Wir stehen auf dem Mittelstreifen des berühmten Vegas Boulevards. Ein Schild begrüsst dort die Besucher mit der Aufschrift «Welcome to Fabulous Las Vegas». Luca Sbisa will uns diese sagenhafte Stadt in der Wüste Nevadas näherbringen.
Der Zuger, der seit dieser Saison für das neu gegründete NHL-Team Vegas Golden Knights verteidigt, trifft mit rund zwanzig Minuten Verspätung am Tor zum Gambler-Paradies ein. «Ihr müsst entschuldigen, aber weil ich dringend ein paar neue massgeschneiderte Anzüge brauche, ist eine besonders geniale Schneiderin eigens wegen mir aus Los Angeles hierhergeflogen. Nun hat halt alles ein bisschen länger gedauert», erklärt der 27-Jährige, der in dieser Spielzeit bei den «goldenen Rittern» vier Millionen Dollar kassiert.
Dass aber selbst das Leben in der mit Sonne überfluteten Stadt Schattenseiten beinhaltet, hat der Zentralschweizer mit italienischen Wurzeln im Oktober erfahren. Sbisa wirft einen traurigen Blick in Richtung Mandalay Hotel.
«Ich habe Angst um die Zukunft meines Buben»
Hier hat am 1. Oktober ein Mann in seiner geistigen Umnachtung vom 28. Stock aus auf die Besucher eines Musikfestivals, welches Sbisa zwei Tage zuvor besucht hat, geschossen. Dabei hat dieser Amok 58 Menschenleben ausgelöscht, 546 Leute kamen mit Verletzungen davon. «Eine der Kugeln ging durch die Brust des besten Freundes meines Teamkollegen Deryk Engelland. Er hat wie durch ein Wunder überlebt, und wir durften ihn im Krankenhaus besuchen.»
Vier Wochen später wurden Sbisa und seine Teamkollegen erneut Zeugen eines tödlichen Attentats – diesmal in New York. «Wir waren vor dem Spiel gegen die Islanders in Manhattan, als ein paar Hundert Meter von uns entfernt ein Terrorist mit einem Pick-up-Truck über einen Fussweg raste und acht Menschen tötete. Als er nach dieser grauenhaften Tat mit einer Paintball-Knarre und einem Luftgewehr bewaffnet durch die Stadt lief, ist der Täter unserem Konditionstrainer, der im Auto sass, begegnet, ehe dieser Unmensch kurz darauf von der Polizei mit einem Bauchschuss gestoppt werden konnte.»
Dem knallharten Verteidiger verschlägt es bei den Gedanken an solch grauenvolle Taten fast die Sprache. Vor allem deshalb, weil er dabei auch an seinen Nachwuchs denkt: «Meine Frau Lauren hat im Juni unser Sohn Nolan geboren. Wenn ich an all diesen Terror denke, habe ich auch Angst um die Zukunft meines Buben.»
Italienisches, französisches und amerikanisches Flair
Deshalb wird es Zeit, auf andere Gedanken zu kommen – Sbisa fährt uns mit seinem schwarzen Mercedes über den legendären «Strip», auf dem vor allem Kopien der Freiheitsstatue, des Empire State Building und vom Pariser Eiffelturm alle anderen Nachbauten überragen. Sbisa parkiert beim «Venetian Ressort Hotel». Hier sieht es exakt aus wie auf dem Markusplatz in Venedig.
Und hier fühlt sich der auf Sardinien geborene Sbisa fast wie zu Hause, obwohl die amerikanischen Gondolieri die Hymne «O sole mio» mit stark gewöhnungsbedürftiger, englischer Färbung interpretieren. «O sole mio» wird bei den Amerikanern zu «Ou souley miou». «Aber mir gefällt diese Kunstwelt», sagt Sbisa lächelnd. «Ich finde es echt cool, dass ich in dieser Stadt auf engstem Raum italienisches, französisches und typisch amerikanisches Flair vorfinde.»
Sbisa wirft einen spitzbübischen Blick auf eine Kellnerin, die mit einem besonders üppigen Décolleté am künstlichen Canale Grande einen Cappuccino serviert: «Als Frau bekommst du in dieser Stadt im Service nur dann einen Job, wenn du einen riesigen Busen hast. Darum haben 99 Prozent der Frauen im Gastgewerbe operierte Brüste. Das Silikon wird in dieser Stadt nie ausgehen ...»
«Ich bin nur auf dem Eis oder beim Golfen ein Gambler»
Genau wie die unzähligen Casinos und Spielautomaten, die Sbisa aber eher kaltlassen. «Es hat hier sogar in den Apotheken und in den Supermärkten Spieltische, aber die interessieren mich nicht. Ich bin nur auf dem Eis oder beim Golfen ein Gambler.»
Deshalb lebt der Mann mit der Rückennummer 47 mit seiner Familie 15 Minuten ausserhalb der Stadt direkt neben einem Golfplatz. «Die Lebensqualität ist hier schon sehr hoch. Im letzten Winter habe ich in Vancouver den regenreichsten Winter seit Menschengedenken erlebt, und hier lacht mir jeden Morgen die Sonne ins Gesicht.»
Viel Glanz versprüht auch das goldene Eisstadion der Golden Knights, welches im Stadtzentrum hinter dem «New York, New York Hotel&Casino» steht.
Und die vor der Saison als Kanonenfutter angekündigten Knights stellen in ihrem «Wohnzimmer» bis jetzt eine absolute Macht dar: In acht Heimspielen schauten sieben Siege heraus. Mit 21 Punkten aus insgesamt 17. Partien fungiert der sensationelle Neuling in der Tabelle der Western Conference an fünfter Stelle. Auch wenn es zuletzt in Edmonton eine 2:8-Klatsche gab. Da fehlte Sbisa allerdings angeschlagen. Er wird zwei bis drei Wochen pausieren müssen.
Sbisa ist als einer von sechs Assistenz-Captains nicht nur in der Defensive eine feste Grösse – gegen Winnipeg erzielte er letzten Freitag sein erstes Saisontor. Zudem konnte er sich bis jetzt sieben Assists gutschreiben lassen. Eine beeindruckende Bilanz für einen Defensivspezialisten, der bis anhin noch nie mehr als 23 Punkte in einer Saison (2011/12 für Anaheim) verbuchen konnte.
«Ich fühle mich extrem wohl im System unseres Trainers Gerard Gallant. Ich bin überzeugt, dass wir die Playoffs erreichen können. Und das hätte uns vor der Saison wirklich niemand zugetraut.»