Stur, grantig-lustig und abergläubisch
SCB-Jalonen
 geht vor Spielen immer aufs
 gleiche WC!

Er veranstaltete einen Bratwurst-Contest, geht immer auf dieselbe Toilette und ist extrem erfolgreich: SCB-Coach Kari Jalonen.
Publiziert: 15.04.2019 um 19:36 Uhr
|
Aktualisiert: 15.06.2023 um 00:00 Uhr
1/6
SCB-Trainer Kari Jalonen ist in Oulu aufgewachsen, 230 Kilometer vom Polarkreis entfernt.
Foto: Keystone
Angelo Rocchinotti
Angelo RocchinottiEishockey-Reporter

Kari Jalonen, der Arno Del 
Curto des Nordens. Solche und andere aberwitzige Vergleiche wurden gezogen, als der SCB vor drei Jahren den finnischen Nationaltrainer verpflichtete. Mittlerweile weiss jeder: Jalonen ist keiner, der die 
Massen bewegt. 60 Minuten lang eine Kamera – «Kari-Cam» – auf ihn zu richten, wäre zwecklos.

Mit stoischer Ruhe verfolgt der 59-Jährige die Spiele, steht mit dem immer gleichen Gesichtsausdruck – die Mundwinkel nach unten gezogen – an der Bande. Nur wer genau hinschaut, erkennt, dass er hin und 
wieder seinen Rücken durchstreckt, sobald es brenzlig wird. Es mag an seiner Art liegen, dass der unnah­bare Finne auf der Beliebtheitsskala der Fans nicht zuoberst rangiert, lechzt man doch in Bern nach Unterhaltung.

Schon in der Quali wurde gemurrt. Die Spieler würden in ein taktisches Korsett gedrängt. Aus Kari Jalonen wurde «Schablonen-Kari». Dass sich der Quali-Sieger in den Playoffs 
gegen Servette und Biel schwertat, entfachte die Trainer-Diskussion vollends. «Kari raus!», lautete das Credo im Fanforum.

Jalonen aber lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. Ein Insider verrät: «Kari ist nicht nur stur. Er ist auch arrogant. Er ist dermassen von sich überzeugt, dass er sich schlicht nicht darum schert, was andere denken.» Der Erfolg gibt dem elffachen finnischen Meister recht. In drei Jahren Jalonen gewann Bern stets die Quali, wurde 2017 Meister und steht nun zum zweiten Mal im Final.

Betritt er den Raum, weiss jeder, wer der Chef ist

Jalonen ist aber kein Langweiler. Er hat durchaus Humor, legte nach einem Sieg in der Kabine auch schon ein Tänzchen hin. Als er im Training mal schlechte Pässe spielte, schob er die Schuld aufs Fondue vom Vorabend. Zudem veranstaltete er in 
seiner ersten Saison einen Bratwurst-Contest. «Er testete an Auswärts­spielen Bratwürste und präsentierte die Ergebnisse dem Team», verrät 
Ex-SCB-Captain Martin Plüss. «Kari ist grantig-lustig.»

Der 59-Jährige weiss, wie man eine lockere 
Atmosphäre schafft. Videolektionen beginnt er stets mit einem Spässchen. Einmal liess er das Resultat eines gewonnenen Fussballspiels der Finnen gegen Schweden einblenden. Ein andermal war auf einem Videoclip zu sehen, wie ihm in Biel ein Bierbecher an den Kopf flog. «Doch sobald er den Raum betritt, weiss jeder, wer der Chef ist», sagt Verteidiger Jérémie Kamerzin.

Hinter allem steckt Kalkül. Weicht er Fragen zu Spielszenen aus und sagt, er müsse sich erst das Video
 anschauen, dann nicht ohne Grund. Er will sicher sein, wendet sich deshalb auch erst am nächsten Tag ans Team. Jalonen spricht mit dem Captain-Team oder vor versammelter Mannschaft. Seine Botschaften sollen alle hören und nicht in verzerrter Form weitergegeben werden. «Er will keine Beziehung zu einzelnen Spielern aufbauen», sagt ZSC-Stürmer 
Simon Bodenmann, der zwei Jahre unter Jalonen spielte. «Er sagt kaum ein Wort, ist kalt bis sehr kalt, kommt aber in der Gruppe aus sich heraus.»

Der Mann, der Finnland 2016 in den WM-Final führte, ist ein Perfektionist. Wenn er mit nur elf Stürmern nach Davos reist und darauf verzichtet, einen Junior einzusetzen, dann deshalb, weil er der Überzeugung ist, dass noch kein Junior bereit ist, NL zu spielen. «Setze ich jemanden ein, der nicht bereit ist, 
ist das ein 
Signal, dass ich das Spiel nicht ernst nehme», so Jalonen.
Marco Müller, der unter dem Finnen einen schweren Stand hatte und nach Ambri wechselte, sagt: «Er ist der Meinung, dass Junge mehr arbeiten müssen. Ich finde das richtig, profitiere 
heute noch von ihm.»

