Es ist nicht selbstverständlich, dass Tim Grossniklaus heute noch Hockey spielt. Dass er es kann, dafür ist der Verteidiger des EHC Olten unendlich dankbar. Rückblende. Juli 2015: Der 20-Jährige hat wenige Monate zuvor seinen ersten Profivertrag unterschrieben. Bevor er mit den SCRJ Lakers das Sommertraining startet, will er mit Freunden Ferien in der Türkei geniessen. Dann der fatale Moment. Bei einem Badeunfall zieht er sich einen Bruch des sechsten Halswirbels zu. Was genau passiert ist? Darüber reden möchte er nicht.
Zunächst aber realisieren weder die türkischen Ärzte noch der Berner selbst, wie schlimm die Verletzung ist. Erst am nächsten Tag bei einer weiteren Untersuchung im Spital wird das klar. Die Rega fliegt ihn nach Zürich, von dort gehts weiter ins Berner Inselspital. Dort wird Grossniklaus von Spezialisten vor Augen geführt, welch riesiges Glück er hat. «Meine Emotionen waren im freien Fall. Man sagte mir, dass ich nur Millimeter an einer Lähmung vorbei bin.» Davor bewahrt hat den 1,84 m grossen und 92 Kilo schweren Spieler unter anderem auch sein sportlicher, muskulöser Körperbau. «Und ich hatte einen Schutzengel.»
In einer Operation wird Tim Grossniklaus’ gebrochener Wirbel mit einer Platte fixiert, nur eine kleine Narbe vorne am Hals erinnert ihn daran. Sein erster Gedanke nach der OP gilt aber nicht dem Hockey. «Ich wünschte mir einfach nur, wieder gesund zu werden. Erst als ich wusste, dass die Heilung auf gutem Weg ist, wurde die Rückkehr aufs Eis zu meinem Ziel.» Doch das wird zu einer Geduldsprobe.
Während dem wochenlangen Aufbautraining, zu dem auch die Stärkung der Nackenmuskulatur gehört, verarbeitet Grossniklaus das Geschehene mit Hilfe von Freunden und Familie mental – und schaut vorwärts. «Der Unfall hat mich geprägt, danach hat ein zweites Leben angefangen.» Er ist gereift.
Plötzlich ohne Job
Der Verteidiger sagt aber ehrlich, dass er vier Monate nach dem Unfall im ersten Spiel für die Lakers mit einem anderen Gefühl aufs Eis gegangen ist. «Ich wusste nicht, wie ich reagiere.» Dass er weder Angst noch eine Blockade bekommt, ist eine Erleichterung.
Eineinhalb Saisons spielt der heute 23-Jährige für den SCRJ in der Swiss League und wagt letzte Saison einen neuen Anlauf in der National League, der mit einem «Lehrblätz» endet.
Nach einem Probevertrag verpflichtet ihn der HC Davos zwar, aber im Januar 2018 wechselt er zu Servette. Dort signalisiert man ihm Interesse an einer Weiterverpflichtung – und sagt nach den Ferien wieder ab.
Grossniklaus steht zu einem Zeitpunkt ohne Klub da, an dem alle Teams ihre Kaderplanung praktisch abgeschlossen haben. Doch Olten gibt ihm eine Chance. «Das ist kein Rückschritt für mich. Hier kann ich Verantwortung übernehmen. Ich will etwas reissen mit dem Team.»
Am liebsten gleich heute im Achtelfinal gegen Titelverteidiger SCRJ. «Es ist speziell, gegen meine Ex-Kollegen zu spielen. Aber ein Bein stellen können wir ihnen trotzdem.»