Herr Krüger, am Samstag starten die Playoffs. Was ändert sich für Sie?
Oliver Krüger: Grundsätzlich nichts. Es ist die tollste Zeit im Jahr. Als Hockeyfan will ich intensive Spiele und hart aber fair geführte Zweikämpfe sehen. Gleichzeitig hoffe ich, dass niemand die rote Linie überschreiten wird. Es wird Verfahren geben, klar. Diese werde ich genau gleich beurteilen wie während der Qualifikation.
Wie viele Fälle gab es bisher zu beurteilen in dieser Saison?
Ungefähr 120. Ich musste mehr ordentliche Verfahren eröffnen als in den Vorjahren.
Worauf führen Sie das zurück?
Wir müssen das nach der Saison analysieren. Was ich sagen kann: Es gibt weniger schwere Fouls. Die Checks werden sauberer. Ellbogen und Stöcke bleiben oft unten. Es wird weniger abgesprungen. Alle diese Fälle mit Qualifikationsmerkmalen nehmen eher ab.
Sind Sie zufrieden mit der bisherigen Saison?
Sehr. Die Zusammenarbeit mit meinem neuen Stellvertreter Charly Knopf läuft hervorragend und die Akzeptanz der Urteile bei den Klubs ist sehr hoch. Es wurde bloss ein Urteil angefochten.
Die sprechen die Akzeptanz an: SCB-Sportchef Alex Chatelain sagte einst, man wisse nie, was komme.
Ich hoffe, diese Aussage liegt schon etwas länger zurück. Ich bin der Meinung, die Urteile wurden berechenbarer. Andererseits ist es im Hockey sehr schwierig, objektiv zu sein.
Wie meinen Sie das?
Die Emotionalität gehört dazu. Dass diese in den Playoffs zunimmt, ist klar. Wird der Topskorer in der 37. Runde gesperrt, hat er halt eine Pause. Passierts im vierten Spiel der Playoffs, wird das als gravierender empfunden und das Gefühl, dass es nicht rechtmässig ist, steigt. Damit muss ich leben.
Im Januar wurde Biels Beat Forster wegen eines Crosschecks für vier Spiele gesperrt. Diese Woche kam Philippe Furrer für das praktisch selbe Vergehen ungeschoren davon.
Ich kann mich zu aktuellen Fällen nicht äussern. Nur so viel: Ich kann nur jene Fälle beurteilen, die auf meinem Schreibtisch landen, weil sie vom PSO (Chefankläger Stéphane Auger, Anm. d. Red.) oder eines Klubs beantragt wurden. Jeder Klub kann von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Sie selbst können kein Verfahren eröffnen?
Nein. Es ist wie beim Staat: Es gibt Ankläger und Richter. Der Einzelrichter soll nicht Sheriff sein. Bin ich in einem Stadion und sehe etwas, rufe ich auch niemanden an. Es ist nicht meine Aufgabe. Ich habe vielleicht eine Meinung, aber sie ist in jenem Moment nicht relevant.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Auger?
Gut. Aber wir funktionieren unabhängig voneinander. Bis sieben Uhr früh kann er Anklage erheben. Das geschieht per Mail samt Video. Er muss angeben, ob und wie viele Sperren er beantragt. Danach muss ich bis zehn Uhr früh über vorsorgliche Massnahmen entscheiden. In der Entscheidungsfindung bin ich frei. Es kommt auch vor, dass ich jemanden freispreche oder das Strafmass erhöhe.
Sind Sie zu 100 Prozent von unserem Justizsystem überzeugt?
Es gab in den letzten Jahren drei Reformen. Und ich bin überzeugt, dass das System richtig weiterentwickelt wurde. Man kann nicht gleichzeitig Ankläger und Richter sein. Verbessern kann man ein System aber immer. Ich finde, wir müssen die Entscheide noch besser rüberbringen. Auch in der Ausformulierung. Mir tut es weh, wenn es heisst, die Urteile seien willkürlich. Dem ist nicht so.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht noch Potenzial?
Jetzt ist nicht der Moment, um zu analysieren. Nach der Saison muss man sich zusammensetzen und die nötigen Schlüsse ziehen, damit wir dann in der neuen Saison noch besser auftreten können. Es ist schnell Herbst.
Wie frei sind Sie generell in der Beurteilung?
