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«Thema zu wenig erforscht»
SCB-Krueger sagt Hirnerschütterungen den Kampf an

Mit 19 Jahren spielte er, obwohl er keine Ahnung hatte, wo er sich befand. Heute will Justin Krueger zur besseren Erforschung von Hirnerschütterungen beitragen.
Publiziert: 17.09.2019 um 17:50 Uhr
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SCB-Verteidiger Justin Krueger forscht zum Thema Hirnerschütterungen.
Foto: Sven Thomann
Angelo Rocchinotti

Hirnerschütterungen: Seit Jahren gibt das Thema Anlass für Diskussionen. Pro Saison verletzen sich in der National- und der Swiss League über 100 Spieler. Die Symptome – Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel – können abklingen, aber nach wenigen Tagen wieder auftreten. Oft herrscht Unklarheit darüber, wann ein Spieler zurückkehren kann. Und genau das stört SCB-Verteidiger Justin Krueger. Er sagt: «Es ist ein Hin und Her. Das Thema ist noch immer zu wenig erforscht.»

Der 32-Jährige will diesem Umstand entgegenwirken. Und mit ihm seine Frau Eva, die über einen Doktortitel in Psychologie verfügt und sich mit der Untersuchung und der Analyse von Augenbewegungen befasst. «Sie fand heraus, dass sich die Augenbewegungen verändern, je stärker man mental beansprucht wird. Wir fragten uns, ob das bei Hirnerschütterungen auch der Fall sein könnte und ob generell zwischen Spielern mit und solchen ohne Hirnerschütterungen Unterschiede existierten.»

Krueger testet seine Mitspieler

Der Sohn des ehemaligen Nati-Trainers Ralph Krueger unterzieht Mitspieler mit unterschiedlichem Gesundheitszustand einem Test. «Sie müssen auf einem Computer Reaktionsübungen lösen, während Kameras ihre Augenbewegungen messen. Der Test dauert rund 20 Minuten.»

Zwischen 40 und 50 solcher Tests hat Krueger bisher durchgeführt. Sein Ziel? Er will einen exakten Messwert erhalten, der einem Spieler aufzeigt, ob er zurückkehren kann oder nicht. «Heute gibt es bloss einen Stufenplan: Erst gehst du aufs Velo, dann alleine aufs Eis. Und schliesslich trainierst du erst ohne und dann mit Körperkontakt mit dem Team, bis man irgendwann wieder ins Spielgeschehen eingreift.»

Krueger fand nach langer Suche ein Labor in New York, das seine Daten auswertet. Und tatsächlich zeigen erste Ergebnisse Unterschiede in den Augenbewegungen von Spielern mit und solchen ohne Hirnerschütterungen. Doch das Labor will noch mehr Daten. Krueger braucht also mehr Probanden. Doch: «Wer verletzt ist, steckt oft in einem mentalen Loch. Ihn dann nach dem Test zu fragen, gestaltet sich als nicht immer leicht.»

Der Deutschkanadier mit Schweizer Lizenz suchte schon sportartübergreifend, fragte auch bei einem Schweizer Footballteam an. Eine Antwort bekam er aber bis heute nicht.

«Konnte den Puck nicht mehr sehen»

Krueger wurde selbst schon Opfer von Hirnerschütterungen. Drei oder vier sollen es gewesen sein. So genau weiss das der Verteidiger nicht mehr. An ein Spiel in der kanadischen Juniorenliga erinnert er sich aber bis heute. «Mit 19 Jahren wurde ich von einem Gegenspieler seitlich gegen den Kopf gecheckt. Ich kehrte auf die Bank zurück, spritzte mir aus der Getränkeflasche Wasser ins Gesicht, schüttelte den Kopf und hatte plötzlich Kristalle vor meinen Augen. Den Puck konnte ich nicht mehr sehen.»

Dennoch zeigte sich sein Trainer unbeeindruckt. «Er fragte, was er tun solle? Wir hätten zu wenige Verteidiger. Selbst wenn ich nichts sähe, sei es immer noch besser, als gar nicht zu spielen. Am Ende kannte ich weder das Resultat, noch wusste ich, wo das Spiel stattfand. Dennoch stand ich tags drauf wieder im Einsatz.»

«Plötzlich bewegte sich die TV-Untertitelung»

Heute nimmt man Spieler schon bei ersten Anzeichen vom Eis. Doch immer wieder sah Krueger Spieler, die zu früh zurückkehrten. «Ich hatte mal eine Hirnerschütterung», so der 32-Jährige, «dachte aber, alles sei halb so schlimm. Bis ich merkte, dass sich eine TV-Untertitelung nach oben bewegte. Wie bei einem Abspann. Am Ende fand man heraus, dass ich einfach länger pausieren muss. Doch was, wenn ich gespielt hätte?»

Laut Ärzten, würden leichte Schädel-Hirn-Traumata noch immer unterschätzt, 40 bis 50 Prozent gar übersehen. Bei zu früher Rückkehr, besteht die Gefahr, langfristiger Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit. Auch das Risiko an Demenz oder Alzheimer zu erkranken, ist erhöht.

Krueger braucht Geduld. Er sagt: «Manchmal ist es frustrierend, weil es nicht vorwärts geht. Aber so ist halt die Forschung.» Der SCB-Back arbeitet seit vier Jahren daran. Und wird es wohl noch eine Zeitlang tun.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
29
34
61
2
Lausanne HC
Lausanne HC
32
13
61
3
SC Bern
SC Bern
32
21
58
4
HC Davos
HC Davos
33
24
58
5
EHC Kloten
EHC Kloten
33
0
57
6
EV Zug
EV Zug
31
19
49
7
SCL Tigers
SCL Tigers
31
3
45
8
EHC Biel
EHC Biel
31
-1
42
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
32
-11
42
10
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
33
-14
42
11
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
32
-21
41
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
29
-1
39
13
HC Lugano
HC Lugano
31
-20
39
14
HC Ajoie
HC Ajoie
31
-46
26
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