Das Churer Hallenstadion hat nicht annähernd die gleiche Aura wie die moderne Eventarena im Zürcher Stadtteil Oerlikon: Es liegt im Süden der Bündner Hauptstadt, eingebettet zwischen Rhein und Autobahn, Industriegebiet und Waffenplatz. Im Inneren dominiert die Zweckmässigkeit, seit der Eröffnung im Jahr 1981 wurde immer wieder daran herumgebastelt. Immerhin geniessen in diesem Hallenstadion die Eishockeyspieler Priorität – die ZSC Lions sind in Oerlikon nur an Spieltagen willkommen.
Für Edgar Salis (45), Sportchef der ZSC Lions, ist es trotzdem ein Ort mit besonderer Ausstrahlung. Hier hat er eine Karriere begonnen, die mit zwei Meistertiteln veredelt wurde, mit Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.
Spassig war das früher nicht immer – vor allem während der Sommermonate nicht. Auf der Finnenbahn wurden die Junioren gedrillt wie Aspiranten für eine militärische Spezialeinheit: Kasernenhof-Gehabe und Dauerlauf für alle, bis die Knie weich wurden. «Da haben einige talentierte Spieler ihre Karriere beendet, weil sie wegen dieser Schinderei die Lust verloren.»
Kein Musterschüler
Salis wurde beim EHC Chur auch mal vor die Türe gestellt – aber nicht, weil ihm die Lust vergangen war: Der spätere Klasseverteidiger bekam zu hören, er habe nicht genug Talent für den EHC Chur. «Man hat mir die Ausrüstung vor die Eishalle gestellt und mir gesagt, ich soll zurück auf den Bauernhof, das sei gescheiter.» Heute lacht er darüber. Und gibt zu: «Ich war damals kein Musterschüler. Und so richtig gut war ich zu diesem Zeitpunkt auch nicht, ich war halt ein Spätzünder.»
Sein Vater transferierte ihn und seinen um ein Jahr älteren Bruder Reto kurzerhand zum EHC Arosa. Nach einem Jahr in Rapperswil spielte Salis in der Saison 1991/92 eine Saison für Chur in der NLA. Die weiteren Stationen: Bern, ZSC, Ambri, ZSC Lions. 2005 beendete er seine Spielerkarriere, machte eine Ausbildung zum Sozialpädagogen und wurde im Herbst 2008 Sportchef im Hallenstadion.
In der Churer Mannschaftsgarderobe sucht Salis nach dem Platz, den er damals für eine Saison belegte. «Ich weiss aber nicht mehr genau, wo ich sass. Aber die Duschen sehen immer noch gleich aus ...» Bevor er die Eishalle verlässt, spricht er kurz mit Mirco Oswald, der beim EHC Chur für Events verantwortlich ist. «Sie hoffen auf rund 4000 Zuschauer. Von uns werden viele für das Cupspiel nach Chur fahren.»
Zurück auf den Bauernhof: Der elterliche Gutsbetrieb mit Behindertenwerkstätte wird heute vom älteren Bruder Hansueli (48) und Schwester Sandra (43) geführt. Ausser dem Elternhaus blieb kein Stein auf dem anderen, aus dem Bauernhof wurde ein moderner Gutsbetrieb. Die Ställe, zwischen denen die Salis-Buben damals Landhockey spielten, sind verschwunden. In der Wiese vor dem Haus steht allerdings noch ein Relikt aus der Vergangenheit: eine buntbemalte Kuh aus Kunststoff in den Farben der ZSC Lions. Salis’ Mutter Margrit hatte sie nach dem Meistertitel 2000 ersteigert und mit nach Chur genommen.
Legendärer Silvestersturm
In den Gassen der wunderbaren Altstadt vermisst Salis die eine oder andere Lokalität: die bodenständigen Restaurants, die bei den Churer Spielern äusserst beliebt waren, sind weg – oder besser gesagt, sie haben ihr Gesicht verändert. Die heilige Dreifaltigkeit in der Nähe des Obertors, bestehend aus den «Bierknellen» Helvetia, Schmidstube und Franziskaner, wurde auf Vordermann gebürstet.
«Hier hatten wir ein paar lustige Abende», sagt Salis nach einem Blick ins Restaurant Franziskaner etwas wehmütig. Etwa wie beim legendären Silvestersturm, als die Churer Hockeyprofis ein Pub dem Erdboden gleichmachten, Herr Salis? «Damals war ich in Arosa.» Aha. Geblieben ist nur die fast schon legendäre Felsenbar im Welschdörfli. Dort wurde in der Vergangenheit der eine oder andere Schlummertrunk konsumiert. Oder nicht? «Reden wir lieber über etwas anderes», sagt Salis.