Knacknuss
Nüssli ist jetzt Langnaus bester Schweizer

Er konnte weder sitzen, noch schlafen – und wollte 2011 mit Eishockey Schluss machen. Doch jetzt ist Thomas Nüssli Langnaus bester Schweizer.
Publiziert: 30.10.2017 um 09:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:05 Uhr
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Nüssli (M.) ist der beste Schweizer Skorer der SCL Tigers.
Foto: KEYSTONE
Angelo Rocchinotti

Wer sich in der Szene nach Thomas Nüssli erkundigt, bekommt nicht nur Gutes zu hören. «Nüssli ist ein Vogel», sagt etwa ein ehemaliger Mit­spieler hinter vorgehaltener Hand. «Er braucht Aufmerksamkeit und nimmt sich viele Freiheiten he­raus.» Kritische Worte findet auch Tigers-Coach Heinz Ehlers. «Manchmal treibt er mich fast in den Wahnsinn, spielt mehr nach Intuition statt nach System.»

Der Stürmer, der einst aus Jux in einem Fragebogen Frauen als Hobby angab, galt stets als Riesentalent. In Herisau begonnen, debütierte der Appenzeller 1998 in der NLB und wurde vier Jahre später von den Vancouver Canucks gedraftet. Doch schon da geniesst Nüssli einen zweifelhaften Ruf. Er sei eine Diva und trainingsfaul, heisst es. Das stösst dem 35-Jährigen sauer auf.

Mit 15 beginnen die Rückenprobleme

«Als ich damals nach Zug wechselte, war ich komplett überfordert. In Herisau gabs noch keinen Kraftraum. Im Sommertraining spielten wir Fussball. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Gewicht ich stemmen soll.» Lieber feilt Nüssli an der Ausdauer. «Ich war auch ohne Krafttraining besser als andere. Weshalb hätte ich mich zusätzlich quälen sollen?»

Insgesamt habe er trotzdem mehr trainiert als viele seiner Kollegen. «Ich will nicht 0815 sein, hinterfrage viel, bin selten zu­frieden. So war ich immer.» Doch wiederholt werfen ihn Rücken­verletzungen zurück. Schon mit 15 Jahren beginnen die Probleme.
«Nach einem Check in die Bande gabs einen Knacks, und ich sackte aufs Eis. Als ich dann abends mit Kollegen Pizza essen ging, brach ich auf dem Weg ins Restaurant sicher zehnmal zusammen.» Nüssli werden Schmerzmittel verabreicht. «Es hiess, ich solle die Füsse hochlagern.»
Ein Jahr später kehren die Rückenschmerzen zurück. Manchmal für ein paar Tage. Dann für mehrere Wochen. «Wollte man als junger Spieler zur Massage, hiess es: ‹Jetzt kommt erst der Rötheli. Dann der Kessler. Vielleicht später.› Als ich danach nochmals fragte, meinte der Masseur, er habe jetzt keine Zeit mehr.» Nüssli spielt trotz Schmerzen, erzielt dabei gar einen Hattrick. «Ich kam dreimal an die Scheibe und traf dreimal. Dabei litt ich wie ein Hund.»

Therapie und Pilates statt Tabletten

In Zug und bei Rapperswil-Jona vermag sich der Stürmer nicht durchsetzen, wechselt erst nach Basel und dann zum EHC Biel, wo er sich in der Liga-Quali gegen Lausanne mit Thomas Rüfenacht schon vor dem ersten Bully prügelt. «Ich spielte stets in schwächeren Teams. Jeder Match war wichtig. Oft kam ich nach Verletzungen zu früh zurück.

2011 sind die Schmerzen so stark, dass Nüssli weder liegen noch sitzen kann. «Ich spielte weiter, habe aber drei Tage und drei Nächte nicht geschlafen. Nach den Spielen ging ich nachts spazieren und am Morgen wieder ins Training. Gesagt habe ich niemandem etwas. In die Schuhe aber stieg ich barfuss, weil ich keine Socken mehr anziehen konnte.»

Der Appenzeller schluckt Tablette um Tablette. «Am Ende waren es täglich vier Ponstan und sechs Voltaren. Ich hatte eine Überdosis, verlor büschelweise Haare.» Nüssli lässt sich zum vierten Mal am Rücken operieren, denkt an Rücktritt, kehrt aber neun Monate später zurück – und will die Karriere in der NLB bei Thurgau ausklingen lassen. Bis ihn die Tigers zweimal mittels B-Lizenz verpflichten.Nun bestreitet Nüssli bereits seine vierte Saison im Emmental, ist mit 11 Punkten stärkster Schweizer und hat seine Rückenprobleme dank Neuraltherapie und Pilates unter Kontrolle.

Keine Sorgen trotz auslaufendem Vertrag

Ende Saison läuft sein Vertrag aus. Nüssli möchte bleiben. Entschieden aber ist noch nichts. Sorgen um die Zukunft macht sich der zweifache Familienvater keine. Auch damals nicht, als der Rücken nicht mehr mitmachte. «Ich hätte ja sonst was arbeiten können. Es braucht alle. Die Angestellten an der Migros-Kasse genauso wie jene, die Regale auffüllen. Ich brauche nicht im Anzug in ein Büro zu sitzen, muss nicht viel verdienen.»

Nüsslis Vater besass einst ein Milchtransport-Unternehmen. Hin und wieder sass der Stürmer im Sommer im LKW. «Vor zwei Jahren schnupperte ich bei ‹Galliker Transport›, begann um vier Uhr früh mit der Arbeit. Chauffeur ist ein schöner Beruf. Du bist dein eigener Chef, erledigst einfach deine Arbeit.»
Tickt so eine Diva? «Die Leute geraten ins Staunen, wenn sie mich reden hören.» Aber jeder habe halt sein Päckchen zu tragen, so Nüssli.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
29
34
61
2
Lausanne HC
Lausanne HC
32
13
61
3
SC Bern
SC Bern
32
21
58
4
HC Davos
HC Davos
33
24
58
5
EHC Kloten
EHC Kloten
33
0
57
6
EV Zug
EV Zug
31
19
49
7
SCL Tigers
SCL Tigers
31
3
45
8
EHC Biel
EHC Biel
31
-1
42
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
32
-11
42
10
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
33
-14
42
11
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
32
-21
41
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
29
-1
39
13
HC Lugano
HC Lugano
31
-20
39
14
HC Ajoie
HC Ajoie
31
-46
26
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