Herr Shedden, sind Sie der Heilsbringer für Lugano?
Doug Shedden: Das weiss ich noch nicht, aber natürlich wäre ich gerne derjenige, der hier für Playoff-Erfolg sorgt. Immerhin habe ich in der NLA mit gewonnenen Viertelfinals etwas Erfahrung (mit Zug siegte er in allen 5, die Red.).
Der HC Lugano konnte seit 2006 keine Playoff-Serie mehr gewinnen. Wie oft geht Ihnen diese Tatsache durch den Kopf?
Nur dann wenn es jemand erwähnt wie Sie jetzt. Mit der Vergangenheit habe ich nichts zu tun, ich schaue vorwärts.
Und was sehen Sie?
Dass wir nun im Viertelfinal gegen den EV Zug spielen, zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen. Das ist doch eine grossartige Story, Doug Shedden zurück in der NLA, und dann im Viertelfinal gleich gegen seinen Ex-Klub.
Wie aufgeregt sind Sie, dass Sie derjenige sein könnten, der die Bianconeri wieder mal in einen Halbfinal führt?
Das wäre natürlich ein spezieller Nervenkitzel, der Halbfinal ist auch mein nächstes Ziel. Aber das ist nicht so leicht für einen Underdog.
Sie sehen Ihr Team als Underdog?
Ja, aber eigentlich spielt es mir keine Rolle, ob wir als Favoriten oder Aussenseiter ins Playoff-Rennen starten. Mit einer stärkeren Leistung über 50 Quali-Spiele hätten wir uns besser positionieren und Heimvorteil haben können. Jetzt müssen wir halt auswärts siegeshungriger werden.
Was war für Sie der Reiz am Job, als Sie von Lugano angefragt worden sind?
Es war eine Mischung aus der Chance, wieder zurück in die Schweizer Liga kommen zu können. Ich meine, welcher Trainer würde nicht gerne hier arbeiten und leben. Es ist ja doch so, dass hier ein gesundes Budget vorhanden ist und überdurchschnittliche Ausländer und starke Schweizer spielen. Diese Mischung hat Sexappeal für jeden Coach.
Können Sie uns das Geheimnis verraten, wie Sie die Puckkünstler mit ihren manchmal grossen Egos unter Kontrolle gebracht haben?
Ich glaube nicht, dass ich sie schon unter totaler Kontrolle habe (lacht). Es ist eine Gratwanderung. Man muss dem Spieler erlauben, dass er seine Stärken ausspielen darf. Es wäre ja blöd, würde ich zum Beispiel von Klasen immer verlangen, dass er die Scheibe einfach tief ins Drittel spielt. Er soll es aber tun, wenn es in der Situation die bessere Entscheidung ist. Auch Puckkünstler müssen verstehen, dass nicht jeder Einsatz ein Gretzky-Spielzug sein kann. Man muss ihnen das Vertrauen geben, dass sie am Puck die richtigen Entscheidungen treffen, ihnen aber gleichzeitig erlauben, ein gewisses Risiko einzugehen. Aber in den Playoffs können fatale Konter natürlich schicksalshaft sein.
Und haben Sie das Vertrauen?
Ja, ich weiss, dass sie ihren Job erledigen können. Und so viel ich von letzter Saison mitbekommen habe, müssen sich die Ausländer in den Playoffs noch beweisen. Klasen, der noch nie einen Titel gewonnen hat, sollte da heiss drauf sein. Die Herausforderung für einen Trainer ist, solche Spieler weiter zu pushen und Opfer von ihnen zu verlangen.
Würden Sie sagen, dass Ihre Mannschaft die richtige Mischung aus Künstlern, Arbeitern und Kämpfern hat, die es für die Playoffs braucht?
Wir sind nahe dran (schmunzelt). Aber die grosse Frage wird immer sein: Ist unser Goalie besser als der des Gegners?
Nach fünf Halbfinal-Outs mit dem EVZ, was wollen Sie selbst beweisen in Lugano?
Im Sport geht es ja immer darum, etwas beweisen zu müssen. Besser als das letzte Spiel, besser als die letzte Saison. Ich kann sagen, dass ich alles dafür tun werde, um meine Mannschaft optimal vorzubereiten und einen Weg zu finden, in den Halbfinal einzuziehen. Erst dann denke ich einen Schritt weiter.
Wie gross ist Ihre Freude, dass die Playoffs nun losgehen?
Ich kann es kaum erwarten! Sie müssen bedenken, dass ich im letzten September in New York auf der Couch gesessen bin und Football geschaut habe, als hier die Saison losging.
