Luca Sbisas Sohn Nolan ist 19 Monate alt. Er wurde in Newport, einer Strandgemeinde in Kalifornien, geboren, tat seine ersten Schritte in einem Vorort von Las Vegas und rennt nun seinen Eltern in Garden City um die Beine. In dieser gehobenen Wohngemeinde 30 Kilometer östlich von Manhattan lässt sich nieder, wer sich das teure Manhattan nicht leisten kann – oder das schrille, hippe und nie schlafende Manhattan nicht erträgt.
Garden City – ein Garden Eden für Familien
Für Sbisa, seine Partnerin Lauren und Söhnchen Nolan ist Garden City der ideale Familienwohnsitz, ruhig, überschaubar. Eine Fahrt bis zum Trainingszentrum der Islanders dauert zehn Minuten, der Transfer mit der Long Island Rail Road bis nach Brooklyn eine Stunde. Dort tragen die New York Islanders die meisten ihrer Heimspiele aus (die restlichen im inzwischen renovierten Nassau Coliseum), auf jeden Fall so lange, bis die neue Arena in Belmont Park auf Long Island fertiggestellt ist. 2021 soll es so weit sein.
Einsatzbereit, aber nicht erste Wahl
Alles schön und gut – aber für Sbisa sind die Zukunftsperspektiven der Organisation eine Nebensache. Ihn umtreibt vielmehr die kurzfristige sportliche Realität: die fehlende Spielpraxis. Nur bei 9 von 48 Spielen stand Sbisa auf dem Eis, den Rest verbrachte er auf der Tribüne. Als «Healthy Scratch», einsatzfähig, aber nicht erste Wahl.
«Das ist hart. Du machst die ganze Routine mit, Training am Vormittag, das Warmup vor dem Spiel. Und dann schaust du zu, wie die anderen spielen. Und wenn du nicht gebraucht wirst, denkst du irgendwann, du seist nicht gut genug. Aber das Selbstvertrauen darf dir nicht abhandenkommen.»
Eine Alternative hat er gerade nicht. Im letzten Sommer wurde er in Las Vegas ausgemustert, eine Enttäuschung nach der wundersamen Finalteilnahme, immerhin stand er da im erweiterten Captain-Team. Die Islanders garantieren ihm für diese Saison 1,5 Millionen Dollar, aber keinen Stammplatz und wohl auch keine Perspektive.
500 Spiele – und keiner merkts
Sbisa ist der dienstälteste Schweizer in der NHL. Seine Odyssee beginnt 2008 in Philadelphia und führt ihn über Anaheim, Vancouver und Las Vegas zurück an die Ostküste. Mitte November feiert er ein schönes Jubiläum, das 500. Spiel in der NHL. Davon nimmt in der Heimat allerdings fast keiner Notiz, die Schlagzeilen gehören anderen. Josi, Niederreiter, Meier, Hischier.
Sbisa lernt die Schattensei te der NHL kennen. Im Dezember erhält er einmal drei Einsätze in Folge und wird von Trainer Barry Trotz (gewann zuletzt mit Washington den Stanley Cup) aufgrund guter Leistungen gelobt. Geändert hat das nichts, der Schweizer bleibt als Edelreservist im Hintergrund, im Fokus stehen andere.
«Wir sind uns einig, uns nicht einig zu sein»
Der Trainer hat immer recht – und einer wie Barry Trotz sowieso. Der kantige Kanadier und Manager Lou Lamoriello haben den Klub auf Vordermann gebracht, obschon die Integrationsfigur John Tavares im Sommer Toronto den Vorzug gab. Sbisa muss durchhalten, bereit sein, wenn er gefragt ist. Mit Trotz hat er auch schon den Dialog gesucht. «Wir sind uns einig, uns nicht einig zu sein. Da muss ich durch. Das Leben ist voller Hindernisse, aufhalten lasse ich mich nicht. Die NHL ist vor allem mental eine Herausforderung, aber ich weiss, es wird etwas Gutes passieren.»
Vor Jahresfrist musste er sich nach Verletzungen auch immer wieder aufrappeln, um den Anschluss kämpfen. Ende Saison gehörte er zu den Stammkräften. «Wenn es auch manchmal schwer ist – komme ich nach Hause und sehe Nolan, relativiert sich alles andere für einen Moment.»