Trotzdem stürmt er in der NLA
Patrick Schommer ist auf einem Auge blind

Lange Zeit sprach er nicht darüber: Patrick Schommer sieht auf der einen Seite fast nichts. Noch mehr aber plagten den Stürmer in seiner Karriere die Hüftschmerzen.
Publiziert: 29.01.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:41 Uhr
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Fünf Prozent: So viel sieht Patrick Schommer auf seinem linken Auge.
Foto: Toto Marti
Von Nicole Vandenbrouck

Rückblende: Patrick Schommer gilt im Engadin als riesiges Talent. Der Junior des EHC St. Moritz hinterlässt Eindruck. Richi Jost, sein erster Trainer in St. Moritz und nun Nachwuchschef bei den ZSC Lions, holt den Stürmer 2005 zu den GCK Lions in die NLB.

Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand weiss: Schommers Sehvermögen auf dem linken Auge liegt bei fünf Prozent!

Er ist praktisch blind, sieht nur Farben und Bewegungen, wie durch einen dichten Schleier. Und das von Geburt an: Angeborener Grauer Star, auch Katarakt genannt, tritt bei bloss 0,03 Prozent der Neugeborenen auf.

Babys werden normalerweise auf diese Krankheit untersucht. Doch bei Schommer bleibt die Sehschwäche unbemerkt. Der Junge selbst vertraut sich niemandem an.

Beim Sehtest geschummelt

«Es war mir peinlich», sagt der 25-Jährige heute. «Ich habe es nie erzählt, weil es mich nie eingeschränkt hat.» Er spielt Hockey, und dies sehr gut. «Beim Sehtest habe ich einfach geschummelt.»

Für Schommer wird seine Sicht der Dinge zur Normalität – er hat ja keinen Vergleich. «Mein Gehirn hat sich auf meine Sehschwäche eingestellt und sie so kompensiert.»

Kurz vor seinem Wechsel ins Unterland weiht er seine Mutter ein. «Ich habe ihr gesagt, dass ich auf dem linken Auge fast nichts sehe. Sie glaubte mir zunächst aber nicht.» Erst Abklärungen beim Arzt bestätigen es und liefern die Diagnose.

Bitter: Die Sehschwäche wäre operabel gewesen, hätte man sie vor seinem 9. Lebensjahr entdeckt. Das einzige Anzeichen fällt der Familie erst nach der Diagnose auf: «Auf sämtlichen Ferienfotos habe ich das linke Auge geschlossen.» Betroffene Augen sind sehr lichtempfindlich.

Trotzdem will er weiter Hockeyprofi werden. Im Hockey-Umfeld behält er die Sehschwäche aber weiter für sich. Durch einen dummen Zufall muss er 2009 bei den ZSC ­Lions trotzdem von seiner Krankheit berichten: In der Saisonvorbereitung schwillt sein rechtes Auge nach einem Stockschlag leicht an.

«Meine Sicht war eingeschränkt, und ich musste dem Arzt sagen, dass ich so nicht spielen kann.» Auf den Einwand, dass er ja noch ein zweites Auge habe, rückt Schommer mit der Wahrheit raus.

Fast das Karriereende

Das Unglaubliche an seiner Leidensgeschichte: Nicht die Sehschwäche verdirbt ihm beinahe die Karriere, sondern ein Hüftleiden. Beim HCD plagen ihn 2012 Hüftschmerzen, die er sich in Zürich hat wegspritzen lassen. Die Ärzte raten zur OP – eine fast dreijährige Geduldsprobe beginnt.

Drei weitere Operationen folgen, die Schmerzen bleiben. Erst im letzten Herbst findet er Erlösung bei einem Spezialisten in den USA. Sechs Wochen verbringt er bei Bill Knowles in Philadelphia. Bei ihm liess sich schon Tiger Woods behandeln.

Und endlich tritt eine Besserung ein. Die Aussage von Knowles, dass die Operationen ­unnötig waren, erschrecken Schommer dann aber: «Das ist schlimmer als die Sehschwäche. Wegen ihr verpasste ich nur ein Spiel, wegen der Hüfte drei Jahre.»

Verschiedene Ärzte raten ihm dann zum Rücktritt, aber Schommer steckt nicht auf. Der HCD leiht ihn an die Lakers aus – und dort kommt er nun zu Spielpraxis. Am Obersee ist man zufrieden mit dem Center, der sich bis morgen entscheiden muss, ob er bei den Lakers bleibt.

Wie schon beim HCD geht Schommer auch da offen mit der Krankheit um. «Natürlich bekomme ich auch schon Sprüche zu hören.» Sein linker Flügelstürmer Rizzello hat ihn spasseshalber schon gefragt, ob er seinen Pass nicht gesehen habe. Da muss auch Schommer lachen.

Die Sehschwäche gehört für ihn zu seinem Leben. «Es gab nur ganz, ganz wenige Momente, in denen ich für mich alleine war und mich beeinträchtigt gefühlt habe.»

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
19
19
40
2
HC Davos
HC Davos
21
21
40
3
Lausanne HC
Lausanne HC
21
8
40
4
SC Bern
SC Bern
22
15
36
5
EV Zug
EV Zug
22
19
36
6
EHC Kloten
EHC Kloten
21
2
33
7
EHC Biel
EHC Biel
21
0
32
8
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
22
-9
31
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
21
-9
27
10
SCL Tigers
SCL Tigers
19
-3
25
11
HC Lugano
HC Lugano
19
-13
25
12
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
19
-12
24
13
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
17
-3
22
14
HC Ajoie
HC Ajoie
20
-35
15
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