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ZSC-Verteidiger Blindenbacher
7. Hirnerschütterung machte Platz für Neues im Kopf

Noch vor eineinhalb Jahren rechnete nach der siebten Hirnerschütterung kaum einer mehr mit ihm. Jetzt erlebt Severin Blindenbacher (36) beim ZSC seinen zweiten Frühling.
Publiziert: 16.01.2020 um 17:45 Uhr
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Aktualisiert: 16.01.2020 um 18:34 Uhr
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Vor zwei Jahren erlitt Blindenbacher die siebte Hirnerschütterung und seine Karriere stand auf der Kippe.
Foto: Philippe Rossier
Stephan Roth (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Für das Treffen mit BLICK schlägt Severin Blindenbacher das «Balboa Bar & Gym» im Herzen der Stadt Zürich am Schanzengraben vor. Wer nun glaubt, das sei typisch für einen Spieler, der unlängst sagte, dass er wohl noch einer der letzten im Team der ZSC Lions sei, der noch wisse, was eine After-Hour-Party sei, täuscht sich. Der eingemietete Gastropartner, das vegane Restaurant «roots», bietet nämlich keinen Alkohol an. Auf dem Menü stehen gesunde Salate, Suppen, Wraps, Säfte, Smoothies oder Protein-Shakes mit Namen wie «Skinny Bitch».

Blindenbacher gehört zu den Investoren des Balboas. Und für Leute aus seinem Bekanntenkreis hat er auch schon einen Workout-Kurs gegeben. Er hatte zwar Spass dabei, sieht seine Zukunft aber bestimmt nicht als Fitnessinstruktor.

In dieser Saison spielt Blinden­bacher auch wieder eine wichtigere Rolle beim ZSC. Im Gegensatz zu Serge Aubin, unter dem der Verteidiger auf dem Abstellgleis stand, setzt Trainer Rikard Grönborg auf ihn. So kommt er auch regelmässig im Powerplay zum Zug.

«Ein Trainer muss einen klaren Plan haben»

Der 36-Jährige, der mit Ausnahme von je einem Jahr in Schweden und Nordamerika seit 2005 für die Stadtzürcher spielt, ist begeistert vom zweifachen schwedischen WM-Goldschmied. «Ein Trainer muss dich innerhalb von zwei Minuten von seiner Philosophie überzeugen können. Er muss einen klaren Plan haben», sagt Blinden­bacher. «Und ein guter Trainer schafft es, jedem Spieler das Gefühl zu geben, dass er gebraucht wird. Unser Coach bringt das fertig. Unsere Trainer arbeiten sehr professionell. Sie haben ein breites Wissen und haben richtig Lust, zusammen in Richtung eines Ziels zu arbeiten. Sie sind genug distanziert und haben auch den nötigen Respekt.»

Über die Vergangenheit will sich der Routinier nicht weiter auslassen. Er sagt nur, dass er nie einen Grund gesehen habe, warum er keine wichtige Rolle im Team mehr spielen sollte.
Noch vor zwei Jahren hatte es so ausgesehen, dass Blinden­bacher nach der siebten Gehirnerschütterung im Oktober 2017 nie mehr spielen würde. Weil er noch einen Vertrag hatte, wurde er zwar weiter im Kader aufgeführt, geplant wurde aber ohne ihn.

Doch dann stand er im Sommer plötzlich wieder auf der Matte. «Walter Frey sagte mir damals: ‹Wissen Sie, manchmal kann man lange überlegen. Doch am besten ist es, wenn man es einfach versucht›», blickt der Zürcher Unterländer zurück. Er nahm sich den präsidialen Rat zu Herzen, überwand seine Ängste und übersprang damit die entscheidende Hürde.

ZSC-Titel verstärkte Wunsch aufs Eis zurückzukehren

Bereits die Playoffs 2018, die er zunächst aus der Distanz und dann auf der Zielgeraden zum Titel­gewinn wieder nahe an der Mannschaft verfolgte, stärkten den Wunsch, aufs Eis zurückzukehren. «Es war einerseits bitter, nicht spielen zu können. Doch es war auch sehr schön, das von aussen zu betrachten und zu sehen, wie viele Leute Freude daran haben. Es war sehr emotional für mich. Das ist etwas vom Schönsten: Die ganze Stadt steht hinter dem Team. So etwas findet man sonst nirgends in der Arbeitswelt.»

