Arosa-Legende Lindemann
«Einer hat beim Kartenspielen ein Auto verspielt»

Meister Lindemann und Rückkehrer Lindemann. BLICK traf Arosa-Legende Guido (64) und Sohn Kim (36) vor dem Cup-Hit vom Mittwoch (20.15 Uhr, im Livestream auf Blick.ch).
Publiziert: 10.09.2019 um 17:58 Uhr
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Arosa-Spieler Kim Lindemann mit seinem Vater Guido Lindemann in dessen «Lindemann's Overtime Bar».
Foto: Sven Thomann
Nicole Vandenbrouck (Interview) und Sven Thomann (Fotos)

BLICK: Guido, ist Kim eigentlich ein Meisterkind?
Guido Lindemann:
Das könnte fast noch hinkommen (lacht).
Kim Lindemann: Wenn wir zurückrechnen, eher Endphase der Meisterschaft. Ich bin ja dann im November 1982 geboren.

Welche Bedeutung haben die beiden letzten Meistertitel des EHC Arosa, bei denen Sie dabei waren, heute sonst noch für Sie?
Guido:
Das war eine geniale Zeit, die man nie vergisst. Beide Titel gewannen wir auswärts, 1980 in Biel, 1982 in Davos. Die Erinnerungen sind immer noch präsent, das war ein Riesending hier.

Lindemann ist ein Name, der zu Arosa gehört wie die Butter aufs Brot. Wie nehmen Sie den Legendenstatus wahr?
Kim:
Ich habe diesen Status noch nicht (schmunzelt). Ich bin einfach der Sohn einer Legende. Sobald jemand meinen Nachnamen hört, schwelgen sie sofort in Erinnerungen an damals und erzählen von meinem Vater.
Guido: Legende ist jetzt ein grosses Wort. Wir hatten ein super Team mit vielen wichtigen Spielern. Der Zusammenhalt war grandios. Darum wechselte damals keiner von uns zu einem anderen Klub. Wir hatten Sonne, Berge und Schnee hier, was wollten wir mehr? Und Erfolg kam dann auch noch dazu.

Aber auch heute, fast 40 Jahre später, sprechen Sie die Menschen noch auf diese Titel an, oder?
Guido:
Ja, das ist schon so. Sei das hier in Arosa oder auch in fremden Stadien, ich bin überrascht, wie man mich noch erkennt. Das macht mich schon stolz. Und ich spreche auch gerne noch über diese Zeiten.

Mit Ihrer Rückkehr schliesst sich für Sie einfach ein Kreis? Führen Sie das Erbe Ihres Vaters auf und neben dem Eis weiter?
Kim:
Ja, ich bin hier aufgewachsen und kehre nun zurück. Ich und meine Frau haben uns auf Arosa gefreut. Dass ich auf dem Eis das Erbe meines Vaters weiterführe, das war nicht mein primärer Gedanke, aber es ist natürlich noch das Tüpfelchen auf dem i. Ich sagte schon immer, dass ich nochmals für den EHC spielen möchte. Und jetzt bekam ich die Chance dazu. Die sportlichen Ambitionen sind auch interessant. Hier will man etwas erreichen. Alle stehen hinter der Idee, den EHC Arosa wieder gross, oder sagen wir grösser zu machen. Die Leidenschaft spürt man wieder so richtig.

Welche Anekdoten bekommen Sie immer mal wieder zu hören?
Kim: Von vielen Leuten, dass sie früher oft stundenlange Anreisen in Kauf genommen haben, einfach weil sie Arosa-Fans waren und ein Spiel sehen wollten.

Und die richtig interessanten Geschichten aus der Meisternacht zum Beispiel?
Kim:
Da kenne ich ehrlich gesagt nicht viele Details.

