Für Nino Niederreiter (31) war es der schwierigste Tag im Jahr. Weil in dieser Woche das Camp der Winnipeg Jets beginnt, musste der Heimweh-Bündner letzten Donnerstag von seiner Familie und seinen Freunden Abschied nehmen. «Wenn ich jeweils nach einer NHL-Saison in die Schweiz zurückfliege, nehme ich mir immer vor, möglichst viele alte Bekannte zu treffen. Aber leider Gottes geht die Sommerzeit zu schnell vorbei, um sämtliche Versäumnisse aus der Winterzeit nachholen zu können. Entsprechend schwer ist mir der Abschied gefallen», gesteht der zweifache WM-Silbermedaillengewinner.
Niederreiters Zeit mit den alten Bekannten war in den letzten Wochen auch deshalb knapp bemessen, weil er richtig hart gearbeitet hat. Neben dem Kraft- und Konditionstraining mit dem einstigen Ski-Coach und SRF-Experten Michi Bont hat der Flügelstürmer mit den SCRJ Lakers auf dem Eis geschwitzt.
«Warum nicht mit dem HCD?»
Als Arno del Curto (67) von Niederreiters täglichen Dienstreisen von Chur nach Rapperswil erfuhr, reagierte der einstige Davoser Meistermacher überrascht: «Warum absolviert Nino als Bündner die Saisonvorbereitung nicht mit dem HCD?» Niederreiters Antwort: «Dass ich in ganz jungen Jahren überhaupt zum Eishockey gekommen bin, ist auf Leandro Profico zurückzuführen. Leandro war in Chur mein Nachbar. Und weil er lange bei den Lakers unter Vertrag stand, habe ich mich vor vier Jahren dafür entschieden, gemeinsam mit ihm die sommerlichen Eiszeiten zu absolvieren.»
Obwohl der Verteidiger Profico inzwischen von Rappi zu Kloten wechselte, will Nino am Trainingsort am Obersee-Ufer festhalten. «Die Lakers bieten mir die perfekten Möglichkeiten für die Saisonvorbereitung. Ich kann jeden Tag zwei Stunden voll mit der Mannschaft mit trainieren, das Trainerteam in diesem Klub ist absolut top!» Kann sich der einstige Chur- und HCD-Junior vorstellen, dass er im Herbst seiner Karriere für SCRJ Lakers in der National League spielen wird? «Das ist eine schwierige Frage, die ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten kann. Schliesslich möchte ich noch vier bis fünf Jahre in Nordamerika spielen», hält der 205-fache NHL-Torschütze fest.
Wunderkufen vom Altmeister
Niederreiter steht vor einer besonders schwierigen Spielzeit in der besten Liga der Welt. «Mein Vertrag läuft im kommenden Frühling aus. Und für einen neuen, gut dotierten Kontrakt werde ich regelmässig skoren müssen.» Damit das gelingt, hat sich der 31-Jährige kurz vor der Abreise nach Kanada beim Churer Hockey-Altmeister Riccardo Signorell (53) mit ganz besonderem Material eingedeckt. «Riccardo fertigt aus einer speziellen Carbon-Stahlmischung Schlittschuhkufen an. Als ich vor rund zwei Jahren in Carolina nicht mehr richtig auf Touren kam, habe ich seine Kufen erstmals auf meine Schlittschuhe montiert. Weil ich damit gleich im ersten Match zwei Tore erzielt habe, fahre ich seither komplett auf die ‹Signorell-Flitzer› ab.» Das ganz Besondere daran: «Du kommst mit diesen Kufen schneller aus einer Kurve heraus, weil du wie auf Karbon-Ski einen Kick-Effekt bekommst.»
Niederreiters totale Überzeugung für diese Spezialanfertigung hat seinen Betreuern schon öfters dicke Schweissperlen auf die Stirn getrieben. «Der Materialwart hat mich eines Tages darauf aufmerksam gemacht, dass er die Signorell-Kufen höchstens noch einmal schleifen könne, bis sie komplett durch sind. Ich habe ihn deshalb gebeten, die Kufen nicht zu schleifen, damit sie spielbar bleiben, bis mir Riccardo per Post Nachschub liefert.» Damit die Reserve diesmal wesentlich länger hält, hat Niederreiter sechs paar Kufen in seinem Reisekoffer verpackt. «Damit müsste ich zumindest bis zur Saisonhälfte auskommen.»
Investition in Trendsport
Weit über die Eishockey-Laufbahn hinaus gehen Niederreiters Pläne im Trendsport Padel-Tennis. Seit kurzem ist er Mitbesitzer von einer Firma, die auf dem Zürcher Messegelände sechs Courts betreibt. «Wir werden mit Padelta demnächst auch eine Anlage in Chur eröffnen. Es gibt in diesem Unternehmen einige sehr innovative Leute, die diesen Sport in der Schweiz noch grösser machen wollen. Es macht mich glücklich, dass ich jetzt ein Teil von diesem besonderen Projekt bin.» Es spricht also einiges dafür, dass Niederreiter, der in Winnipeg einen Jahreslohn von vier Millionen kassiert, auch in seiner Karriere nach der Karriere ordentlich Geld verdienen wird.