Intimer Einblick in die Hockey-Garderobe
Launen, Dramen und Intrigen

«Mit dem Sitznachbarn pflegt man oft ein engeres Verhältnis als mit der Partnerin», schreibt einer, der es wissen muss: Dino Kessler, Ex-Profi und heutiger SonntagsBlick-Journalist.
Publiziert: 11.04.2021 um 13:30 Uhr
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Garderobe in der alten Valascia: Charme eines Zivilschutzkellers.
Foto: PIUS KOLLER
Dino Kessler

Bis vor ein paar Jahren hatten die meisten Garderoben den Charme von Luftschutzkellern. Holzbänke, kalkweisse Wände, unzerstörbare Kleiderhaken in Endlosschleife, genoppte Kunststoffböden in demoralisierenden Erdtönen, ein Geruch, irgendwo zwischen Krankenhausflur und Kartoffelkeller. Bis die verschwitzten Ausrüstungen mit ihrem einzigartigen Aroma den Sauerstoffgehalt auf ein Minimum reduzieren und zufälligen Besuchern aus der Aussenwelt die Tränen in die Augen schiessen. Sogar der Präsident verliert manchmal die Orientierung, wenn ihm dieses homogene Gemisch aus altem Schweiss und frischer Spucke den Atem für seine Brandrede raubt.

Schon damals ist die Garderobe aber nur ein Raum, vier Wände, manchmal quadratisch, oft lang gezogen, selten verwinkelt, ohne die Sportler aber seelenlos und darum nichts weiter als ein nüchternes Bauwerk. Ich habe nie verstanden, was an einer Garderobe so besonders sein soll. Ein Heiligtum? Vollkommen übertrieben.

Warum nicht aufs Logo treten?

Heute sind die Garderoben stubenrein, Spassbäder mit Sauna und Whirlpool, Lounges mit einer separaten Ankleide, die selbst Industriellengattinnen vor Neid erblassen lassen würden. Die Wände tragen die «Colors», die Farben der Teams, der Boden ist mit Teppich ausgelegt und einem Logo versehen, auf das man unter keinen Umständen treten sollte. Warum, weiss man bei uns auf dem alten Kontinent nicht, das ist ein Brauch, den man wie vieles andere aus Nordamerika übernommen hat, ohne Fragen zu stellen.

Was die Garderobe zum Leben erweckt, hat sich mit der Zeit nicht verändert. Es sind die Spieler. Launen, Dramen, Erfolge, Intimes und Oberflächliches. Mit dem Sitznachbarn pflegt man oft ein engeres emotionales Verhältnis als mit der Partnerin, so werden oft tiefschürfende Beziehungen geknüpft.

In der Kabine sind immer schon Gespräche geführt worden, man diskutiert über andere Spieler, Journalisten, Schiedsrichter, das Wetter, den Sportchef, die Kurse an der Warenbörse in Chicago (Schweinebäuche, Kakao, Mais oder Orangensaft), Autos, Geräte, Sex, Familienfeste oder über den Militärdienst, den man wegen körperlicher Gebrechen nicht leisten darf.

Wirklich intim ist es natürlich nur dann, wenn die Spieler unter sich sind. Dazu gehören wortgewaltige Diskussionen genauso wie Streitigkeiten und Streiche.

Schwächelt die Führung, wächst die Macht der Spieler

Und Verschwörungen? In einer Kabine greift das Prinzip der Selbstreinigung. Wer den Frieden stört, gegen den Trainer rebelliert oder für Unruhe sorgt, kann sich kaum über längere Zeit behaupten. Neben der strategischen Führung und dem Trainerstab gibt es auch innerhalb der Kabine eine Führung, die Verantwortung trägt. Sie trifft quasi eine Vorauswahl, berät, wägt ab, wann und ob der Trainer involviert werden muss oder die Befehlskette durchbrochen wird und der Sportdirektor handeln muss. Sind die Strukturen fest, funktioniert dieses Prinzip wie am Schnürchen. Ist die sportliche Führung schwach, wächst die Verantwortung der Spieler und damit ihre Macht – und damit auch die Gefahr des Machtmissbrauchs.

Die Binsenweisheit «Die Spieler haben zu viel Macht» ist deshalb falsch, weil die Spieler nur so viel Macht erhalten, wie ihnen von der Klubleitung zugestanden wird. Gerät dieses Prinzip aus den Fugen, ist es wie im Kindergarten: Jeder macht, was er will. Und die Garderobe wird zum Pulverfass, das einen Klub unter Umständen eine ganze Saison kosten kann. Oder mehr. In der Regel hat sich das aber bis zum Beginn der Playoffs erledigt.

