Es geht ruppig zu auf dem Eis. Im Training der New Jersey Devils fliegen an diesem Mittag die Fetzen. Obwohl das Team am Vorabend noch auswärts in Pittsburgh gespielt und gewonnen hat, nimmt Trainer John Hynes seine Mannschaft in der Trainingshalle von Newark hart an die Kandare. Eins-gegen-Eins-Übungen, Abwehrarbeit vor dem Tor, es wird eine Stunde pickelhart gearbeitet. Es ist anders als auch schon. «Diese Art von Drills haben wir in der ganzen letzten Saison nie gemacht, nicht einmal», sagt Nico Hischier (20), im Sommer 2017 die Nummer 1 im NHL-Draft und vergangene Saison eines der Gesichter des überraschenden Aufschwungs der Devils. Er sitzt in einer Rumpelkammer im Bauch des Stadions, an Kiefer und Kinn spriesst der Ansatz eines Bartes. «Wir müssen dieses Jahr untendurch.»
Die Schraube wird angezogen. Während letztes Jahr über New Jersey eitel Sonnenschein herrschte, scheint Newark, die Heimat der Teufel, in diesem Winter noch ein bisschen trister, als es die graue, schäbige Stadt ohnehin schon Tag für Tag ist. 13 Punkte beträgt New Jerseys Rückstand auf einen Playoff-Platz bereits. Sprich: Dieser Zug ist so gut wie abgefahren. Das schlägt sich auch in der Kabine nieder. Hischier: «Es herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Vor einem Jahr waren wir als Team entspannter drauf, sind lockerer in die Spiele gegangen. Jetzt sind alle ruhiger, verkrampfter, alle sind nervös.»
«Ich werde selten erkannt»
Umso wichtiger ist es für den Walliser, auch mal rauszukommen und durchzuatmen. Wie das geht? «Nicht an Hockey denken, ein Basketballspiel oder einen Film schauen.» Oder nach New York gehen. 20 Minuten braucht der Zug von Newark nach Manhattan und schon taucht Hischier ab in die Anonymität der Weltmetropole. Das passt ihm. «Ich werde schon in New Jersey selten erkannt und angesprochen», sagt er. «In anderthalb Jahren einmal im Einkaufszentrum, zweimal im Restaurant. In New York City bin ich dann definitiv einer unter Millionen.»
Hischiers Lieblingsort ist der Central Park. «Diese riesige Fläche Natur mitten in der Stadt finde ich sehr eindrücklich. Da kannst du mit dem Velo 45 Minuten fahren, ohne auf ein Haus zu treffen.» Auf dem einst vom heutigen US-Präsidenten Donald Trump gesponserten Eisfeld im Park sei er noch nie gestanden. «Aber dafür war ich im Rockefeller Center schon Schlittschuhlaufen.» Neben Central Park findet der Walliser auch auf der Highline, einer zu einem Park umgebauten ehemaligen Güterzug-Trasse, ein Stückchen Natur. Hochhäuser sind dagegen nur bedingt seine Sache. «Ich war noch nie auf dem Empire State Building», gesteht er. «Ich werde es bestimmt einmal besuchen. Aber das eilt nicht. Es gibt noch viel, das ich noch nicht gemacht habe.»
«Ich sage nicht viel»
Schliesslich ist der Schweizer ja auch nicht als Tourist in Nordamerika. Irgendwann wird die Seuchen-Saison mit den Devils vorbei sein, irgendwann wird der verletzte Liga-MVP Taylor Hall zurückkehren und im Gegensatz zu Teamkollegen wie dem altgedienten Brian Boyle (34) hat Hischier einen Vorteil: Er hat Zeit. Seine Karriere ist noch lang. Und darum kann er Dinge sagen wie: «Ich sehe das als Chance für mich, um mich weiterzuentwickeln. Diese Saison kann für mich eine wertvolle Lernphase sein.» Gerne geht vergessen: Hischier ist immer noch der Jüngste im Team. Immer noch sammelt er nach dem Training die Pucks ein, immer noch teilt er sich auf Auswärtsfahrten mit Teamkollege Brett Seney ein Zimmer, während die älteren Mitspieler in den Genuss eines Einzelzimmers kommen.
Vielleicht ist er auch deshalb noch ein gutes Stück davon entfernt, ein Führungsspieler zu werden. «Wenn ich etwas zu sagen habe in der Kabine, sage ich es», meint er zwar. Kommt das häufig vor? Hischier überlegt. «Nein. Ich sage nicht viel.» Vielleicht wird das der nächste Schritt sein, wenn die routinierten Kollegen bald wegtransferiert und die letzten Monate der Saison in Newark noch ein bisschen düsterer werden. Bevor es irgendwann wieder besser wird.