Endlich wird rotiert
Die Schweiz verlässt die Goalie-Steinzeit

Was in anderen Ligen seit Ewigkeiten üblich ist, scheint nun auch in der National League in Mode zu kommen: Job-Sharing bei den Goalies.
Publiziert: 07.10.2018 um 15:01 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2023 um 23:59 Uhr
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Einzig bei Davos ist der Goalie-Posten bisher eine One-Man-Show
Foto: Keystone
Stephan Roth und Angelo Rocchinotti

Es sind nicht etwa Verletzungen, die in den ersten Wochen der Saison jenen Goalies Einsatzzeit bescherten, welche in der Hierarchie nicht zuoberst stehen. Vielmehr scheint in der National League ein Umdenken stattzufinden. Bisher kamen bereits 21 Torhüter zum Einsatz.

Einzig bei Davos ist der Goalie-Posten bisher eine One-Man-Show: Mit Anders Lindbäck hat man einen ausländischen Keeper verpflichtet. In den übrigen Klubs gaben die Trainer ihrer Nummer 2 bereits eine Chance. Auch bei Fribourg, wo Königstransfer Reto Berra im Tor steht und bei Lugano mit Elvis Merzlikins, dem Goalie des Jahres der letzten Saison.

In der NHL bekommen die Stars zwischen den Pfosten immer wieder einmal eine Pause. Vor allem wenn innert zwei Tagen zweimal gespielt wird. Die Aufgabe der Keeper ist vor allem mental enorm anspruchsvoll. Der Druck ist riesig, ein Nachlassen der Konzentration wird sofort Cash bezahlt.

Anders als noch letzte Saison

In der Schweiz, wo Doppelrunden (meist Freitag/Samstag) primär aus wirtschaftlichen Gründen ein fixer Bestandteil des Spielplans sind, sah es noch letzte Saison bei mehreren Teams ganz anders aus. So standen die Schwerstarbeiter Tobias Stephan (34) bei Zug und Jonas Hiller (36) bei Biel in 47 von 50 Quali-Spielen von Beginn weg im Tor, bestritten also 94 Prozent der Partien. Zum Vergleich: In der NHL startete die Nummer 1 Cam Talbot (Edmonton) in 67 von 82 Spielen (81 %).

Hiller spielte 15-mal an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, Stephan deren 14-mal. Auffällig: Bei Hiller sank die Quote der abgewehrten Schüsse in der zweiten Partie einer Doppelrunde von 93,5 auf 91,6, bei Stephan gar von 93,6 auf 86,6 Prozent.

Merzlikins (93,5 und 93,9 %) und Berns Leonardo Genoni (91,4 und 93,3 %), die auch ein Mammut-Programm hatten, waren hingegen am zweiten Tag statistisch besser. «Vielleicht braucht mein Team im ersten Spiel weniger Hilfe», rätselt Genoni.

«Doppelrunden sind sehr anspruchsvoll, verlangen dir körperlich und mental einiges ab», erklärt Stephan. «Interessant wäre es aber auch, mal die Qualität der Torschüsse zu analysieren und zu schauen, woher diese kommen.» Es ist möglich, dass Stephans Vorderleute am zweiten Tag einer Doppelrunde mit müden Beinen die Defensivarbeit nicht mehr so sorgfältig vornahmen.

Letzte Saison gehörte noch Tobias Stephan (34) von Zug zu den Schwerstarbeitern.
Foto: BENJAMIN SOLAND

«Ich bestreite seit vielen Jahren zwei Spiele pro Wochenende und denke, ich kann das gut handeln», sagt Zugs Keeper, der nach dieser Saison Genoni Platz machen muss und bereits einen Vertrag bei Lausanne unterschrieben hat.

Hat das statistische Nachlassen mit dem Alter zu tun? «Ich fühle mich körperlich sehr gut. Bei mir hat sich in all den Jahren nichts verändert. Das Alter hilft auch: Man kann dank Routine auch mal ein gutes Spiel bestreiten, obwohl man sich vielleicht nicht so fit fühlt», sagt der 34-Jährige.

