1996: EHC Kloten.
Foto: Keystone

Vor 27 Jahren
Der EHC Kloten startet eine Ära

Der Sport ruht! Aber nicht bei uns. Um Ihnen die Zeit zu überbrücken, blicken wir in unserer BLICK-Serie zurück auf grosse Schweizer Sport-Momente. Heute: der EHC Kloten.
Publiziert: 24.03.2020 um 10:00 Uhr
1/7
1993 – Endlich! Nach jahrelangem Leiden holt sich Kloten am 23. März 1993 den ersten von vier Titeln in Serie. «Limi» Wäger und Co. waren auch im Feiern Meister.
Angelo Rocchinotti

Elf Sekunden stehen noch auf der Matchuhr. Doch in der «Villa Durchzug», wie der Schluefweg damals spöttisch genannt wird, gibt es kein Halten mehr. Roman «Limi» Wäger hat mit einem Schuss ins verwaiste Gottéron-Tor soeben zum 4:2 getroffen. Die ersten Fans drängen aufs Eis, wollen zu ihren Helden. Nur einer gibt sich unbeeindruckt, wartet im Mittelkreis aufs Wiederanspiel: Fribourgs Wunderstürmer Slawa Bykow.

«Er sagte: ‹Wirf ein! Wirf ein!›», erinnert sich Schiedsrichter Reto Bertolotti. «Kloten war noch nicht bereit. Trotzdem warf ich die Scheibe ein. Berührt hat sie niemand mehr. Bykow umarmte Klotens Johansson. Ein ergreifender Moment.»

Die Uhr – was der Zeitnehmer genau macht, ist nicht überliefert – bleibt bei 19:49 im dritten Drittel stehen. Kloten ist erstmals nach 1967 Meister. «Bykow und Chomutow liessen die Scheibe einfach liegen. Ich habe das völlig präsent», blickt Goalie Reto Pavoni zurück. «Die Stimmung war elektrisierend. Davon habe ich als Junge immer geträumt.»

Sieg in Lugano als Weckruf

Es ist der Beginn einer grossen Ära, von der die kühnsten Optimisten nicht zu träumen gewagt hätten. «Kloten wird nie mehr Meister!», wird anfangs der 1990er-Jahre noch gehöhnt. Viermal sind die Zürcher am «Grande Lugano» gescheitert. Zweimal im Final. Zudem scheint sich der SCB als neue Kraft zu etablieren. Leitwolf Felix Hollenstein überlegt sich 1992 gar, den Klub zu verlassen.

Die Wende? Im Halbfinal 1993 liegt Kloten nach der Auftaktniederlage gegen Lugano auch im zweiten Spiel zurück. «Dann glich ein komischer Captain in der letzten Minute noch aus», erzählt Hollenstein. Der komische Captain ist Hollenstein selbst. Kloten gewinnt im Penaltyschiessen, dreht die Serie und wird mit fünf Siegen in Folge Meister. «Der Sieg in Lugano war wie ein Weckruf. Da wussten wir: Wir können dieses Lugano schlagen. Wir können es packen.»

«Blaue Flecken vergehen. Erfolg bleiben.»

Baumeister des Erfolgs ist Präsident Jürg Ochsner (74, Bild). Er holt erst Weltklasse-Verteidiger Anders Eldebrink. Dann Trainer Conny Evensson, der Mann mit den Goldhosen, der die Schweden 1991 und 1992 zum WM-Titel führte. Und schliesslich Stürmer Mikael Johansson, von dem man zunächst nur weiss, dass er der kleine Bruder von Luganos Kent ist.

«Eldebrink sagte früh, dass Micke mindestens so gut ist», erzählt Wäger. «Johansson war dermassen cool. Er zeigte selbst nach drei Stockschlägen keine Regung, sagte nüchtern: ‹Sie gehen auf die Strafbank, wir schiessen ein Tor und werden gewinnen.›» Wäger selbst galt eher als Hitzkopf. «Ich dachte nicht so, hätte dem Gegner spätestens nach dem dritten Schlag eine verpasst. Doch diese Coolness und Cleverness, die Johansson mitbrachte, waren die Hauptgründe für unsere Erfolge. Nach dem Motto: Blaue Flecken vergehen. Erfolge bleiben.»

