Bisher kannte man die Problematik nur vom Fussball. Der prominenteste Fall ist der Barcelona-Star und WM-Finalist aus Möhlin AG, Ivan Rakitic, der sich für Kroatien entschied, nachdem er zuvor für Junioren-Auswahlen der Schweiz aufgelaufen war.
Doch nun erreicht ein heisser Doppelbürger-Fall auch das Eishockey. Denn Théo Rochette, der Sohn des ehemaligen Schiedsrichters und jetzigen TV-Experten bei der französischsprachigen Abteilung von MySports, Stéphane Rochette, lief in den letzten Tagen für eine U17-Auswahl Kanadas auf.
«Théo kann zwischen den Junioren-Auswahlen völlig frei wechseln, bis er eine WM spielt», klärt der Schweizer Nati-Direktor Raeto Raffainer auf. «Ich kann nachvollziehen, dass Théo nach seinem guten Saisonstart mit unserer U18 diesen Weg eingeschlagen hat.»
Noch im Spätsommer hatte der hoch talentierte Stürmer beim Hlinka-Gretzky-Cup, dem prestigeträchtigsten U18-Turnier, als Captain für die Schweiz gespielt.
Dass Rochette ein Ausnahmetalent mit Skorerqualitäten ist, zeigte er in den letzten Jahren im Nachwuchs von Lausanne. Bei den Mini Top buchte er in 62 Spielen 154 Punkte, bei den Novizen in 52 Partien 64 Punkte und letzte Saison bei den Elitejunioren gegen bis zu vier Jahre ältere Gegenspieler in 49 Spielen 51 Punkte.
Rochette hat den gleichen Agenten wie Crosby
So konnte es nicht erstaunen, dass Rochette auf diese Saison den Sprung zu den Chicoutimi Saguenéens wagte. Denn es ist kein Geheimnis, dass die NHL das grosse Ziel des 16-Jährigen ist. Dabei wird er vom gleichen Agenten vertreten wie Sidney Crosby, dem einflussreichen Pat Brisson.
«Ich habe meinem Vater gesagt, dass ich in eine kanadische Juniorenliga wechseln will. Dort hat es mehr Scouts, und die Türe zur NHL ist offener», wird Rochette auf der Seite von Hockey Canada zitiert. Schon jetzt wird ihm ein Platz in der 1. Runde des NHL-Drafts 2020 zugetraut.
Bei den Spielen von Chicoutimi in der QMJHL steht Rochette, der mit 4 Toren und 4 Assists der viertbeste 16-Jährige der Skorerliste ist, unter steter Beobachtung der Talentspäher.
Schweizer Verband gibt sich nicht geschlagen
Offenbar rechnet sich der Rochette-Clan auch bessere Karriereaussichten aus, wenn Théo für die Kanadier spielt. Denn Brad McEwen, ein Scout des kanadischen Verbandes, erzählt: «Wir wollen anderen Ländern nicht Spieler wegnehmen, aber wir sind offen. Er spielte schon im Alter von 6 bis 10 in Kanada. Und seine Familie kam auf uns zu.»
Der Mann von Hockey Canada macht auf der verbandseigenen Homepage auch klar, dass die Schweiz sich nicht grosse Hoffnungen machen muss, dass Rochette die Seiten noch einmal wechseln wird. «Wir wollen nicht das Sprungbrett für andere Verbände sein. Wir wollen ein langfristiges Bekenntnis, für Kanada zu spielen», sagt McEwen. «Als wir das bekommen haben, war alles in Ordnung.»
Théos Vater Stéphane will den Entschluss nicht näher kommentieren, sagt nur: «Es war die Entscheidung meines Sohnes, diese Herausforderung anzunehmen.»
Rochettes Ziel ist es, beim nächsten Hlinka-Gretzky-Cup für Kanada zu spielen. Der Schweizer Verband gibt sich aber noch nicht geschlagen. «Wir haben auch Gespräche geführt und geben die Hoffnung nicht auf, dass Théo zu uns zurückkehrt», sagt Raffainer.