Zwei Minuten für Dino zum Spengler Cup
«Der HCD sollte sich bei den Fans entschuldigen»

BLICK-Eishockeyreporter und Ex-Nati-Spieler Dino Kessler nimmt das Schweizer Eishockey unter die Lupe. Heute analysiert er: Leistungskultur am falschen Ort – der Spengler Cup geriet für den HCD aus den Fugen.
Publiziert: 30.12.2019 um 12:45 Uhr
|
Aktualisiert: 03.08.2022 um 09:07 Uhr

Das grosse Bild beim Spengler Cup lässt sich nicht am Resultatbulletin festmachen. Es geht um die Aufführung. Der Klub ist wirtschaftlich vom Spengler Cup abhängig, nicht umgekehrt. Das ist das grosse Bild. Der Schwanz wedelt nie mit dem Hund.

Beim Spengler Cup demonstrativ die Stammkräfte zugunsten eines sportlich wichtigeren Spiels zu schonen war gar nicht notwendig, mit einer mitreissenden Vorstellung gegen die Kanadier wäre das Ergebnis in den Hintergrund gerückt. Samstagabend im Bijou, Davos gegen Kanada, ein Spektakel. Dankeschön.

Wutrede ohne Not – Quervergleich mit Ambri-Fans sinnlos

Wie Christian Wohlwend nach dem Ausscheiden am Sonntag bei seiner Tirade ohne Not gegen die Zuschauer richtig bemerkte, bedient man beim Spengler Cup nicht das gleiche Publikum wie unter der Woche. Darunter sind in dieser Zeit einige, die auf Einladung oder auf Empfehlung von Geschäftspartnern von Geschäftspartnern der Organisatoren eingeladen wurden. Diese Leute möchten etwas erleben, sollte der HCD gewinnen, umso besser. Von ihnen aber zu verlangen, sich wie heissblütige Anhänger aufzuführen, wäre vermessen. Auch der Quervergleich mit den um einiges lebhafteren Ambri-Fans macht keinen Sinn, aber vielleicht schwang im Subtext von Wohlwends Wutrede auch der Frust darüber mit, wie sehr Ambri und seine Anhänger nach jeder Vorstellung immer mehr in den Vordergrund rückten.

Raffainer und Wohlwend haben ihrer eigenen, mutigen Philosophie entsprechend reagiert und alles auf die Karte Sport gesetzt. Das ist im Prinzip immer richtig. Nur beim Spengler Cup nicht. Dabei gerieten leider auch die Sympathisanten, Eishockeyfreunde und Geschäftspartner auf der Tribüne in Vergessenheit. Vielleicht schaffen es Organisatoren und Klubvorstand, die Affäre der politischen Unerfahrenheit Raffainers und Wohlwends in Bezug auf den Spengler Cup zuzuschreiben. Als etwas übermütige Lausbuben geben die beiden ja eine gute Figur ab, wer ihnen Bösartigkeit unterstellt, schiesst weit über das Ziel hinaus.

Beim Spengler Cup darf der rein sportliche Grundvorsatz für einmal nur zweite Wahl sein – in erster Linie muss die Aufführung den Erwartungen entsprechen. Und wenn Davos gegen Kanada spielt, muss der HCD in jedem Fall seinen Part in dieser Aufführung spielen. Andres Ambühl sagte: «Einmal versuchten die, uns mit Härte einzuschüchtern. Dann haben wir mit gleicher Münze zurückgezahlt und das Spiel gewonnen.» Ein Spiel von der Art, wie es Ambühl in wenigen Sätzen auf den Punkt bringt, erwartet das Publikum bei diesem Duell.

Punkte bei den Hardcore-Fans gesammelt?

Vielleicht hatten Wohlwend und Raffainer im Hinterkopf, dass ein frühes Ausscheiden zumindest aus einer Perspektive kein Totalschaden sein würde: Im Januar trägt der HCD sechs Spiele in zwölf Tagen aus. Kommt man beim Spengler Cup weit, gibt das etwas emotionale Energie. Schafft man das nicht, wird die Physis geschont. Alles wahr. Nur ist der Spengler Cup hinter der Meisterschaft und dem Cup nur ein weiteres sportliches Ziel, aber die wohl wichtigste zusätzliche Einnahmequelle des Vereins.

Bei den hartgesottenen Fans des Rekordmeisters dürften Raffainer und Wohlwend weitere Sympathiepunkte gesammelt haben, die organisierte Fankultur der Bündner hält vom Spengler Cup Abstand. Raffainer und Wohlwend haben bis zum Spengler Cup immer den richtigen Ton getroffen und den Klub in kurzer Zeit wieder auf die Füsse gestellt. Jetzt bezahlen die beiden etwas Lehrgeld. Mit geschicktem Krisenmanagement kann der Klub diese Affäre aber bald als Anekdote auf die Seite schieben.

Was sagst du dazu?