In der Blütezeit der raffinierten Sport-Statistiken begleitet die Zahl 1000 eine fast schon beängstigend triviale Aussage. Sie wird nicht von militant geführten Diskussionen um ihre Aussagekraft begleitet, sie steht einfach da: 1000. Sie hat keine andere Bedeutung als die, dass ihr Besitzer exakt diese Summe an Spielen geleistet hat. Diese Zahl ist also ein Qualitätssiegel, ein Symbol für Dauerhaftigkeit und sie steht für das individuelle Talent, über Jahre und Jahrzehnte mit der Entwicklung Schritt halten zu können. Das Spiel kennt keine Gnade, wer sich mit ihm einlässt, ist seinen Regeln ausgeliefert.
Und nun zum Mitarbeiter der Woche: Als Andres Ambühl im Sommer 2013 nach drei Jahren bei den ZSC Lions nach Davos zurückkehrt, äussert er den Wunsch, noch sechs oder sieben Jahre dabei zu bleiben. Danach könne er sich eine Stelle im Trainerstab beim HCD vorstellen, im Nachwuchsbereich vielleicht, aber nicht bei den ganz Kleinen. «Die darf man nicht zusammenstauchen», sagt er damals zur Verwunderung des Chronisten mit einem Grinsen im Gesicht.
Nun, man braucht kein Fan von Andres Ambühl zu sein, um ein Fan von Andres Ambühl zu sein. Ambühl hat mit verschiedenen Teams Meistertitel gewonnen (6), er hat an einer Weltmeisterschaft eine Silbermedaille gewonnen (2013) und geniesst Popularitätswerte, die jeder Politiker als Propagandalüge vom Tisch wischen würde. Weggefährten beschreiben ihn als genauso gelassen, wie er scheint. Als er im Sommer 2009 nach Nordamerika geht, um sich in der besten Liga der Welt zu versuchen, sagt sein Vater Andres: «Wenn er in Zürich oder Bern spielen würde, wäre er auch weit weg. Nun sind es eben ein paar Kilometer mehr.» Daher weht also der Wind der Gelassenheit.
In Nordamerika trifft der gelassene Ambühl vielleicht zum einzigen Mal in seiner Karriere auf Unverständnis. Der Coach der New York Rangers, John «Tortellini» Tortorella, räumt ihm nicht mal eine einzige Bewährungsprobe bei den Rangers ein und schickt ihn nach ein paar Trainings kaltschnäuzig zu den Talenten nach Hartford in Connecticut. Vielleicht war Ambühl seiner Zeit einfach voraus. Tortellini schmeckten Ambühls Masse (176 Zentimer) nicht, dass Durchsetzungsvermögen und Leidenschaft im Sport nicht in Zentimetern gemessen werden, ignorierte er. Ein paar Jahre später ist nicht nur Tortellini schlauer, sondern die gesamte NHL. Mobilität ist dort inzwischen ein Zauberwort, und Mobilität ist ein wesentlicher Beitrag Ambühls in dieser Branche.
Als ob es Vater Andres schon damals gewusst hätte, macht Ambühl nach seiner Rückkehr in die Schweiz erstmal in Zürich Zwischenstation. «Das war der Ehrgeiz», sagt der Weggefährte. «Ich denke, er wollte sich selbst und anderen beweisen, dass er es nicht nur in Davos kann.» Ambühl begeistert immer, auch in Genf, Lausanne, Bern, Zürich, Ambri, Langnau, Lugano oder Zug (einfach überall, nur in Fribourg nicht, dort ticken sie anders). Wenn er sich wie eine hitzesuchende Rakete an die Fersen der Gegner heftet, wenn er sich wild dribbelnd über gegnerische Abwehrdispositive hinwegsetzt, wenn er abzieht – halt, abziehen will er nicht. Er spielt lieber den letzten Pass, der seinem Mitspieler den Schuss ins leere Tor beschert.
Wenn dem Ambühl aus dem Sertig etwas gefällt, ist das nicht schön, gut oder gar sensationell, sondern: «hübsch». Gefällt ihm etwas nicht, schweigt er lieber, als einen Aufruhr zu verursachen. Als sein HC Davos im letzten Jahr von einem sportlichen Tornado der Stärke 5 auf der Fujita-Skala erwischt wird, gerät auch der Captain Ambühl in das arg vergiftete Klima der zerstörten Freundschaft zwischen der Legende Arno Del Curto und den legendären Brüdern Reto und Jan von Arx. Nichts ist mehr, wie es war, aber Ambühl bleibt Ambühl.
Nicht einmal als Del Curto in einem letzten Akt der Verzweiflung versucht, diesen Prototypen eines Stürmers in die Gestalt eines Verteidigers zu pressen, verliert er die Fassung. Loyalität hat für Ambühl kein Ablaufdatum. Dafür stehen auch 263 Länderspiele und besonders die letzte Weltmeisterschaft in der Slowakei. Als 34-jähriger hatte er die WM in Kopenhagen (und eine zweite Silbermedaille) verpasst, weil er a) nach einer in den Playoffs erlittenen Verletzung noch nicht ganz fit war oder b) von Arno Del Curto dazu aufgefordert wurde, zuhause zu bleiben. Ein Jahr später ist er wieder dabei, inzwischen 35, als ob die Zeit bei ihm keine Rolle spielen würde. 1000 Spiele für Ambühl, es darf gefeiert werden. Nur den überstrapazierten Begriff «Kult» sollte man sich beim Mann aus dem Sertig gut überlegen. Kult ist heute alles und jeder. Ambühl aber ist Ambühl.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | HC Davos | 22 | 24 | 43 | |
2 | Lausanne HC | 22 | 9 | 42 | |
3 | ZSC Lions | 20 | 18 | 40 | |
4 | EV Zug | 23 | 18 | 38 | |
5 | EHC Kloten | 22 | 3 | 36 | |
6 | SC Bern | 23 | 12 | 36 | |
7 | EHC Biel | 22 | -1 | 33 | |
8 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 23 | -8 | 31 | |
9 | HC Lugano | 20 | -11 | 28 | |
10 | HC Fribourg-Gottéron | 22 | -10 | 28 | |
11 | SCL Tigers | 20 | -4 | 26 | |
12 | Genève-Servette HC | 18 | -2 | 24 | |
13 | HC Ambri-Piotta | 20 | -14 | 24 | |
14 | HC Ajoie | 21 | -34 | 18 |