Als Sie keinen Trainer-Job hatten, wie sehr haben Sie Hockey da vermisst?
Extrem. Man weiss nie, wann und ob man den nächsten Job bekommt. Diese Ungewissheit kann man fast nicht beschreiben. Man verfolgt die Resultate verschiedener Ligen, muss fast hoffen, dass es einem Team nicht gut läuft. Dann muss man hoffen, dass der eigene Leistungsausweis gut genug ist, um infrage zu kommen. Und so sitzt man da und wartet auf einen Anruf.
Wie intensiv haben Sie da übers Leben oder das Schicksal nachgedacht? Hat der Herzinfarkt, den Sie im Frühling 2014 erlitten, Ihre Sichtweise auf gewisse Dinge verändert?
Das ist schwierig zu sagen (überlegt). Es war eine harte Zeit, und ich bin froh, dass er mich nicht unter die Erde gebracht hat. Ich dachte nicht, dass mir in diesem Alter so etwas passieren könnte. Und die Symptome des Körpers habe ich ignoriert.
Wie fingen die an?
In meinem letzten Jahr in Zug war mir einfach aufgefallen, wie mir die Energie fehlte und wie oft ich müde war. Beim Treppensteigen kam ich ausser Puste. Und dann an meinem 53. Geburtstag hatte ich plötzlich unglaubliche Schmerzen in der Brust.
Ernsthaft, genau an Ihrem Geburtstag?
Ja, wirklich, und ich war alleine in Florida, meine Frau weilte genau dann in der Schweiz. So musste ich selber zum Arzt fahren und als ich die Schmerzen schilderte, wussten die natürlich sofort, was los war. Später haben mich dann immer wieder Freunde angerufen und Happy Birthday gesungen am Telefon. Ich musste sie unterbrechen und sagen, dass ich in einem Spitalbett liege und einen Herzinfarkt hatte. Mir wurde eine Gefässstütze, ein so genannter Stent, eingesetzt. Eine der Arterien war zu 98 Prozent verstopft.
Ist das Trainerleben in diesem 24-Stunden-Job gefährlich für die Gesundheit?
Diese Antwort kenne ich nicht. Jeder Mensch, jeder Körper geht anders mit Stress um. Ich schaue jetzt etwas mehr auf meine Gesundheit. Und ich versuche, an der Bande ruhiger zu bleiben bei Dingen, die ich nicht kontrollieren kann. Also ich lasse die Schiedsrichter ihren Job machen. Ich war schon immer ein emotionaler und leidenschaftlicher Coach. Und jeder dachte, ich schreie immer so wegen den Schiris rum. Aber: Ich schreie auch wegen den Spielern.
Macht sich Ihre Frau Julie noch mehr Sorgen um Sie während dem intensiven Playoff-Rhythmus?
Klar macht sie sich Sorgen. Seit dem Herzinfarkt sind ihre Antennen immer auf Empfang. Und kaum denkt sie, dass es mir nicht ganz so gut geht, spricht sie mich darauf an. Während den Playoffs ist sie aber nicht in der Schweiz, vor wenigen Tagen ist Julie wieder abgereist. Ein Duell gegen Zug hätte sie wohl nur schwer verkraftet, wir haben ja viele Freunde dort.
Wie bleiben Sie relaxt während den Playoffs?
Das ist easy, ich fokussiere mich auf die Arbeit. Und solange ich nachts gut schlafen kann, ist das kein Problem.
Vor zwei Jahren kämpfte er ums Überleben. Im letzten Herbst war er noch arbeitslos. Jetzt will es Doug Shedden (54) wieder wissen. Und mit Lugano seinen Ex-Klub Zug rauskegeln.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | HC Davos | 23 | 25 | 46 | |
2 | ZSC Lions | 21 | 22 | 43 | |
3 | Lausanne HC | 22 | 9 | 42 | |
4 | SC Bern | 24 | 13 | 39 | |
5 | EHC Kloten | 23 | 4 | 38 | |
6 | EV Zug | 23 | 18 | 38 | |
7 | EHC Biel | 23 | -2 | 34 | |
8 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 23 | -8 | 31 | |
9 | HC Lugano | 21 | -15 | 28 | |
10 | HC Fribourg-Gottéron | 23 | -12 | 28 | |
11 | HC Ambri-Piotta | 21 | -12 | 27 | |
12 | SCL Tigers | 20 | -4 | 26 | |
13 | Genève-Servette HC | 19 | -3 | 24 | |
14 | HC Ajoie | 22 | -35 | 18 |