Das Hallenstadion war in den letzten beiden Saisons zu einer attraktiven Stätte für Masochisten geworden. Also für Leute, die Demütigung, Schmerz oder Qual befriedigt. Die Spiele der ZSC Lions lebten, wenn man vom Playoff-Intermezzo mit Meistertitel 2018 absieht, bestenfalls von der Spannung und der Dramatik. Schönes Eishockey? Das boten nur andere.
Das erstaunte, wenn man bedenkt, dass die Zürcher nicht mit einem Discount-Team sondern mit einer qualitativ überdurchschnittlichen Mannschaft am Start waren.
Doch jetzt scheint es Rikard Grönborg gelungen zu sein, die Handbremse in den Köpfen seiner Spieler zu lösen. Beim ZSC wird wieder Hockey gespielt. Kreativität hat den Krampf abgelöst. Das Resultat: Viele (37 in 9 Spielen) und auch schöne Tore. «Es ist gut, wenn die Fans zufrieden sind», sagt der ZSC-Coach. «Wir sind schliesslich im Unterhaltungs-Business.»
Spieler dürfen Fehler machen
Der wichtigste Grund für die Verwandlung: Der zweifache schwedische Weltmeister-Trainer hat seinen Spielern die Angst vor Fehlern genommen und ermuntert sie zum spielerischen Wagemut, was nicht heisst, dass er nicht auf das Einhalten des Systems pocht. Die Freiheiten in der Offensive haben das Team beflügelt, was sich auch in der Laufbereitschaft und der Hartnäckigkeit in den Zweikämpfen niederschlägt.
Mit den ersten Erfolgserlebnissen ist bei den Lions das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wieder gewachsen. Nach Gegentreffern fällt das Team nicht mehr gleich auseinander. Und die eigenen Tore geben den ZSC jeweils so viel Schub und Euphorie, dass die Gegner kaum mehr wissen, wie ihnen geschieht. «Wir müssen dahin kommen, dass wir diese Energie auch ohne Erfolgserlebnisse erzeugen können», sagt Stürmer Garrett Roe.
Mit dem kleinen Amerikaner, der aus Zug kam, haben die Lions erstmals seit dem Gastspiel von Auston Matthews wieder einen Top-Center, der das Team auf dem Eis führen kann. Der 31-Jährige bringt Dynamik ins Spiel und hat eine ausgezeichnete Übersicht. Mit 15 Punkten ist er derzeit der beste Skorer der Liga.
Roe sieht Suter als Schlüssel im Powerplay
Nicht zuletzt dank Roe ist auch das Powerplay der Lions wieder eine Waffe. Die Erfolgsquote wurde im Vergleich zur letzten Quali von 17,24 auf 23,53 Prozent gesteigert.
Der uneigennützige Roe, der mit sechs Assists an den acht Überzahl-Toren beteiligt war, sieht allerdings weder seine Übersicht, noch die Schusskraft von Fredrik Pettersson und Maxim Noreau oder Chris Baltisbergers Drecksarbeit vor dem Tor, sondern die Cleverness von Pius Suter als Schlüssel fürs ZSC-Powerplay.
Siege mit nur drei Ausländern
Neben Roe haben auch andere Neulinge wie Verteidiger Dario Trutmann, Flügel Marco Pedretti, Center Dominik Diem und Energiespieler Axel Simic die Erwartungen erfüllt oder übertroffen. Noch keine Rolle spielt der Schwede Marcus Krüger. Der Center kam wegen einer Verletzung nur in den ersten drei Spielen zum Einsatz, so dass die Lions sechs Mal mit nur drei Ausländern antreten konnten – dabei allerdings nur gegen die Lakers (2:3 n.V.) nicht drei Punkte holten.
In allen Spielen stand bisher Lukas Flüeler im Tor. Einzig während zwei Minuten in Genf, als die Nummer 1 Probleme mit Ausrüstung hatte, kam Ersatzmann Daniel Guntern zum Zug. Flüeler, der selbst so viel wie möglich spielen will, dürfte allerdings bald zu Pausen kommen: Am Donnerstag gaben die Lions die Verpflichtung des finnischen Keepers Joni Ortio (28) bis Ende Saison bekannt. Der ehemalige NHL-Goalie (37 Spiele für Calgary) trainiert schon seit drei Wochen bei den Zürchern, wurde am Dienstag nach dem Sieg gegen Biel Präsident Walter Frey vorgestellt und ist als Absicherung für den in der Vergangenheit verletzungsanfälligen Flüeler vorgesehen.