Keine kurzen Stöcke unter Jalonen

Junioren, die neu ins Team kommen, werden von Jalonen erstmal auf ihre oft zu kurzen Stöcke angesprochen. «Kari will, dass mit 
langen Stöcken gespielt wird, und nimmt Patrik Laine als 
Beispiel», sagt Plüss. Das Argument? Für einen harten Schuss braucht man mit einem län­geren Stock weniger Kraft. Selbst gestandene Nati-Spieler mussten schon gegen ihren Willen den Stock wechseln.

«Er war schon als Spieler eine starke Persönlichkeit», sagt Hockey-Legende Wladimir Jursinow, einst bei TPS Turku Jalonens Trainer. «Ich habe seine Spielerkarriere beendet»,
 ergänzt der 79-Jährige 
lachend. «Ich spürte, dass ein grosser Trainer in ihm steckt, ging zu unserem Präsidenten und sagte: ‹Du musst Kari als Trainer verpflichten.› Kari begann daraufhin im Nachwuchs zu arbeiten. Er ist mein Stolz.»

Pekka Tirkkonen, ein anderer ehemaliger Kloten-Trainer, stürmte einst mit Jalonen in Turku. Und verrät: «Als Spieler hielt sich Kari nicht immer an die taktischen Vorgaben des Trainers. Er kannte oft nur den Vorwärtsgang.» Aufgewachsen ist Jalonen mit zwei älteren Brüdern und 
einer jüngeren Schwester in Oulu, 230 Kilometer vom Polarkreis 
entfernt. Der Vater arbeitete bei der Eisenbahn. Die Mutter kümmerte sich um die Kinder. Heute ist der 59-Jährige verheiratet und hat selbst zwei Kinder. Tochter Karolina ist Reiterin und wohnt in Dubai. Sohn Mikael arbeitet in Turku.

Velo von der Fahrradbörse

Weilt Jalonens Gattin Johanna, die als Ärztin in Finnland tätig ist, in der Schweiz, macht er mit ihr Ausflüge. Oft gehts ins Berner Oberland. Sonst spielt Jalonen Golf, geht joggen oder tourt mit seinem Velo, das er an der Fahrradbörse erworben hat, durch Bern. Im Sommer springt er gerne in die Aare. Jalonen mag Bier und im Winter Glühwein. Und er ist abergläubisch. «Vor den Spielen geht er immer auf dieselbe Toilette. Ist sie besetzt, kehrt er zurück und wartet, bis sie frei wird», sagt Bodenmann.

Um 6 Uhr früh ist er im Büro, braucht nur fünf Stunden Schlaf. «Kari ist ein Workaholic. Er verlangt viel, am meisten von sich selbst», sagt Agent und Freund Juho Sintonen. «Kari ist nicht bloss Hockey-verrückt, er hat viele Facetten. Mit ihm kann man auch über gesellschaftliche Themen diskutieren.»

Jalonen, der auch Schwedisch spricht, wollte Deutsch lernen, nahm sich einen Privatlehrer und teilte dem Team stolz seine Fortschritte mit. Doch weil für seinen Geschmack zu viel Wert auf Grammatik gelegt wurde, verwarf er die Idee wieder. Und so begrüsst er die Journalisten jeweils mit einem «Guten Abend» und wechselt dann ins Englische. Auf Jalonens Wunsch liess der SCB in der Kabine eine Sauna einbauen.

Zuletzt wurde die Liebe aber auf die Probe gestellt, die Zuschauerzahlen schwinden. Das sorgt in Bern für Kopfzerbrechen. Jalonens Vertrag läuft noch eine Saison. Ob er ihn erfüllt? Zuletzt gab es immer wieder Gerüchte über Angebote aus Russland. Dass ihn eine Rückkehr in die KHL reizt, ist kein Geheimnis. Vielleicht erkennt man in Bern erst, was man an Jalonen hatte, wenn Jalonen einst nicht mehr da ist.

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National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Lausanne HC
Lausanne HC
31
12
59
2
ZSC Lions
ZSC Lions
28
31
58
3
HC Davos
HC Davos
32
25
58
4
SC Bern
SC Bern
31
18
55
5
EHC Kloten
EHC Kloten
32
-1
54
6
EV Zug
EV Zug
30
20
49
7
SCL Tigers
SCL Tigers
30
4
44
8
EHC Biel
EHC Biel
30
2
42
9
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
32
-11
42
10
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
31
-18
41
11
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
31
-12
39
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
28
-3
36
13
HC Lugano
HC Lugano
30
-23
36
14
HC Ajoie
HC Ajoie
30
-44
26
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