Ein Wagen mit österreichischem Kennzeichen will den Grenzübergang Widnau-Wiesenrain passieren, verlangsamt aber mitten auf der Rheinbrücke das Tempo. Eine Dame schaut aus dem Fenster heraus, sieht vier Jungs in Eishockey-Montur in die Sonne blinzeln. «Habedere! Servus!», ruft ihr ein Spieler zu. Es ist Martin Grabher-Meyer.
Der 31-Jährige ist einer von sieben Österreichern im Team des SC Rheintal. Alle stammen aus Vorarlberg. Und doch scheint es, als wäre der Dialekt des Stürmers am ausgeprägtesten. «Ich kam viel herum. Zudem ist meine Freundin Schweizerin. Ich rede ein Mischmasch», sagt er.
Doch weshalb verschlug es die Ösis in die Schweiz? «Weil die Nachwuchsarbeit hier besser ist», erklärt Dominic Pfeiffer (27). «Ich wechselte mit zwölf von Lustenau zu Rheintal. Nach vier Saisons bekam ich die Schweizer Lizenz. Ich habe hier Kollegen kennengelernt. Es gab keinen Grund, zurückzukehren.»
Während Patrick Gschliffner (24) dank einer Spielgemeinschaft zwischen Rheintal und dem österreichischen Topklub Dornbirn einst zum SCR-Nachwuchs stiess, ging es bei Adrian Ströhle (28) um Distanzen. Der Doppelbürger spielte bis vor fünf Jahren bei Lustenau in der zweithöchsten Liga Österreichs: «Wir reisten nach Wien, Slowenien und Ungarn, sassen 13 Stunden im Bus. Wenn du noch arbeitest, hast du keine Freizeit mehr.»
Zudem gehe es hierzulande familiärer zu. «Beim SCR ist der Kern des Teams seit Jahren derselbe. Das gibt es in Österreich kaum noch. Man kauft einfach Spieler zusammen», so Ströhle. «Es gibt zu viele Ausländer», spricht Grabher-Meyer Klartext. «In der zweiten Liga können die Klubs so viele Ausländer holen, wie sie möchten. Doch die kommen oft nur des Geldes wegen. Ihnen ist es wurst, ob sie gewinnen oder nicht.»
Beleidigungen auf dem Eis
Im Rheintal sei Geld kein Thema. Man wolle auf gutem Niveau spielen und Spass haben. Dass in der Kabine auch Österreicher-Witze fallen, versteht sich von selbst. «Eigentlich sind es dieselben Witze, die wir auch über Schweizer machen. Das ist Spass. Auf dem Eis aber gibt es Trash-Talk. Da hat man mich auch schon einen Scheiss-Österreicher genannt», verrät Pfeiffer.
Die kulturellen Unterschiede seien minim. «Vorarlberg ist mit St. Gallen vergleichbar. Ich identifiziere mich mit St. Gallern stärker als beispielsweise mit Wienern», so Pfeiffer. Je weiter man in den Osten fahre, umso grösser die Differenzen. «Tiroler gehen ja noch. Aber Wiener sind Raunzer. Nörgler. Wir Vorarlberger hingegen gelten als bodenständig und wirken nicht so arrogant. Zumindest behaupten wir das.» Diese Unterschiede gäbe es auch in der Schweiz, betont Gschliffner: «St. Galler würden nie sagen, Zürcher seien ‹geili Sieche›.»
Die Rheintal-Ösis – auch Haris Sabanovic, Yanick Bodemann und Pascal Obrist (Bruder von Klotens Patrick) stammen aus Österreich – leben in Vorarlberg. Täglich passieren sie die Grenze – und kamen hierzulande auch schon mit dem Gesetz in Konflikt. «Die Verkehrsbussen sind ein Wahnsinn. Ich war mal zwei Stundenkilometer zu schnell und musste 120 Franken bezahlen. In Österreich hätte das vielleicht 25 Euro gekostet», so Pfeiffer.
Gut, dass der Stürmer für einmal zu Fuss unterwegs ist. Und besetzt ist der Zoll auch nicht …
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SC Rheintal – EHC Kloten, 20 Uhr
Während Kloten nach 56 Jahren aus der höchsten Liga abgestiegen ist, hat der SCR eine Wahnsinns-Saison hinter sich. Die Rheintaler haben alle (!) 40 Spiele gewonnen, dominierten mit 249:56-Toren, feierten beim 18:0 gegen die Lenzerheide ihren höchsten Sieg und qualifizierten sich als erster 2.-Liga-Klub für den Cup.
Mit Wil, Arosa (beide 1. Liga) und Chur (MySports League) wurden gleich drei Oberklassige ausgeschaltet. Den Aufstieg gabs als Krönung obendrauf. Bitter: Vor drei Wochen musste mit Manuel Holenstein der stärkste Skorer seine Karriere beenden. Er ist nach einer Hirnerschütterung weiterhin nicht voll arbeitsfähig.