Was wir Schweizer schon immer gewusst haben ist nun offiziell: Roman Josi ist der beste Verteidiger der Welt. Nach den Vizeweltmeistertiteln von 2013 und 2018 der nächste sporthistorische Moment für unser Eishockey.
Mit der Norris-Trophäe aus dem Kreis der jährlich vergebenen persönlichen Insignien der NHL ist Josis Standard als bester seines Fachs nun in Stein gemeisselt. Die Wahl orientiert sich ausschliesslich an der Regular Season, die Playoffs sind dafür bedeutungslos. Den Ausschlag geben die Mitglieder der Vereinigung der Profi-Sportjournalisten, sie treffen die Vorauswahl und bestimmen den Sieger. «Die Norris-Trophäe soll jährlich an den Verteidiger verliehen werden, der sämtliche Facetten seiner Position am besten beherrscht», heisst es in der Gebrauchsanweisung.
Diese Formulierung sorgt mitunter für hitzig geführte Diskussionen. Puristen bemängeln, dass auf Abwehrarbeit spezialisierte Haudegen keine Chance haben, diese Auszeichnung zu ergattern. Müssen sie auch nicht um jeden Preis (Gebrauchsanweisung nochmal durchlesen, bitte). Der erste Empfänger der Norris-Trophäe war 1954 Leonard «Red» Kelly, einer der Urahnen aller Offensiv-Verteidiger. Kelly wurde übrigens auch vier Mal die «Lady Byng»-Trophäe überreicht, und die erhält der Spieler, der sich durch einen «hohen sportlichen Standard und vorbildliches Benehmen» auszeichnet.
Was die Gewinner dieser Auszeichnung verbindet, ist die Fähigkeit zur Gestaltung des Spiels aus dem Abwehrbereich. Wie sich das im Detail äussert, hängt stark von der jeweils prägenden Spielweise einer Ära ab, ausserordentliche Spielintelligenz ist aber immer eine Grundvoraussetzung. Bobby Orr (Gewinner von acht Norris-Trophäen von 1968 bis 1975) dominierte das Spiel durch überlegene Laufarbeit, Nicklas Lidström (7) wusste offensive Qualitäten ohne Effekthascherei mit brillanter Abwehrarbeit zu verbinden. Lidström wird flächendeckend als der kompletteste Verteidiger der Geschichte bezeichnet.
Stilsicherheit in der Abwehr wird für Norris-Trophy-Gewinner quasi stillschweigend vorausgesetzt, ohne diese Voraussetzung schafft es ein Verteidiger wohl gar nicht erst in die NHL, von einer individuellen Auszeichnung mal ganz abgesehen. Als Grundlage für Josis Triumph in diesem Jahr gelten teilweise die üblichen Kennziffern Tore (16), Assists (49) und eine Bilanz von +22 im Spiel bei numerischem Gleichstand.
Seine Fähigkeiten, den Puck unter Druck aus der Abwehrzone zu führen, das Spiel zu wenden, die neutrale Zone mal mit Laufarbeit, mal mit raffinierten Pässen zu überbrücken und den Eintritt ins gegnerische Angriffsdrittel zu orchestrieren, können durch moderne Statistiken gestützt werden. Oder man schaut es sich einfach an und geniesst, was man sieht.
Was ihn für uns ganz nebenbei so populär macht, ist die Fähigkeit, ohne Spurenelemente von Hochmut ein natürliches, selbstverständliches Selbstbewusstsein auszustrahlen.