Herr Wohlwend, was ist Haka-Hockey?
Christian Wohlwend: (Lacht.) Haka-Hockey. Bei meiner ersten Trainerstation bei Thurgau habe ich gewisse Elemente aus meiner Faszination für die Maori-Kultur und die Rugby-Nati Neuseelands ins Eishockey übernommen. Die All Blacks waren ja für eine lange Zeit ungeschlagen, die Abwehr eine Wand, undurchdringbar. Beim Haka kommen mir sowieso die Tränen, dieses Ritual vermittelt den Spielern offensichtlich den Glauben, unschlagbar zu sein.
Sie beschäftigen sich intensiv mit der mentalen Seite des Sports?
Im Blick gab es kürzlich einen sehr guten Artikel mit dem Thema, ob der Trainer für die Motivation der Spieler verantwortlich ist oder die Spieler selbst. Den All Blacks kauft man nach dem Haka ab, dass sie sich selbst für das Spiel motivieren können. Und das zu 100 Prozent. Die Frage ist also, wie versetzt man Athleten in den optimalen Leistungszustand? Brauchen Athleten tatsächlich den sprichwörtlichen Tritt in den Hintern? Oder glaubt der Trainer vielleicht nur, dass es anders nicht geht? Ich bin inzwischen der Meinung, dass dies in der Selbstverantwortung der Spieler liegt.
Sie machen in dieser Saison einen verdächtig entspannten Eindruck. Was ist da passiert?
Es gibt das Management by Fear, dieses Coachen mit Brüllen und Drohen. Stets gegenüber den Spielern den Eindruck erwecken, als stünde man unter Strom. Ich bin als Athlet so konditioniert worden, als Spieler und zu Beginn auch als Trainer: Das ist ‹Old School› hiess es, so haben erfolgreiche Trainer früher gearbeitet und der Mensch ist schlussendlich eine Summe seiner Erfahrungen. Er sammelt und speichert, was er erlebt. Ich will aber nicht mehr der Impulsive sein, ich habe mich in dieser Rolle nicht mehr wohlgefühlt, musste und wollte etwas an mir verändern.
Wie ist dieser Prozess abgelaufen?
Abgelaufen ist das falsche Wort, das würde heissen, der Prozess ist abgeschlossen. Der Prozess ist aber nie abgeschlossen, man muss immer in den Spiegel blicken und sich selbst reflektieren. Die Voraussetzung ist natürlich, dass man erkennt, wie man ist und wie man sein möchte. Es gab dieses Image von mir, das ich nicht mehr mochte. Natürlich habe ich dieses Image selbst mitkonstruiert. Dann wurde es kultiviert, weil das für Zuschauer und Medien vielleicht auch spannend war. Warum ich so war? Weil ich nichts anderes kannte, es so gelernt und verinnerlicht hatte. Jetzt wundert man sich, was mit mir los ist, ob ich nicht mehr emotional sei. Zum Prozess gehören aber auch Rückschläge, ich bin in dieser Saison auch einmal sehr laut geworden und ins alte Muster zurückgefallen.
Gibt es einen Trick, eine Abkürzung, ein Wundermittel?
Nein, das gibt es nicht. Es ist ein steter Lernprozess der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Vielleicht hilft dir einer, der sich auskennt, um dir ein Feedback zu geben. Man sagt ja oft: Das ist aus einer Emotion heraus passiert, aber eine Emotion dauert nur wenige Sekunden. Danach greift der Mensch auf die alten Muster aus seinen Erfahrungen zurück. Als Leader müssen wir die Spieler aber nicht in den Hintern treten, jedoch immer wieder pushen, Feedback liefern, begleiten, unser Fachwissen zur Verfügung stellen. Man darf die Trainer der alten Garde aber auch nicht einfach so verurteilen. Sie haben es so gelernt, es war der Weg, den alle gingen. Ein sogenannter Verhaltenskodex.
Ein Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen. Ihr Vater war Alkoholiker, wie hat Sie das geprägt?
Da muss ich etwas ausholen. Mein Vater war im Hotelfach tätig und beherrschte acht Sprachen, seine Berufung war das Gastgewerbe, er war ein Entertainer und konnte schlecht Nein sagen, wenn man ihn bat, ein Glas mitzutrinken. Er war ein Opfer seiner Umgebung. Er wurde oft sehr laut, brüllte uns Kinder oder die Mutter an, aber oft zog er sich auch zurück und malte. Er war später allerdings auch lange im Ausland und führte grosse, schöne Hotels in aller Welt. Unsere Mutter hat uns Kinder dann allein grossgezogen. Aber wenn er dann da war, war es oft nicht sehr schön. Eltern versuchen aber immer, ihr Bestes zu geben, aber das Beste ist nicht immer richtig. Für Eltern gilt das gleiche Prinzip wie für Trainer: Sie haben eine Vergangenheit, sie haben Erfahrungen gemacht und die Summe davon geben sie dann weiter. Als ich das kapiert habe, konnte ich das Geschehene viel besser einordnen. Ich glaube an Karma, jeder bekommt, was er braucht, um seine Persönlichkeit zu verändern, aber hinschauen muss man schon selbst. Der Mensch hat die Tendenz, Positives mitzunehmen und das Negative zu verdrängen.
