Thomas Rüfenacht, in Lugano kassierten Sie eine Zehnminuten-Strafe, weil Sie Maxim Lapierre von der Bank aus provozierten. Was war da los?
Thomas Rüfenacht: Ich habe ihn ja bloss aufgezogen, weil ihn unser kleinster Spieler (der 18 Zentimter kleinere Ryan Lasch, die Red.) umgefahren hat. Es ist komisch. Lapierre provoziert, zieht sogar die Handschuhe aus. Reagiere ich, kriege sofort ich eine Strafe. Schiedsrichter Wiegand sagt, er habe mich mehrfach verwarnt. Doch es war so laut im Stadion. Wie hätte ich das denn hören sollen? Wo bleibt da das Fingerspitzengefühl? Es ist Playoff-Zeit. Die Fans wollen Emotionen sehen. Wir Spieler sollten uns doch noch die Meinung sagen dürfen. Es war ja auch nicht schlimm, was Lapierre machte.
Sie ärgerten sich. Weil Sie der Meinung sind, die Schiedsrichter würden immer gleich Sie rausstellen.
Das hat mit meinem Ruf zu tun. Trotzdem wurde es viel besser. Früher musste ich schon raus, wenn ich die Schiris nur schon komisch anschaute.
Haben auch Sie sich verändert?
Klar, wie Roger Federer. Als Teenager hat er Rackets zerschlagen, wurde dann auch ruhiger. Ich hatte gegenüber den Schiedsrichtern eine grosse Klappe. Jetzt ist der gegenseitige Respekt gestiegen.
Sie bezeichneten sich einst selbst als Hitzkopf.
Meine Rolle hat sich geändert. Ich bilde mit Moser und Arcobello eine Linie, fokussiere mich mehr aufs Spiel. Aber ich kann gut adaptieren. Das Team ist meine Familie. Tut man ihr weh, werde ich böse.
Die Schiedsrichter klagten, der Respekt ihnen gegenüber hätte abgenommen.
Ich finde, sie machen einen guten Job. Schade sind sie so unter Beschuss geraten. Ich bin einfach der Meinung, wir sollten enger zusammenarbeiten.
Wie meinen Sie das?
Man sollte die NHL zum Vorbild nehmen. Dort kommunizieren Spieler und Schiedsrichter ständig miteinander. Ich denke, es wäre auch gut, Spieler und Schiris würden sich im August mal treffen, um sich kennenzulernen.
Haben die Leute ein falsches Bild von Ihnen?
Ja. Ich denke, viele sind überrascht, wenn sie mit mir sprechen. In der Schweiz wurde ich lange auch sportlich unterschätzt.
Stört Sie das?
Nein. Ich mag es, die Leute vom Gegenteil zu überzeugen. Ich wollte es schon immer allen zeigen. Manchmal muss ich schmunzeln, wenn ich die Kommentare über mich lese und sehe, was für ein Dummkopf ich sein soll. Einige versuchen wohl, ihren Stress an mir abzubauen.
Erklären Sie das.
Ich checke niemanden gegen den Kopf oder von hinten in die Bande. Ich provoziere einfach. Manchmal werden dann Dinge frei erfunden. In Biel hiess es, ich hätte einen aufgebrachten Fan attackiert. Dabei fuchtelte ich bloss mit dem Stock herum und wollte ihn erschrecken.
Während Ihrer Zeit beim EVZ schrieb ein Leser in der Lokalzeitung, Ihr Verhalten würde auf die Fans überspringen.
Ich kein Vorbild? Wir sind moderne Gladiatoren. Während des Spiels gehen wir aufeinander los, danach geben wir uns die Hand. Schaut man auf die Tribüne, sieht man erwachsene Menschen, die uns den Stinkefinger zeigen, Münzen und Feuerzeuge werfen. In Biel wurde Micflikier mal von einem Fünfliber getroffen. Seine Lippe platzte auf. Das sollte man thematisieren.
Wie ticken Sie eigentlich privat?
Da bin ich nicht so aggressiv. Was mich ärgert: Leute, die mir nicht zuwinken, wenn ich mit dem Auto vor dem Zebrastreifen halte, um sie über die Strasse zu lassen. Da drückte ich auch schon mal auf die Hupe. Man kann sich doch bedanken!
Sie haben zwei Töchter. Wie haben Sie Lia (3) und Elli (1) verändert?
Sie haben mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Lia macht Dinge, die ich schon tat. Sie ist ein Schlitzohr und provoziert. Als sie am Esstisch mit der Gabel spielte und ich ihr sagte, sie soll mir nicht auf die Neven gehen, begann sie mich auszulachen. Sie meinte: ‹Du hast gar keine Nerven.›
Wie verbringen Sie Zeit mit den Kindern?
Mit Lia spiele ich American Football, Fussball oder gehe mit ihr in den Park. Es ist schön, zu sehen, wie sie ihre Ängste überwindet und auf dem Spielplatz furchtlos über die Hängebrücke klettert.
Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Jahre?
