Vor Wochenfrist wird der Davoser Félicien Du Bois von EVZ-Stürmer Reto Suri heftig gegen die Bande gewuchtet. Weil der Verteidiger seinen Gegenspieler nicht kommen sieht, trifft ihn die Energie des Aufpralls unvorbereitet.
Das Resultat: Sein Kopf prallt mit voller Wucht gegen die Sicherheitsverglasung, Du Bois verliert noch im Stehen kurz das Bewusstsein, kippt dann um und schlägt mit dem Kopf aufs Eis. Du Bois erleidet eine Gehirnerschütterung.
«Einen Teil dieser Verletzungen könnte man verhindern», sagt Jean-Claude Küttel, Präsident der medizinischen Kommission von Swiss Ice Hockey und Arzt der Nationalmannschaft. «Ein grosses Problem sind die Bandenkonstruktionen in den meisten Stadien. Sie sind nicht flexibel genug.»
Eine klare Aussage. Trotzdem sind in neun von zwölf NLA-Stadien Bandensysteme installiert, die ein Gesundheitsrisiko darstellen: Sie sind so starr wie Panzersperren.
Die Ausnahmen? Lugano, Lausanne und Biel. Lugano und Lausanne wechselten freiwillig auf das sichere System, der EHC Biel in Folge des Stadionneubaus.
Sicherheitsbanden sind als Gesamtsystem drei Mal flexibler als herkömmliche Konstruktionen. Die Bande selbst ist nur 110 statt 125 Zentimeter hoch, weniger starr, die Verglasung aus Acryl und es werden keine Stahlträger zur Befestigung verwendet.
Der internationale Eishockey-Verband IIHF hat in einer Langzeitstudie untersucht, wie erheblich der Unterschied zwischen herkömmlichen Systemen und der flexibleren Variante ist. Das Resultat: Das Risiko sinkt um 30 bis 50 Prozent, vor allem Schulterverletzungen können deutlich reduziert werden. Bei internationalen Grossanlässen kommen deshalb nur noch sichere Systeme zum Einsatz, in der NHL gehören sie bereits seit längerer Zeit zum Standard.
Reto Klaus, ehemaliger Geschäftsführer bei den Lakers, vertreibt für die Zürcher Oberländer Firma «ZüKo» moderne Bandensysteme und hat diese in Lugano, Lausanne und Biel installiert. «Bei diesen Banden beginnt die Verglasung weiter unten, sie sind deshalb weit flexibler. Der Handlauf, die Kante beim Übergang zwischen Bande und Glas ist abgerundet und mit drei Zentimetern viel weniger breit. Und wir verwenden kein Sicherheitsglas, sondern Acryl. Sicherheitsglas ist so starr wie Beton und deshalb die grösste Gefahr für die Gesundheit der Spieler.» Auch die Befestigung der Verglasung sei entscheidend, sagt Klaus. «Wird das Glas, egal welcher Art, mit Stahlstützen befestigt, fehlt die Flexibilität. Bei der sicheren Variante werden Verbindungselemente aus Kunststoff verwendet.»
Klaus weist auch auf die Bedeutung des Handlaufs hin, den Übergang zwischen Bande und Verglasung. «Teilweise ist das eine richtige Kante und bis zu 20 Zentimeter tief, bei einem Aufprall kann man sich vorstellen, welche Kräfte dann auf den Körper wirken.» Ein Beispiel: Bei der WM 2009 in Bern prallte Julien Sprunger nach einem Check des Amerikaners David Backes im Rückwärtsfallen gegen diesen Handlauf. Sprunger erlitt eine schwere Nackenverletzung und musste an den Halswirbeln operiert werden. Der Stürmer kam mit viel Glück ohne bleibende Schäden davon.
Warum die alten, starren und gefährlichen Banden nicht längst verboten sind? Wir fragen bei der Liga nach. Ueli Schwarz, Chef der National League: «Wir empfehlen zur Umrüstung in allen Stadien. Bei Neubauten ist es bereits Vorschrift, aber bei bestehenden Installationen fehlt uns schlicht die Macht dazu. Wir können den Klubs nichts vorschreiben, sie haben die Entscheidungsgewalt. Aber sie könnten die Umrüstung in einer Abstimmung beschliessen.»
Sind also die Kosten das Problem? 250 000 Franken muss man für eine Umrüstung hinblättern. Die Klubs schieben den schwarzen Peter zurück an die Liga. Diese müsse halt Vorschriften erlassen, damit könne man die Stadionbesitzer dann unter Druck setzen, heisst es lapidar.
«Ich hoffe nicht, dass etwas Schlimmes passieren muss, bis reagiert wird», sagt Jean-Claude Küttel. Eine Tragödie wie der Unfall von Ronny Keller, der am 5. März 2013 kopfvoran in die Bande prallte und seither querschnittgelähmt ist, kann kein Bandensystem der Welt verhindern. «Das ist leider so», sagt Küttel. «Aber wir hätten die Möglichkeit, die Gesundheit der Spieler durch relativ einfache Mittel besser zu schützen, und wir machen nicht mal das.»
Vielleicht muss ja erst eine Versicherungsgesellschaft eingreifen. Unfallversicherer und Klubs haben unterschiedliche Interessen, Entschädigungszahlungen für verletzte Spieler verursachen jedes Jahr Kosten in Millionenhöhe. Nebenbei wird dadurch auch die Kostenspirale bei den Prämien angekurbelt. Mindestens die Versicherer dürften sich dafür interessieren, dass mit einer Einmal-Investition von 250 000 Franken viel Geld gespart werden kann. Für neun von zwölf NLA-Klubs ist die Gesundheit der Spieler bisher nicht so viel Wert.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | Lausanne HC | 20 | 12 | 40 | |
2 | ZSC Lions | 18 | 20 | 39 | |
3 | HC Davos | 19 | 21 | 38 | |
4 | SC Bern | 20 | 15 | 33 | |
5 | EHC Biel | 19 | 4 | 32 | |
6 | EV Zug | 19 | 11 | 29 | |
7 | EHC Kloten | 19 | -2 | 28 | |
8 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 19 | -8 | 26 | |
9 | HC Ambri-Piotta | 18 | -10 | 24 | |
10 | HC Lugano | 17 | -13 | 22 | |
11 | HC Fribourg-Gottéron | 19 | -11 | 22 | |
12 | Genève-Servette HC | 16 | -2 | 21 | |
13 | SCL Tigers | 17 | -3 | 21 | |
14 | HC Ajoie | 18 | -34 | 12 |