Die Praxisrichtlinien, die von der Ligaversammlung abgesegnet wurden, bilden die Entscheidungsgrundlage. Kommt man zum Schluss, dass das Strafmass zu mild oder zu hart ist, muss man sie im Sommer anpassen. Während einer Saison ist es wichtig, dass in den Urteilen Kontinuität herrscht. Die Einschätzung, ob eine Aktion absichtlich ausgeführt wurde oder ob sie aus der Bewegung heraus entstand, muss ich selbst treffen. Und selbstverständlich kann man da auch anderer Meinung sein.
Oft heisst es, ein Anwalt, der selbst nie Profi war, könne gar nicht darüber befinden.
Ich habe als Stellvertreter von Reto Steinmann 13 Jahre Urteile analysiert, stehe selbst zweimal pro Woche auf dem Eis. Mein ehemaliger Stellvertreter Victor Stancescu war überrascht, wie viel ich vom Eishockey verstehe. Mir ist aber bewusst, dass ich nach aussen nicht dieses Image habe. Und gerade deshalb war es mir wichtig, dass ich damals mit Stancescu und jetzt mit Charly Knopf jemanden mit On-Ice-Erfahrung an meiner Seite habe. Ohne diese Unterstützung hätte ich den Job nicht angenommen. Doch längst nicht jeder Ex-Profi ist geeignet für diese Funktion.
Weshalb?
Das Hockey machte einen Wandel durch. Ich nehme oft den Check von Shawn Heins gegen Roman Josi als Beispiel. Heins wurde 2009 freigesprochen, weil Josi den Kopf geduckt hatte. Das gäbe es heute nicht mehr. Auch in der NHL nicht. Die Rechtssprechung hat sich aufgrund der vielen Hirnerschütterungen geändert. Wenn ein ehemaliger Spieler die Seite wechselt, muss er diesen Wandel mitmachen.
Sie sagten, man müsse auch die Check-Kultur verändern.
Ich war zweimal in Kanada bei NHL-Klubs, schaute Spiele und Trainings. Die Liga ist härter, die Checks in der Ausführung aber viel sauberer. Die andere Perspektive ist, wie man einen Check annimmt. Und in diesem Bereich gibt es aus meiner Sicht Verbesserungspotenzial. Das muss bereits in der Ausbildung beginnen. Das werden wir nicht mit höheren Sperren hinbekommen.
Schiedsrichter äusserten schon den Eindruck, sie selbst würden zu wenig geschützt. Wie sehen Sie das?
Gibt es ein Vergehen gegen einen Schiedsrichter, werden diese Fälle nach denselben Kriterien wie bei einem Spieler beurteilt. Erhärtet sich der Vorwurf, ist das Strafmass deutlich höher, als bei Vergehen unter Spielern.
Bekommen Sie eigentlich viele Reaktionen von Fans?
Das hängt auch von der Berichterstattung in den Medien ab. Diese Saison war es ruhig.
Antworten Sie auf Mails?
Wenn sie freundlich formuliert sind, ja. Ich kann zwar nicht auf die Fälle eingehen, erkläre dann aber, wie unser System funktioniert und nach welchen Kriterien ich urteile. Ich habe damit sehr positive Erfahrungen gemacht.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ich finde Kritik wichtig, um sich weiterentwickeln zu können. Während eines Entscheidungsprozesses lese ich keine Zeitungen. Da will ich mich nicht beeinflussen lassen. Ich bin verantwortlich für die Urteile, muss dafür gerade stehen. Hinterher überlege ich mir schon, ob ein Entscheid richtig war.
Was wünschen Sie sich für die Playoffs?
Spannende, begeisternde Spiele und viele Tage, an welchen ich um sieben Uhr früh aufstehe und keine Anträge in meinem Postfach finde. Dann kann ich nämlich nochmals ins Bett steigen (lacht).
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Lausanne HC | 31 | 12 | 59 | |
2 | ZSC Lions | 28 | 31 | 58 | |
3 | HC Davos | 32 | 25 | 58 | |
4 | SC Bern | 31 | 18 | 55 | |
5 | EHC Kloten | 32 | -1 | 54 | |
6 | EV Zug | 30 | 20 | 49 | |
7 | SCL Tigers | 30 | 4 | 44 | |
8 | EHC Biel | 30 | 2 | 42 | |
9 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 32 | -11 | 42 | |
10 | HC Ambri-Piotta | 31 | -18 | 41 | |
11 | HC Fribourg-Gottéron | 31 | -12 | 39 | |
12 | Genève-Servette HC | 28 | -3 | 36 | |
13 | HC Lugano | 30 | -23 | 36 | |
14 | HC Ajoie | 30 | -44 | 26 |