Eben nicht! Ich traf kürzlich jemand aus meiner Zeit bei Saastal in der 1. Liga 2005. Man hat selbst ja immer den Eindruck, man sei ein Teamplayer. Ich wollte wissen, wie ich mit 20 war. War ich ein Arsch? Der Kollege verneinte. Und sagte, ich sei lieb und ruhig gewesen, hätte einfach für mich geschaut.
Sie selbst können sich nicht erinnern?
Nein, meine Frau Romana meint, die vielen Hirnerschütterungen hätten meinem Langzeit-Gedächtnis geschadet.
Wie viele zogen Sie sich zu?
Drei. Vielleicht fünf. Im letzten Jahr fuhr mich Tim Traber über den Haufen. Es war die letzte Woche vor den Playoffs, unsere wichtigste Phase. Ich hatte Kopfweh, spielte aber weiter.
Heute ist man diesbezüglich doch sensibilisiert?
Früher schluckte man ein Dafalgan und gut wars. Letztlich muss jeder selbst entscheiden. Ich weiss nicht, ob es wirklich eine Hirnerschütterung war. Es war ja auch nicht so, dass mir gleich das Blut aus den Ohren tropfte.
Zurück zu den Anfängen bei Langnau. Sie haben in den ersten beiden Saisons bei den Junioren 276 Strafminuten kassiert.
Das sieht bloss wegen den paar Zehnminuten- und Machtstrafen so dramatisch aus. Für ein bisschen Halten muss man hier gleich unter die Dusche. In der NHL lässt du dafür fünfmal die Handschuhe fallen, prügelst dich und kehrst wieder zurück. Das sind harte Kerle.
Sie selbst sind in Meggen LU geboren und mit drei Brüdern in den USA aufgewachsen.
Von daher die Provokationen. Ich war der Zweitjüngste. Alle spielten Hockey. Jeder wollte überall der Beste sein. Noch heute. Zwei Brüder arbeiten für die U.S. Army, der eine gar für die Special Forces. Er war in Afghanistan und Afrika.
Mit ihm kehrten Sie 2003 in die Schweiz zurück.
Er war Goalie. Jetzt bin ich der Einzige, der noch spielt. Doch auch ich hätte fast aufgehört.
Weshalb?
Als Riccardo Fuhrer in der NLB bei Visp durch Kevin Ryan ersetzt wurde, kam ich nicht mehr zum Einsatz. Irgendwann sagte ich zu Ryan, ich hätte auch eine Chance verdient. Seine Antwort: ‹Ich bin hier, um eure Fehler zu korrigieren. Ich schulde dir nichts. Verschwinde.› Er schickte mich in die 1. Liga.
Wie gings weiter?
Als Visp in den Playoffs 0:3 hinten lag, wurde ich zurückbeordert. Wir glichen aus, verloren aber das siebte Spiel. Ich sagte meinen Eltern, ich würde es noch ein Jahr lang probieren und sonst aufhören. Ich habe keine Ausbildung, konnte nicht von meinem NLB-Einkommen leben und musste nebenbei noch arbeiten.
Was haben Sie getan?
Im Sommer arbeitete ich in Minnesota auf einem Golfplatz. Ich stand morgens um vier Uhr auf, grub Löcher und mähte die Wiese. Als ich Jahre später an der WM gegen die USA ein Tor erzielte, das aberkannt wurde, kamen SMS von den ehemaligen Arbeitskollegen. Sie wollten wissen, ob ich das bin.
Wussten sie nicht, dass Sie Hockey spielen?
Keiner nahm mich als Hockey-Spieler wahr. Für mich gab es früher auch bloss die NHL. Ich erinnere mich, wie wir als Kind Verlängerung um Verlängerung schauten. Kamen wir am nächsten Morgen nicht aus dem Bett, meldete uns die Mutter in der Schule krank.
Stimmt es eigentlich, dass Sie einst gegen Sidney Crosby spielten?
Ja, an der Highschool. Ich war 18. Er 15. Ich provozierte ihn, wollte ihm seine weisse Kette vom Hals reissen. Aber sobald man was sagte, standen schon zwei Verteidiger vor ihm. Ich musste aufpassen, dass ich nicht unter die Räder kam.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | Lausanne HC | 20 | 12 | 40 | |
2 | ZSC Lions | 18 | 20 | 39 | |
3 | HC Davos | 19 | 21 | 38 | |
4 | SC Bern | 20 | 15 | 33 | |
5 | EHC Biel | 19 | 4 | 32 | |
6 | EV Zug | 19 | 11 | 29 | |
7 | EHC Kloten | 19 | -2 | 28 | |
8 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 19 | -8 | 26 | |
9 | HC Ambri-Piotta | 18 | -10 | 24 | |
10 | HC Lugano | 17 | -13 | 22 | |
11 | HC Fribourg-Gottéron | 19 | -11 | 22 | |
12 | Genève-Servette HC | 16 | -2 | 21 | |
13 | SCL Tigers | 17 | -3 | 21 | |
14 | HC Ajoie | 18 | -34 | 12 |