahre war Krueger Präsident des FC Southampton. Und er ist wohl weltweit der einzige Funktionär, der auf höchster Ebene in zwei Welten daheim ist – im Eishockey und im Fussball.
Im Interview mit BLICK spricht Krueger über seine Zeit bei Southampton, über die Halbfinals der Champions League und über die Hockey-Nationalmannschaft.
BLICK: Ralph Krueger, Sie waren Schweizer Naticoach im Eishockey und danach Headcoach in der NHL bei Edmonton. Wie kommt ein Mann wie Sie zum Fussball?
Ralph Krueger: Die Familie Liebherr hat 2009 den FC Southampton gekauft. Nach dem überraschenden Tod von Markus Liebherr hat seine Tochter Katharina den Klub geerbt. Über eine Agentur in Österreich kam dann der Kontakt zu mir zustande. Und ich wurde über Nacht zum Klubpräsidenten in der Premier League.
Haben Sie die Offside-Regel gekannt?
Natürlich. Ich habe bis 16 neben Eishockey auch Fussball gespielt. Und damals in Kanada mit meinem deutschen Vater auch die Spiele der deutschen Nationalmannschaft am Radio mitverfolgt. Klar, ich hatte bis dahin vielleicht dreissig Fussballspiele live gesehen. Aber im Sport läuft es immer gleich. Athleten bleiben Athleten. Alles beginnt mit einem Top-Management und einer guten Struktur. Das ist im Fussball nicht anders als im Eishockey.
Chinesische Investoren haben jetzt den Klub übernommen und den Vertrag mit Ihnen nicht mehr verlängert. Was bleibt aus den fast sechs Jahren in Southampton?
Sehr viel! Der Anfang war schwierig. Ich dachte, ich bleibe ein Jahr und versuche den Klub sportlich und finanziell stabiler zu machen. Sechs Jahre später steht der Klub sehr gut da. Katharina Liebherr und ich haben uns für den «Southampton Way» entschieden.
Was heisst das?
Für uns stehen immer die 400 Angestellten im Mittelpunkt. Es gibt eine sehr flache Hierarchie und ein grosses Mitspracherecht der Angestellten. Eine Frau als Klubbesitzerin vermittelt ganz andere Werte. Eine Frau interessiert sich weniger für ein 1:0 oder ein 0:1, sondern mehr für die Menschen, die dahinter stehen. Es sollte mehr Frauen in Führungspositionen im Sport geben.
Man hat den Klub für 265 Millionen den Chinesen verkauft. Gekauft hat man ihn für einen Bruchteil. Ein tolles Geschäft.
Die detaillierten Zahlen kenne ich nicht. Die Dimensionen in der Premier League sind gigantisch. 1992 war die Premier League noch die Nummer fünf in Europa. Jetzt ist es die beste Liga der Welt. Schon das Budget des kleinen Southampton beträgt rund 200 Millionen.
Und das alles kommt aus dem TV-Geschäft?
Der Hauptteil, ja. Southampton erhält pro Jahr rund 120 Millionen. 40 Prozent der TV-Einnahmen kommen aus dem Ausland. Das erreicht keine andere Liga dieser Welt auch nur annähernd. Wie gross und mächtig die Premier League geworden ist , merkt man erst, wenn man mittendrin steckt.
Sie haben Southampton in der Premier League gehalten. Ein schwieriges Unterfangen?
Ja. Nach dem Titelgewinn von Leicester 2016 haben die grossen sechs Klubs nochmals wahnsinnig aufgerüstet. Ein Titelgewinn eines kleineren Vereins ist nicht mehr möglich. Die ersten sechs Plätze sind vergeben, von den anderen 14 steigen drei ab. Und dann wird es ganz schwierig, weil die Fernseheinnahmen zusammenbrechen. Fulham hat vor der Saison 100 Millionen in Transfers investiert. Und steigt jetzt ab.
Ist Southampton ein Ausbildungsverein?
Zumindest können auch wir die ganz guten Spieler nicht halten. Allein in meiner Amtszeit haben wir sechs Spieler an Liverpool abgetreten. Unter anderem Abwehrspieler Virgil van Dijk für fast 100 Millionen und Stürmer Sadio Mané. Wie dominant die Premier League ist, zeigt auch die Tatsache, dass vier der Viertelfinalisten in der Champions League aus England kommen.
Und auch im Halbfinal sind mit Tottenham und Liverpool noch zwei dabei. Wer gewinnt die Champions League?
Ich tippe auf Liverpool. Sie waren im letzten Jahr im Final und sind jetzt bereit für den nächsten Schritt. Ich würde es meinen ehemaligen Spielern, aber auch Jürgen Klopp gönnen.
Wie geht es in Southampton weiter?
Der Klubs ist gut aufgestellt und hat mit Ralph Hasenhüttl einen tollen Trainer. Und ich bin Frau Liebherr ewig dankbar, dass sie einem Quereinsteiger wie mir eine solche Chance gegeben hat.
Sind Sie mittlerweile mehr Fussballer als Eishockeyaner?
Nein, primär bin und bleibe ich ein Hockeymensch.
Wie hat sich das Schweizer Eishockey entwickelt?
Enorm. In den letzten zwanzig Jahren so gut wie in keinem anderen Land. Die Infrastruktur in der Schweiz wird immer besser. Das Tempo und die Intensität in den Playoffs waren enorm.