Tatsächlich von Interesse ist eine Garderobe aber eigentlich nur, wenn man selbst Teil dieser Garderobenkultur ist. Für Nichtbeteiligte ist der Blick in eine Kabine nichts weiter als eine beliebige Momentaufnahme, wie ein Standbild aus einem Film, den man nicht gesehen hat. Bedeutungslos, solange man den Anfang und das Ende nicht kennt.

Garderoben-Schutzkonzepte in Corona-Zeiten

Um überhaupt noch Eishockey spielen zu dürfen, mussten die Klubs auf diese Saison hin Schutzkonzepte erarbeiten und die Kabinen umgestalten. Es herrscht ein striktes Masken-Obligatorium. Und nur jeder zweite Garderobenplatz darf verwendet werden.

So benutzt Quali-Sieger EV Zug in dieser Saison sowohl im Trainingszentrum OYM als in der Bossard Arena zwei komplette Garderoben, die konsequent getrennt bleiben. Einzig für kurze Team-Meetings oder bei einer Pausenansprache von Trainer Dan Tangnes kommen alle Spieler zusammen in eine Kabine.

Da nicht alle Klubs über komfortable Platzverhältnisse verfügen, um in den Kabinen den Mindestabstand von eineinhalb Metern zwischen den Spielerspinden zu ermöglichen, musste an einigen Orten Hand angelegt werden. Im Zürcher Hallenstadion zum Beispiel wurde ein mobiles Garderobenelement mit Platz für vier Spieler in die Mitte des Raumes platziert. Trotzdem hat es so nur Platz für 19 Spieler. Deshalb wurden in einem separaten Raum vier weitere Spielerplätze eingerichtet.

In der Gästegarderobe können gar nur 15 Spieler untergebracht werden, sodass acht Plätze in zwei weiteren Räumen eingerichtet wurden. Bei den Lakers mussten die Plätze für einige Spieler gar im Gang platziert werden. Im modernisierten Davoser Eisstadion sind die Spieler nun auf drei Kabinen verteilt: eine Hauptgarderobe für 15 sowie zwei Nebengarderoben à fünf Plätzen.

Um überhaupt noch Eishockey spielen zu dürfen, mussten die Klubs auf diese Saison hin Schutzkonzepte erarbeiten und die Kabinen umgestalten. Es herrscht ein striktes Masken-Obligatorium. Und nur jeder zweite Garderobenplatz darf verwendet werden.

So benutzt Quali-Sieger EV Zug in dieser Saison sowohl im Trainingszentrum OYM als in der Bossard Arena zwei komplette Garderoben, die konsequent getrennt bleiben. Einzig für kurze Team-Meetings oder bei einer Pausenansprache von Trainer Dan Tangnes kommen alle Spieler zusammen in eine Kabine.

Da nicht alle Klubs über komfortable Platzverhältnisse verfügen, um in den Kabinen den Mindestabstand von eineinhalb Metern zwischen den Spielerspinden zu ermöglichen, musste an einigen Orten Hand angelegt werden. Im Zürcher Hallenstadion zum Beispiel wurde ein mobiles Garderobenelement mit Platz für vier Spieler in die Mitte des Raumes platziert. Trotzdem hat es so nur Platz für 19 Spieler. Deshalb wurden in einem separaten Raum vier weitere Spielerplätze eingerichtet.

In der Gästegarderobe können gar nur 15 Spieler untergebracht werden, sodass acht Plätze in zwei weiteren Räumen eingerichtet wurden. Bei den Lakers mussten die Plätze für einige Spieler gar im Gang platziert werden. Im modernisierten Davoser Eisstadion sind die Spieler nun auf drei Kabinen verteilt: eine Hauptgarderobe für 15 sowie zwei Nebengarderoben à fünf Plätzen.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Lausanne HC
Lausanne HC
20
12
40
2
ZSC Lions
ZSC Lions
18
20
39
3
HC Davos
HC Davos
19
21
38
4
SC Bern
SC Bern
20
15
33
5
EHC Biel
EHC Biel
19
4
32
6
EV Zug
EV Zug
19
11
29
7
EHC Kloten
EHC Kloten
19
-2
28
8
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
19
-8
26
9
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
18
-10
24
10
HC Lugano
HC Lugano
17
-13
22
11
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
19
-11
22
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
16
-2
21
13
SCL Tigers
SCL Tigers
17
-3
21
14
HC Ajoie
HC Ajoie
18
-34
12
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