Fantastisch. Wunderbar. Die Nati steht im Halbfinal und spielt Samstag und Sonntag um die Medaille, von der Fischer bereits vor Olympia in Pyeongchang geträumt hat. Die Schweiz erreicht die Runde der letzten vier damit zum vierten Mal nach 1992, 1998 und 2013.
Nach Tschechien, Russland und Schweden wird im Viertelfinal auch Finnland bedingungslos unter Druck gesetzt. Erst mal mit Bedacht – im ersten Abschnitt führt ein Positionsfehler Hofmanns zum Gegentor. Dann traut man seinen Augen kaum mehr. Die Schweiz riegelt im zweiten Abschnitt die neutrale Zone ab. Und raubt den Finnen damit die Bewegungsfreiheit, der gewohnte Spielfluss kommt ins Stocken.
Den Druck übt temporär nur noch die Schweiz aus. Und wie. Corvi, Vermin und Hofmann drehen die Partie, in der finnischen Ecke herrscht Ratlosigkeit. In den letzten 20 Minuten muss die Schweiz aber beissen. Der Sturmlauf der Finnen und ein vierminütige Unterzahl sorgen für den Anschlusstreffer. Mehr bringen die Finnen nicht mehr hin – trotz Brechstange und verzweifelten Angriffen.
Nach dem Silber-Wunder von Stockholm schrieb der schwedische Eishockeyexperte Mattias Ek im BLICK: «Die Verteidiger waren das Beste der Schweizer Ausgabe 2013. Und wenn man dann einen Coach wie Sean Simpson, der die Wichtigkeit des Angriffsspiels ebenfalls erkannt hat, dazu gibt, ist das wahrscheinlich der Grund, warum Ihr plötzlich ein Weltklasseteam habt.»
Einen Coach, der bedingungslos auf Puckbesitz, Mut und Selbstvertrauen setzt und die Wichtigkeit des Angriffsspiels betont, haben wir auch in Kopenhagen.
Als stärkster Mannschaftsteil schneidet im Vergleich mit der Equipe von 2013 allerdings der überragend bestückte Angriff ab. Mit den NHL-Stürmern Andrighetto, Fiala, Meier und Niederreiter sowie den NL-Spitzenkräften Corvi, Haas, Hofmann, Moser und Vermin stehen Fischer drei komplett auf Krawall gebürstete Formationen zur Verfügung.
Selbst die Energiespender aus der nominell vierten Reihe mit dem angriffslustigen Scherwey sind jederzeit in der Lage, auch scheinbar übermächtigen Gegnern in deren Abwehrzone einzuheizen.
Mutig gegen alle Gegner
Dass auch Grossnationen wie Tschechien, Russland, Schweden oder nun Finnland durch den offensiven Wagemut vor knifflige Aufgaben gestellt werden, entspricht der Philosophie des Trainers. Der Mut, Überraschendes und Konstruktives zu wagen, scheint mittlerweile grösser zu sein als die Angst vor dem Versagen. Dieser Fortschritt trägt Fischers Handschrift.
Das Zwischenzeugnis nach dem Viertelfinal fällt dementsprechend aus.
Fans von den Sitzen gerissen
Die Nationalmannschaft hat erst die Pflicht erledigt und in der Kür die Topnation Finnland in einem K.-o.-Spiel geschlagen. Sie hat uns von den Sitzen gerissen, weil ihr das Geschehen mit Ausnahme von zwei Abschnitten gegen Schweden nie aus den Händen glitt, auch nicht in den «Zitterspielen» gegen Österreich, die Slowakei, Weissrussland und Frankreich.
Patrick Fischer hat eine eigene Philosophie installiert, die unabhängig von der Klasse des Gegners durchgesetzt wird. Das bleibt für die Schweiz auf diesem Level eine Gratwanderung. Mit dieser Mannschaft müsse man den Viertelfinal zwingend erreichen, hiess es nun in Kopenhagen. Dazu stand man. Auch das ist ein Novum.
Es wurden keine Ausreden gesucht, Fischer erklärte bereits vor dem Turnier, dass ein Scheitern für ihn Konsequenzen haben würde. Was man nicht vergessen darf: Fischer hat die Spieler bei der Stange gehalten. Die Begeisterung, das weisse Kreuz auf der Brust zu tragen, ist trotz der Olympia-Enttäuschung von Pyeongchang nicht kleiner geworden.
Nun darf man sich auf das Schlussbouquet freuen. Oder mit den Worten Kevin Fialas ausgedrückt: «Wir sind hier, um eine Medaille zu holen.» Die erste Chance dazu: Morgen im Halbfinal gegen Kanada.