Als er während Monaten nicht spielen konnte, machte er sich verstärkt Gedanken über das Leben ohne Hockey. Er gab sich einen Ruck und rief einen Bekannten in der Geschäftsleitung der auf­strebenden Schweizer Laufschuh­marke On an, die durch das Engagement von Roger Federer zuletzt für Schlagzeilen sorgte. Seither konnte Blindenbacher dort in verschiedenen Bereichen einen Einblick in die normale Arbeitswelt ausserhalb der Hockey-Blase gewinnen. Allerdings nicht als Investor wie der Tennis-Maestro. «Leider noch nicht», sagt er augenzwinkernd.

Er sei «gottenfroh» gewesen, dass er damals, als er hockeytechnisch auf Eis gelegt war, einer Beschäftigung nachgehen, seinem Leben wieder eine Struktur geben konnte und nicht nur alleine zu Hause sass.

Blindenbacher hat die Vertragsverhandlungen selber geführt

Inzwischen ist klar, dass er auch nächste Saison für die Lions spielen wird. Blindenbacher führte die Verhandlungen mit Sportchef Sven Leuenberger selbst – und musste im neuen Vertrag finanzielle Abstriche hinnehmen. «Herr Leuenberger sagte mir, dass ich mich als Agent ganz gut gemacht habe», erzählt der vier­fache Meister. «Und ich sagte ihm, dass er mir dann bei den nächsten Verhandlungen entgegenkommen müsse.»

Leuenberger sagt, dass Blindenbacher gut vorbereitet zu den Gesprächen erschienen sei. Er hatte sich auch auf dem Markt umgehört. «Doch die Klubs, die mich interessiert haben, sagten: ‹Blindi, gerne – vor fünf Jahren.› Da habe ich gemerkt: Du bist langsam ein älteres Semester.»

So konnte er auch nicht gross pokern. Zudem wollte er ja auch bei den Lions bleiben, zumal er sich vorstellen könnte, übers Karriere­ende hinaus für den Klub, mit dem er sich sehr verbunden fühlt, tätig zu sein. «Ich habe nicht vergessen, dass mich die ZSC Lions auch enorm grosszügig unterstützt haben, als ich während fast einem Jahr nicht spielen konnte.»

Hockey-Garderobe ist nicht mehr mega inspirierend

Obwohl er längst wieder spielt, arbeitet er weiter zwei Nachmittage pro Woche bei On. Er ist froh, ein anderes Umfeld kennenzulernen. «Mega inspirierend ist die Hockey-Garderobe nicht mehr für mich. Ich bin ja nicht mehr 22», sagt er.

Die Frage, wie es dereinst weitergehen soll, umtreibt ihn weiter. So denkt er mit Ex-Fussballer Beni Huggel und Dave Heiniger über Möglichkeiten nach, wie man die Karriere nach der Karriere mittels eines Netzwerks für Sportler organisieren könnte. «Es sind bereits viele Ideen entstanden», fügt er an.

Eines hat Blindenbacher anderen schon voraus: Er ist nicht mehr in der Käseglocke, in der viele Spitzensportler leben, gefangen.

Nächste Hirnerschütterung

Am Dienstag hat sich Blindenbacher gegen Langnau bei einem Sturz in die Bande eine weitere (leichte) Hirnerschütterung zugezogen. Er fällt rund eine Woche aus.

Am Dienstag hat sich Blindenbacher gegen Langnau bei einem Sturz in die Bande eine weitere (leichte) Hirnerschütterung zugezogen. Er fällt rund eine Woche aus.


National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
19
19
40
2
HC Davos
HC Davos
21
21
40
3
Lausanne HC
Lausanne HC
21
8
40
4
SC Bern
SC Bern
22
15
36
5
EHC Kloten
EHC Kloten
21
2
33
6
EV Zug
EV Zug
21
14
33
7
EHC Biel
EHC Biel
21
0
32
8
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
21
-4
31
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
21
-9
27
10
SCL Tigers
SCL Tigers
19
-3
25
11
HC Lugano
HC Lugano
19
-13
25
12
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
19
-12
24
13
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
17
-3
22
14
HC Ajoie
HC Ajoie
20
-35
15
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