Bykow beeindruckt Kloten

Das ganze Zürcher Unterland lechzt 1993 nach dem Titel. «Der Final gegen Gottéron war eine Riesensache», so Hollenstein. «Ich habe während diesen zwei Wochen kaum geschlafen», verrät Wäger: «Die schlimmste Zeit waren die vier Stunden vor dem Spiel. Sie kamen mir wie drei Wochen vor. Ich konnte ja nicht den ganzen Nachmittag mit dem Hund spazieren gehen, schaute ständig zur Uhr und war richtig glücklich, konnte ich ins Stadion gehen. Dort fühlte ich mich wohl.»

Gleich zweimal, 1993 und 1994, gehen Fribourg und seine russischen Puckkünstler Slawa Bykow und Andrei Chomutow, die zusammengezählt zwölf WM-Titel gewinnen und fünfmal Olympiagold holen, leer aus. Johansson, der im letzten Drittel immer dann auf dem Eis steht, wenn Bykow auch dort ist, dominiert den Russen. Eldebrink neutralisiert Chomutow.

Trotz der Rivalität ist der gegenseitige Respekt gross. «Einmal verdrehte ich mir das Knie, musste vom Eis. In der Pause kam Bykow vorbei, erkundigte sich nach meinem Zustand. Das war gigantisch und zeigt die Grösse dieser Spieler», sagt Pavoni.

Die Zürcher lassen es nach dem Titel krachen. «Wir zogen mit der halben Ausrüstung um die Häuser, gingen mit dem Pokal bis nach Zürich», erinnert sich Wäger, der heute ein Sanitärgeschäft betreibt. «Nach zwei Tagen bist du dann mal nach Hause, hast dich geduscht und dich kurz schlafen gelegt. Kaum wach, ging es in die nächste Kneipe.»

Ghackets und Hörnli bei Hollenstein

Dreimal gelingt die Titelverteidigung. «Der Kern des Teams blieb zusammen. Wir waren ehrgeizig. Und die Chemie stimmte», sagt der ehemalige Maurerlehrling Pavoni, der wegen seiner Abschlussprüfung 1987 das letzte Finalspiel gegen Lugano noch verpasste.

Trotz den Erfolgen herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Das Team wird mit jedem Titel teurer. Schon im Dezember 1992 müssen die Spieler auf Lohn verzichten. «Das kam ein paar Mal vor. Doch das schweisste uns zusammen», betont Pavoni.

Unvergessen bleibt die Episode, als sich die Mannschaft nach dem Fall auf Rang 7 im letzten Qualispiel in Biel 1995 bei Hollenstein zu Hause zu Ghackets und Hörnli versammelt und die Absetzung des Trainerduos Putte Carlsson/Lars Falk einleitet. «Man kann nicht ständig das Team kritisieren», sagt Wäger. Doch nicht alle sind einer Meinung. «Mir passte dieses Duo auch nicht», gibt Pavoni zu. «Doch ich war sauer, dass man das Ganze an ihnen festmachte. Ich fand, wir brachten unsere Leistung nicht.»

Pfiffe an der Meisterfeier

Einen Tag später steht Alpo Suhonen, zuletzt als Theaterdirektor in Turku tätig, auf der Matte. Der Finne liest bei schlechten Auftritten in der Pause auch mal demonstrativ die Zeitung, sagt: «Wenn Sie nicht spielen mögen, mag ich auch nicht coachen.» Mit Suhonen wird Kloten von Rang 7 aus Meister, verteidigt den Titel auch 1996. Bis der Klub entscheidet, mit dem Finnen nicht mehr zu verlängern.

«Das machte uns traurig und sauer. Ich weiss nicht, was vorgefallen war», sagt Pavoni. Bei der Meisterfeier wird Präsident Ochsner mit Pfiffen eingedeckt. Meister wird Kloten danach nie mehr, spielt 24 Jahre später in der Swiss League.


National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
19
19
40
2
HC Davos
HC Davos
21
21
40
3
Lausanne HC
Lausanne HC
21
8
40
4
SC Bern
SC Bern
22
15
36
5
EV Zug
EV Zug
22
19
36
6
EHC Kloten
EHC Kloten
21
2
33
7
EHC Biel
EHC Biel
21
0
32
8
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
22
-9
31
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
21
-9
27
10
SCL Tigers
SCL Tigers
19
-3
25
11
HC Lugano
HC Lugano
19
-13
25
12
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
19
-12
24
13
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
17
-3
22
14
HC Ajoie
HC Ajoie
20
-35
15
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