Markus Frei, warum holte dieser Jahrgang den Titel?
Markus Frei: Beim ersten Zusammenzug meinten die Jungs: «Wir wollen Europameister werden!» Ich habe erst mal leer geschluckt. Sie meinten dann, sie seien bereit, alles zu geben. Also haben wir sie am nächsten Morgen um halb fünf geweckt. Mentalcoach Ruedi Zahner und ich haben Dinge ausprobiert, die zuvor keiner getan hat.
Sie wollten die Spieler sogar über heisse Glut laufen lassen.Wir haben viel mental gearbeitet. Als die Spieler aber barfuss vor der Glut standen, habe ich die Übung abgebrochen.
Warum?
Wir haben es übertrieben, es war zu gefährlich. Stellen Sie sich nur mal die BLICK-Schlagzeile vor, hätten sich die Jungs zwei Wochen vor der EM die Füsse verbrannt.
Sie kamen dennoch im BLICK. Als erster Schweizer Europameister-Trainer. Stolz?
Klar. Wobei man ehrlich sein muss, wir hatten auch das nötige Glück. Aber wir haben jedes Spiel gewonnen – den Final zwar erst im Penaltyschiessen. Dieses Penaltyschiessen widerspiegelte die ganze Kampagne.
Weshalb?
Alle wollten schiessen. Und alle trafen. Wir hatten so ein Selbstvertrauen. Es passiert so viel im Kopf. Ich sage es immer wieder, aber man will es anscheinend nicht hören.
Wer will nicht hören?
Der Verband. Wir haben damals im Mentalen mehr gearbeitet als andere Nationen.
Portugal hatte Cristiano Ronaldo. England Wayne Rooney. Wen hatte die Schweiz?
Wir hatten das beste Team.
Ragte keiner heraus?
Sandro Burki war der Beste. Er brachte alles mit. Philippe Senderos war ein Leader. Sie und Goalie Sven König haben das Team angeführt.
Tranquillo Barnetta hat von allen Europameistern später am meisten Länderspiele gemacht.
Quillo war an der EM ein solider rechter Verteidiger, mehr nicht. Auch Reto Ziegler war nur guter Durchschnitt. Da ist ein Boban Maksimovic mehr aufgefallen, er hat drei Tore erzielt hat. Heute arbeitet Maksimovic am Flughafen Kloten. Es gibt keine Garantien. Nehmen wir unsere U17-Weltmeister von 2009:
Vor dem Turnier schien einzig Janick Kamber überdurchschnittlich.
Er spielt bei Xamax. Da waren auch die Nati-Stars Rodriguez, Xhaka und Seferovic dabei.
Granit war damals noch ein Mitläufer. Rici hatte eine schlechte Körpersprache, Haris auch. Klar waren alle sehr talentiert. Dass sie heute Leistungsträger bei Topklubs sind, konnte man aber nicht vorhersagen.
Ist Leidenschaft wichtiger als Talent?
Es braucht beides. Es sind nicht immer die Talentiertesten, die es schaffen. Als ich beim FCZ war, meinte einst ein sehr talentierter Junior zu mir: «Herr Frei, weshalb soll ich Profi werden? Ich habe Prokura, werde auf einer Bank auch viel verdienen.»
Beim FCZ waren Sie auch?
Ja. 1983 wurde ich Profitrainer im FCZ-Nachwuchs. Einer meiner Junioren war Urs Fischer. Nicht der Talentierteste, aber er hatte Leidenschaft. Ich erinnere mich bestens: Er hatte immer Lämpen mit dem Platzwart, weil ihm die Qualität des Rasens nicht passte.
Für Sie war der Titel auch nicht der Startschuss einer grossen Karriere. Was lief schief?
Beim Verband traute man mir anscheinend nicht zu, weiter oben bestehen zu können. Nach neun Jahren bei der U17 hatte ich genug. Ich merkte, ich bekomme keine Chancen. Auch nicht in der Super League.
Haben Sie sich schlecht verkauft?
Ich war nie so der Krawatten-Typ. Vielleicht zählt ein Titel im Juniorenbereich auch zu wenig. Im Nachhinein darf ich sagen, dass es gut war, wie es gekommen ist. Ich wäre wohl nicht prädestiniert gewesen für die Super League. Wenn ich an all die Präsidenten und Spielerberater denke.