«Meine Aufgabe ist es, dem Trainer die Option zu geben, mich eine Saison lang einzusetzen. Ich will jedes Spiel bestreiten können. Will der Trainer rotieren, kann das unter Umständen aber hilfreich sein», sagt Stephan. Das ist beim neuen EVZ-Coach Dan Tangnes der Fall. Deshalb kam auch Sandro Aeschlimann (23) bereits zum Zug. So wie bei Biel der gleichaltrige Elien Paupe.

EHCB-Sportchef Martin Steinegger.
Foto: Keystone

«Grundsätzlich ist der Plan, dass bei dieser Dichte mit drei Spielen pro Woche Elien sicher einmal zum Einsatz kommt», erklärt EHCB-Sportchef Martin Steinegger. «‹Hilli› brachte es im letzten Jahr auf fast 70 Spiele. Da stösst ein Goalie an seine Grenzen.» Hiller selbst gibt zu: «Ich spüre, dass ich mit zunehmendem Alter mehr Zeit benötige, mich körperlich zu regenerieren. Wenn man physisch müde ist, wird es auch mental schwierig.» Biel erhofft sich durch die Rotation, im Schlussspurt einen frischen Keeper zu haben.

«Diese zweiten Goalies sind auch gut, sehr gut sogar»

«In der Schweiz ist man sich einfach nicht gewohnt, dass der zweite Goalie eingesetzt wird», findet Genoni. «Als Biel kam, stand als erste Meldung im Liveticker: ‹Hiller spielt nicht.› Dabei sagte ich noch: ‹Passt auf!› Diese zweiten Goalies sind auch gut, sehr gut sogar. Man muss sie nicht ständig so abschätzig bewerten», erklärt der 31-Jährige. «Ich finde es richtig, dass der zweite Torhüter zum Zug kommt. Dafür haben wir ihn ja. Und trotzdem will man selbst immer spielen. Letztlich muss der Trainer entscheiden. Ich glaube aber, dass eine Pause zur rechten Zeit gut tut.»

SCB-Sportchef Alex Chatelain sagt: «Wir haben viele Spiele. Also versuchen wir, so zu dosieren, dass Leo in jedem Match seine Bestleistung abrufen kann. Zudem haben wir mit Pascal Caminada jemand, der dem Job gewachsen ist.» Deshalb liess der SCB den 31-Jährigen auch nicht ziehen, als ihn Absteiger Kloten im Sommer wollte.

Die Tabelle

 SpieleTorverhältnisPunkte
1. Biel833:1321
2. Bern825:1117
3. Zug826:2015
4. ZSC714:1312
5. Fribourg819:2212
6. Genf816:1912
7. Tigers823:1612
8. Ambri819:2710
9. Lugano719:239
10. Davos817:299
11. Lausanne819:229
12. Lakers89:243
Die nächsten Spiele der National League

Donnerstag, 15. November

  • 19.45 Uhr: Lugano – Servette

Freitag, 16. November

  • 19.45 Uhr:  Bern – Ambri
  • 19.45 Uhr:  Davos – Lausanne
  • 19.45 Uhr: Servette – Zug
  • 19.45 Uhr: SCRJ Lakers – Biel
  • 19.45 Uhr: Tigers – Lugano

Samstag, 17. November

  • 19.45 Uhr: Ambri – ZSC Lions
  • 19.45 Uhr: Biel – Davos
  • 19.45 Uhr: Fribourg – Tigers
  • 19.45 Uhr: Zug – SCRJ Lakers

Donnerstag, 15. November

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Freitag, 16. November

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  • 19.45 Uhr: Tigers – Lugano

Samstag, 17. November

  • 19.45 Uhr: Ambri – ZSC Lions
  • 19.45 Uhr: Biel – Davos
  • 19.45 Uhr: Fribourg – Tigers
  • 19.45 Uhr: Zug – SCRJ Lakers
National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
29
34
61
2
Lausanne HC
Lausanne HC
32
13
61
3
SC Bern
SC Bern
32
21
58
4
HC Davos
HC Davos
33
24
58
5
EHC Kloten
EHC Kloten
33
0
57
6
EV Zug
EV Zug
31
19
49
7
SCL Tigers
SCL Tigers
31
3
45
8
EHC Biel
EHC Biel
31
-1
42
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
32
-11
42
10
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
33
-14
42
11
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
32
-21
41
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
29
-1
39
13
HC Lugano
HC Lugano
31
-20
39
14
HC Ajoie
HC Ajoie
31
-46
26
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