Na dann erzählen Sie jetzt?
Guido:
Man denkt vielleicht, dass wir damals vor den Spielen noch lange im Ausgang waren oder so. Aber ehrlich, das stimmt nicht. Vielleicht waren es dann zwei Tage vor dem Match (schmunzelt). Zapfenstreich war jeweils so um elf Uhr. Als wir dann mal noch länger in der Bar unterwegs waren, sahen wir unseren Trainer Lasse Lilja reinkommen. Er hat immer pickelhart kontrolliert. Sofort haben wir uns alle versteckt und die Leute sagten ihm, es seien keine Spieler hier. Betrunken aber haben wir uns nicht.
Kim: Dass der Trainer euch immer kontrolliert hat, davon habe ich auch schon gehört.
Guido:
Gas gegeben haben wir nach den Spielen erst, in den Bars oder gingen tanzen. Namen verrate ich jetzt natürlich nicht, aber wir haben oft Karten gespielt, also «schanfiggerlet». Und da gabs einen von uns, der dabei sein Auto gesetzt und verspielt hat. Der Wagen war damals vielleicht zwei oder drei Tausend Franken wert.

Haben Sie während Ihrer Karriere darunter gelitten oder davon profitiert, einen so bekannten Nachnamen zu haben?
Kim:
Gelitten habe ich nie darunter. Als Junior in Arosa habe ich von Gegnern zu hören bekommen, dass ich nur spielen kann, weil ich Lindemann heisse. Mir kam dieser Gedanke sonst nie. Später war es eher so, dass ich dank des Namens eine Chance bekommen habe, für Probetrainings zum Beispiel. Und dort konnte ich mich dann aufdrängen. Mit der Zeit aber hatte der Name keinen Einfluss mehr, man muss ja seine Leistung doch bringen. Sonst ist man weg vom Fenster, egal wie man heisst.

Sie spielten beide mit Ihren Brüdern in einer Mannschaft – Traum oder Albtraum?
Guido:
Markus und ich hatten auch «Chritz» miteinander. Als ich mal gegen Bern eine Offensivaktion lieber selber abgeschlossen habe, statt ihm zu passen und es dann zwar ein Tor war, fuhr er zu mir und sagte: «Hättest du nicht getroffen, hättest du jetzt was zu hören bekommen von mir!» Wir spielten immer in der gleichen Sturmlinie, haben uns auf dem Eis blindlings verstanden. Wir als Duo waren in jener Zeit wirklich stark für Schweizer Verhältnisse. Und wir sind immer füreinander eingestanden.

Also wenn sich ein Gegner mit einem Lindemann anlegen wollte...
Guido:
...dann gute Nacht! (lacht) Dann waren es gleich zwei.
Kim: Ich habe mit Sven in Langnau den Aufstieg in die National League und danach die erste NL-Saison erlebt. So viele Jahre waren wir zuvor Gegner, und dann endlich mal zusammen. Wir haben es genossen. Es war lustig, den Bruder auch mal im eigenen Team zu haben. Von ihm hörte ich sonst auch immer nur Geschichten, dann konnte ich sie selber miterleben.

Zum Beispiel?
Kim:
Dass er in der Garderobe oft nur «Seich» macht, und das hat sich dann bestätigt. Auch im positiven Sinn. Er war für die Mannschaft ein wichtiger Charaktertyp.

Wie stolz macht Sie, dass Ihre beiden Söhne Profikarrieren machten und auch Meister wurden?
Guido:
Mega! Kims wie auch Svens Karrieren zu verfolgen war immer toll, nur wenigen Vätern ist das so vergönnt. Und wer etwas von Hockey versteht, weiss, dass beide Lindemanns in Langnau einen grossen Anteil am Aufstieg hatten. Wenn sie gemeinsam im Boxplay auf dem Eis standen, waren sie auch sackstark.

War der Vater immer der grösste Unterstützer und auch Kritiker?
Kim:
Früher in unseren jungen Jahren war er noch mehr der Kritiker und hat uns nach den Spielen gleich angerufen. Mit der Zeit hat das etwas nachgelassen. Oder ich habe einfach besser gespielt und er fand nicht mehr so viele Fehler (schmunzelt). Später telefonierten wir erst zwei, drei Tage später.
Guido: Stimmt, ich war schon oft kritisch und habe Tipps zu Spielzügen gegeben. Aber eigentlich wussten sie es ja immer auch selbst. Ich wollte einfach noch meinen Senf dazu geben.

Jetzt arbeiten Sie auch noch zusammen.
Kim:
(lacht) Ja, darauf bin ich auch gespannt. Meine Eltern werden zu meinen Chefs.

