Nach dem überraschenden Playoff-Aus in der ersten Runde mit Awangard Omsk gegen Ufa flog Sven Andrighetto vor rund eineinhalb Wochen direkt in die USA. Wäre er erst noch in die Schweiz gereist, wäre er ihn nicht mehr ins Trump-Land gelassen worden.
Jetzt sitzt der 25-Jährige mit seiner amerikanischen Verlobten Bailey Cook in Denver fest. Auch die Metropole in Colorado ist fest im Griff des Coronavirus: Lockdown.
In Moskau, wo der Klub des Nati-Stürmer während des Baus einer neuen Arena im Exil spielt, war davon noch nichts zu spüren gewesen. Inzwischen hat auch die KHL den Betrieb eingestellt.
KHL ein «Riesen-Krampf»
Eigentlich wollten Andrighetto und seine Partnerin im Juni in den USA heiraten. Doch daraus dürfte angesichts der Corona-Krise nichts werden.
Überhaupt läuft wenig nach Plan für den ehemaligen NHL-Stürmer. Zuletzt wurde die Heim-WM abgesagt. Und davor verlief sein Russland-Abenteuer anders als erwartet. Er muss sich nicht nur an eine andere Kultur und an eine schwierige Sprache gewöhnen, sondern wird auch auf dem Eis überrascht. Andrighetto hatte ein anderes Bild vom russischen Hockey: Kreativität, Technik , Zauber. Doch die Realität ist in der KHL eine andere: Destruktivität, Defensive, Härte. «Es ist ein Riesen-Krampf», sagt Andrighetto.
Der feine Techniker muss unter Bob Hartley, dem ZSC-Meistertrainer von 2012, an seinem Spiel arbeiten, an den Details, vor allem am Defensivspiel. «Ich habe sehr, sehr viel von ihm lernen können», sagt er. «Ich habe das Gefühl, dass ich ein besserer Spieler geworden bin und auch menschlich von diesem Jahr in Russland profitiert habe.»
Harte Kritik von Boss Suschinski
Seine Saison sei «ganz okay» gewesen, bilanziert er. Er habe sich steigern können, sagt Andrighetto, der auf 13 Tore und 16 Assists in 62 Spielen kam.
Dennoch muss der Schweizer harte Kritik einstecken. «Er konnte kein Leader sein, obwohl er im Training Wunder vollbrachte. Wir haben wirklich sehr auf ihn gesetzt, doch wir kriegten nicht jenen Sven, den wir bei den Weltmeisterschaften sahen und der in der NHL spielte», sagte Omsk-Boss Maxim Suschinski. Ebenfalls sein Fett ab kriegt der Kanadier Tyler Beck. «Andrighetto und Beck verfügen über Verträge bis 2021. Deshalb werden wir mit ihnen sprechen», kündigte Suschinski an.
«Ich habe noch einen Vertrag…»
«Als Erste stehen immer die Ausländer in der Kritik, wenn es der ganzen Mannschaft nicht läuft», sagt Andrighetto gelassen dazu. «Als Profi muss man damit leben.» Bisher habe noch niemand mit ihm gesprochen. «Ich habe noch einen Vertrag und werde auch nächste Saison für Awangard spielen, wenn man mir nichts anderes sagt.»
Grosse Sorgen muss er sich nicht machen. Die russischen Top-Klubs wie Omsk mögen zwar schnell die Geduld verlieren, kommen aber den finanziellen Verpflichtungen – Andrighettos Jahreslohn wird auf 1,4 Millionen Dollar geschätzt – in der Regel nach. Und einen neuen Klub dürfte der Zürcher trotz der unsicheren Lage bestimmt finden. Auch eine Rückkehr in die Schweiz wäre denkbar. Aber Pläne schiedet Andrighetto derzeit keine.