Und die Nationalmannschaft holt Medaillen, was in Ihrer Amtszeit nicht geglückt ist.
Das stimmt. Aber wir haben damals die Basis gelegt. Schon 1997 kam ich in eine Generation von Spielern, die bereit waren, das Schweizer Eishockey auf ein neues Level zu bringen. Wir haben schon damals immer von einer Medaille geredet und wurden ausgelacht.
Aber es ging voran.
Bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin hatten wir mit Mark Streit und den Torhütern Gerber und Aebischer drei Spieler aus der NHL. Damals haben wir Kanada mit 2:0 geschlagen. Heute hat die Schweiz viele Topspieler in der NHL. Die sind damals als Buben vor dem TV gesessen und haben gesehen, dass für die Schweiz alles möglich ist. Heute sind das die Leistungsträger in der Nationalmannschaft.
In wenigen Tagen beginnt die WM in der Slowakei. Holen wir da wieder eine Medaille?
Der Viertelfinal ist immer das Ziel, das man erreichen muss. Das ist kein Selbstläufer, auch wenn sich die Schweiz in den Top acht längstens etabliert hat. Ab dem Viertelfinal beginnt die Medaillenjagd. Dann ist wie immer alles möglich. Ich werde sicher einmal in Bratislava live dabei sein. Schön wäre, es würde wie in Stockholm enden. Bei diesem Medaillengewinn sass ich auf der Tribüne.
Wie geht es eigentlich Arno Del Curto, der in Davos ja viele Jahre ihr Nachbar war?
Also zu diesem Thema muss ich mal ein riesiges Missverständnis korrigieren. Arno und ich sind uns immer mit Respekt begegnet. Wir waren nicht immer der gleichen Meinung und hatten in der Sache harte Auseinandersetzungen. Aber das war nie persönlich.
Wie geht es bei Ralph Krueger beruflich weiter?
Ich bin seit einem Jahr Grossvater und werde in diesem Jahr sechzig Jahre alt. Aber ich habe noch Lust und Energie für eine letzte grosse Herausforderung.
Als neuer Trainer beim ZSC?
Das ist ein toller Klub, und mit CEO Peter Zahner verbindet mich eine langjährige Freundschaft. Ich habe mit niemandem so intensiv zusammengearbeitet wie mit ihm in der Nationalmannschaft. Aber im Moment steht eine solche Aufgabe nicht im Vordergrund. Ich bin in den letzten Jahren alljährlich dreissigmal zwischen England und der Schweiz hin- und hergeflogen. Ein wenig Ruhe schadet jetzt nichts.
Sie hatten einst auch ein Mandat beim Wirtschaftsforum WEF in Davos. Wird so etwas wieder denkbar?
Auch da lasse ich mir alles offen. Sicher ist, dass der Sport beim WEF in Zukunft eine grössere Rolle spielen sollte.
Oder trainieren Sie dereinst gar ihren Sohn Justin beim SC Bern?
Ich habe den Titelgewinn des SCB mit Justin in der Kabine bis morgens um vier Uhr gefeiert. Ausschliessen will ich im Moment gar nichts. Weder eine Aufgabe in der Schweiz noch ein Engagement in der NHL. Es gibt auch Kontakte zu anderen Klubs in der Premier League. Ich werde einfach eine neue Führungsaufgabe, die mit Sport zu tun hat, übernehmen. Ein Engagement als Trainer steht nicht im Vordergrund. Aber den Sport weiter atmen und leben, das muss in den nächsten Jahren noch sein. Es muss ein sinnvolles Projekt mit tollen Menschen sein. Als Sportler geht man nie in Rente.
Der 59-jährige Ralph Krueger hat eine weltweit einzigartige Karriere gemacht. Engagements auf höchster Stufe im Eishockey und im Fussball kann sonst niemand vorweisen. Krueger war dreizehn Jahre lang Coach der Schweizer Hockey-Nati und danach Boss beim NHL-Klub Edmonton Oilers. Die letzten sechs Jahre war er Präsident beim FC Southampton in der englischen Premier League.
Krueger, der Mann der zwei Sportwelten, ist verheiratet und hat Wohnsitze in Davos und im Kanton Schwyz. Sein Sohn Justin (32) wurde mit dem SC Bern Meister, seine Tochter Geena (30) arbeitet für den Sportvermarkter Infront und hilft mit bei der Organisation und Planung der Eishockey-WM 2020 in der Schweiz.
Der 59-jährige Ralph Krueger hat eine weltweit einzigartige Karriere gemacht. Engagements auf höchster Stufe im Eishockey und im Fussball kann sonst niemand vorweisen. Krueger war dreizehn Jahre lang Coach der Schweizer Hockey-Nati und danach Boss beim NHL-Klub Edmonton Oilers. Die letzten sechs Jahre war er Präsident beim FC Southampton in der englischen Premier League.
Krueger, der Mann der zwei Sportwelten, ist verheiratet und hat Wohnsitze in Davos und im Kanton Schwyz. Sein Sohn Justin (32) wurde mit dem SC Bern Meister, seine Tochter Geena (30) arbeitet für den Sportvermarkter Infront und hilft mit bei der Organisation und Planung der Eishockey-WM 2020 in der Schweiz.