Sie leben in einer wunderschönen Wohnung, aber Sie leben hier allein.
Ja. Kathy und ich sind seit einem Jahr getrennt und ich lebe hier seit drei Monaten allein. Wir machen das hervorragend, muss ich selbst sagen. Wir führen eine harmonische Familien-Beziehung, wir machen alles für unsere Söhne Tim und Sam und sind als Eltern emotional immer noch zusammen. Aber Kathy und ich sind kein Liebespaar mehr und leben nicht mehr unter dem gleichen Dach.
Viele Veränderungen – sind Sie auch dadurch ein besserer Trainer? Oder anders gefragt: Haben Sie es geschafft?
Sagen wir es doch so: Ich bin jetzt in der dritten Saison beim HCD, ich muss mich nicht mehr dauernd rechtfertigen und bestätigen, dass ich den Job machen kann. Wir Schweizer Trainer haben fast keine Lobby in der National League. Ironisch ist ja, dass es Schweizer sind, die uns Schweizer Trainern nicht über den Weg trauen. Mittlerweile müssen aber auch Skeptiker eingestehen, dass Schweizer diesen Job durchaus auch im Griff haben. Auch wenn sich vielleicht der eine oder andere fragt, ob es denn ausgerechnet der Wohlwend sein muss (lacht). Aber geschafft habe ich es nicht, das würde ja bedeuten, der Prozess ist abgeschlossen. Ein Trainer erreicht keinen finalen Zustand, er muss sich selbst und seine Arbeit permanent hinterfragen und weiterentwickeln.
Haben Sie sich von allem getrennt, was Sie an sich selbst nicht mochten?
Nein, trennen kann man sich davon nicht, diese Verhaltensmuster sind und bleiben im System. Man kann seinen eigenen Speicher nicht einfach löschen wie bei einem Computer. Der Mensch kann erst dann etwas ändern, wenn er sich einen Gegenwert beschaffen kann, und dieser Gegenwert muss für ihn bedeutsamer sein als das Muster, das er loswerden will. Verstehen Sie, was ich meine? Wenn ich mich besser fühle, wenn ich nicht mehr der Impulsive bin, der ich nicht mehr sein will, dann habe ich diesen Gegenwert.
Wie weit sind Sie mit der Mannschaft?
Als wir hier begonnen haben, haben wir viele laufenden Verträge übernommen. Einige dieser Verträge sind dann ausgelaufen und wir konnten reagieren. Spieler holen, die meine Arbeitsweise kennen und schätzen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich spreche nicht von Problemen, sondern von Anpassungen. Eine Mannschaft muss organisch wachsen, das geht am besten, wenn man zusammenpasst. Nach dem grossen Umbruch im letzten Sommer mit elf Zuzügen müssen wir an dieser Mannschaft in Zukunft hoffentlich nur noch punktuelle Veränderungen vornehmen. Es wird ja auch immer wieder zu einzelnen Abgängen kommen, das lässt sich nicht verhindern.
Sie haben zuvor gesagt: Es muss zusammenpassen. Was hat denn bei Goalie Robert Mayer und dem HCD nicht gepasst?
Es ist nichts vorgefallen, es gab kein Ereignis, das die Beziehung zerrüttet hat, wenn Sie das meinen. Wir haben nicht auf der gleichen Frequenz kommuniziert. Robert war stets korrekt, er hat nichts falsch gemacht. Wir haben jedoch gemerkt, das passt nicht zusammen, das ist alles. So war es für beide Seiten besser, getrennte Wege zu gehen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Lausanne HC | 20 | 12 | 40 | |
2 | ZSC Lions | 18 | 20 | 39 | |
3 | HC Davos | 19 | 21 | 38 | |
4 | SC Bern | 20 | 15 | 33 | |
5 | EHC Biel | 19 | 4 | 32 | |
6 | EV Zug | 19 | 11 | 29 | |
7 | EHC Kloten | 19 | -2 | 28 | |
8 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 19 | -8 | 26 | |
9 | HC Ambri-Piotta | 18 | -10 | 24 | |
10 | HC Lugano | 17 | -13 | 22 | |
11 | HC Fribourg-Gottéron | 19 | -11 | 22 | |
12 | Genève-Servette HC | 16 | -2 | 21 | |
13 | SCL Tigers | 17 | -3 | 21 | |
14 | HC Ajoie | 18 | -34 | 12 |