Unter den grossen Profiligen Nordamerikas hat sich die NHL den Ruf verdient, die sozialen Netzwerke bestens mit ihren Interessen verknüpft zu haben. Jedenfalls bisher. Das öffentliche Voting für die Teilnehmer des Allstar-Games in Nashville bescherte der Liga nun ein mittleres PR-Debakel, weil die Fans den Prügelknaben John Scott in die Aufstellung der Pacific Division wählten. Und nicht nur das: Sie machten ihn auch gleich noch zum Captain.
Das besondere daran: Scott bringt nicht die üblichen Qualifikationen mit, die für eine Teilnahme am Allstar-Game berechtigen. Aber die Fans haben mit dem Hashtag #VoteJohnScott zur Belustigung der Medien eine Bewegung losgetreten, die sich nicht mehr stoppen lässt.
Im Gegensatz zur National Football League, der Major League Baseball oder der NBA erwirtschaftet die NHL mit ihren TV-Deals wohl einen schönen Batzen, aber eben nicht mehrere Milliarden wie die anderen Topligen. Der Anteil, den die NHL mit Ticketverkäufen oder Fanartikeln generiert, ist prozentual höher. Das bedingt einen engen Kontakt zur Basis der Hardcore-Fans, diese bei der Auswahl der Allstar-Teams zu beteiligen schien ein narrensicheres Stilmittel. Dabei hat man allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Keiner hat damit gerechnet, dass die Fans aus Jux einen Spieler wie den grobschlächtigen John Scott, mit einer Beschäftigungszeit von sechs Minuten pro Partie ein Anachronismus, zum Captain einer Allstarmannschaft berufen würden. Hat sich ein Trend auf dem Internet aber erstmal etabliert, ist er kaum mehr zu aufzuhalten.
Werbung sollte möglichst positive Emotionen auslösen – besonders wichtig ist das für die NHL, die permenent um ihre Marktanteile kämpfen muss. Unter dieser Prämisse wird sich die NHL im nächsten Jahr wohl gut überlegen, ob sie die Regeln fürs Allstar-Voting ändern oder die Prozedur gleich abschaffen will. Die Baseball-Profiliga lässt die Fans ebenfalls an einem Voting teilnehmen, allerdings gibt die Liga die Kriterien vor: Sie erstellt eine Liste mit den möglichen Kandidaten.
Weil Scott inzwischen von Arizona nach Montreal verschoben und dann schnurstracks in die AHL zu St. John's entsorgt wurde, glaubte die NHL das Problem gelöst zu haben. Die Ligaführung soll Scott gar unter Druck gesetzt haben, freiwillig auf seinen Startplatz zu verzichten. Resultat: Eine Welle der Empörung. Das brachte die NHL wohl zur Räson. John Scott wird beim Allstar-Game (29. bis 31. Januar) dabei sein. Als Captain.