Haben Sie die letzten Spiele in der Karriere Ihres älteren Sohnes Sven (41) in Rappi verfolgen können?
Guido:
Leider nicht live, weil ich im Februar einen Unfall hatte. Ich bin beim Schneeschaufeln vom Dach gefallen und habe mich schwer verletzt, mir dabei Oberschenkel, Becken und Schambein gebrochen. Ich hatte Glück im Unglück, wenn ich anders gefallen wäre, sässe ich vielleicht jetzt nicht mehr hier.

In Ihrer Karriere waren Sie nie so schwer verletzt?
Guido:
Nein, ausser einmal als ich mit Chur in Genf spielte und einen Stock ins Auge bekam. Bei der Operation anno dazumal musste man hinter dem Auge nähen, hat dazu den Augapfel irgendwie leicht rausgenommen, es war jedenfalls unglaublich schmerzhaft. Aber bei weitem nicht so schlimm wie nun bei diesem Unfall. Nach mehreren Wochen Spital und Reha war ich zwar wieder zuhause, aber in Arosa hatte es so viel Schnee, dass ich kaum aus dem Haus konnte. Ich wollte ja nicht nochmals hinfallen oder etwas riskieren. Darum konnte ich kein Spiel besuchen.

Kim, haben Sie noch alle Zähne?
Kim:
Nein, die vier Zähne verlor ich schon als Zwanzigjähriger in Dübendorf. Mein Vater war am Spiel, als ich einen Slapshot von meiner eigenen Schaufel abgelenkt ins Gesicht bekam. Lustig ist, dass ich jenen Spieler etwa zehn Jahre später am Openair in St. Gallen getroffen habe. Als er meinen Namen hörte, sagte er zu mir, «ich bin übrigens jener Spieler, dessen Schuss du damals ins Gesicht bekommen hast».
Guido: Das sah schlimm aus. Erst als er wieder aufgestanden ist und selbstständig rausfahren konnte, war ich etwas beruhigter. Ich habe ihn dann zum Zahnarzt gefahren. Bei Sven war ich auch dabei, als er bei seinem letzten Spiel für Langnau auch einen Puck ins Gesicht bekam und sich das Jochbein brach. Flicken kann man ja alles irgendwie (lacht).

Kim, haben Sie die Geschehnisse rund um den EHC Arosa auch während Ihrer 18 Jahre im Unterland immer verfolgt?
Kim:
Am Anfang sehr intensiv, ja. Da kehrte ich auch für Wochenenden nach Arosa zurück. Mit der Zeit wurde es dann weniger. Ausser beim ZSC, weil Segi (Mathias Seger, die Red.) für Uzwil fante und ich für Arosa und wir manchmal sogar Wetten abschlossen für die Duelle. Mein Herz war all die Jahre über gelb-blau.

Sehen Sie Potenzial für den Traum, eines Tages wieder in der Swiss League spielen zu können?
Kim:
Nicht heute oder morgen. Aber längerfristig besteht dieser Plan. Wenn wir uns Jahr für Jahr steigern können, sehe ich dieses Ziel voll realistisch. Die Leidenschaft dafür ist da.

Die Familie Lindemann

Guido Lindemann (64). 1970 bis 1986 Stürmer beim EHC Arosa. 1973 Aufstieg in die NLB, 1977 Aufstieg in die NLA, Meister 1980 und 1982. 1981 als erster Schweizer Topskorer (79 Punkte) und 1982 (67 Punkte). 1986: Arosa stieg freiwillig in die 1. Liga ab.

Kim Lindemann (36). Bei den Aroser Junioren/1./2. Liga 1997 bis 2001. Stürmer/Verteidiger bei ZSC, Langnau, Visp, kehrte 2019 wieder nach Arosa zurück.

Guido Lindemann (64). 1970 bis 1986 Stürmer beim EHC Arosa. 1973 Aufstieg in die NLB, 1977 Aufstieg in die NLA, Meister 1980 und 1982. 1981 als erster Schweizer Topskorer (79 Punkte) und 1982 (67 Punkte). 1986: Arosa stieg freiwillig in die 1. Liga ab.

Kim Lindemann (36). Bei den Aroser Junioren/1./2. Liga 1997 bis 2001. Stürmer/Verteidiger bei ZSC, Langnau, Visp, kehrte 2019 wieder nach Arosa zurück.

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