Applaus nach Theorie-Lektion
Köbi Kölliker holt WM-Gold mit China-Junioren

Er kannte nur zwei Spieler, wusste nichts über die Gegner und benötigte einen Dolmetscher. Und trotzdem führte Köbi Kölliker Chinas Junioren zum WM-Titel.
Publiziert: 28.01.2019 um 19:15 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2019 um 19:36 Uhr
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Köbi Kölliker will im Rahmen eines Förderprojekts 40 Chinesen fit für Olympia machen.
Foto: Sven Thomann
Angelo Rocchinotti
Angelo RocchinottiEishockey-Reporter

Eigentlich könnte sich Köbi Kölliker mit einem Glas Rotwein in der Hand in den Liegestuhl legen und den Ruhestand geniessen. Stattdessen aber leistet der 65-Jährige Entwicklungshilfe, will im Rahmen eines Förderprojekts rund 40 Chinesen fit für Olympia machen und stieg zuletzt gar zum Junioren-Nationaltrainer Chinas auf.

An der WM der dritten Division (tiefste Klasse) in Island betreute er vorige Woche die U20-Auswahl. «Ich reiste mit gemischten Gefühlen nach Reykjavik», gibt Kölliker zu. «Ich wusste nicht, was mich erwartet. Aus meinem Team waren nur zwei Spieler dabei. Den Rest kannte ich nicht. Ich traf sie erst am Flughafen, kannte auch meine Assistenten nicht.»

«Zwei Jungs spielten in Frauenteams»

Der ehemalige deutsche Nati-Coach und Ex-Assistent von Ralph Krueger bekam vom chinesischen Verband bloss eine Liste mit 21 Namen. «Fünf Spieler hatten in dieser Saison noch keinen einzigen Ernstkampf bestritten. Zwei Jungs spielten in Frauenteams. Wären alle auf dem Niveau jener Spieler gewesen, die wir in der Schweiz trainieren, wäre es schwierig geworden. Doch es waren auch bessere dabei.»

Acht stammten aus dem Juniorenteam von KHL-Verein Red Star Kunlun. Drei stiessen aus Nordamerika, drei aus dem Projekt in Finnland dazu. Wie die Spieler
rekrutiert wurden, weiss Kölliker nicht. Auch nicht, weshalb man ihn zum Trainer machte. «Ich habe mit allem gerechnet: Mit sportlichem Misserfolg oder einer Überraschung.»

Das Abenteuer zahlte sich aus: Die Chinesen spielten ihre Gegner schwindlig, siegten gegen Neuseeland und die Türkei 12:1, demütigten Südafrika 14:1 und gewannen gegen Bulgarien 6:1. Den WM-Titel holte sich das Kölliker-Team dank eines 5:1 im Final gegen Australien. «Für uns Schweizer sind diese Teams Exoten. Doch alle hatten zwei, drei starke Spieler dabei. Es fehlt bei diesen Teams einfach die Breite.»

Die grösste Hürde stellte die Kommunikation dar. «Mein Assistent sprach kein Wort Englisch, weder Yes noch No.» Weil auch die meisten Spieler nur Chinesisch konnten, brauchte es eine Dolmetscherin. Sie stand in den Trainings mit Kölliker auf dem Eis.

Kölliker setzt auf mehr Eigenverantwortung

In Zuchwil SO, wo die hiesige chinesische Auswahl trainiert, hat der 65-Jährige Porträtbilder seiner Spieler im Trainerbüro an die Wand montiert, um sich die Namen merken zu können. An der WM hat er darauf verzichtet. «Erstaunlicherweise kannte ich die Junioren schnell.»

Anders als seine Vorgänger, welche die harte, russische Schule zelebriert hätten, setzte Kölliker auf mehr Eigenverantwortung. Auf dem Eis funktionierte das reibungslos. «Neben dem Eis nahmen sie es mit der Pünktlichkeit nicht immer so genau. Aber es waren anständige Jungs. Auch im Hotel fiel nichts vor.»

Nun betreut Kölliker wieder die beiden Teams in Zuchwil, wobei die zweite Mannschaft aus Anfängern besteht. Kölliker musste ihnen zeigen, wie man sich hinstellt, wie man rückwärts fährt und wie man die Scheibe führt. «Sie machen grosse Fortschritte», sagt er. Die erste Mannschaft habe jedoch eine Baisse. «Wir kämpfen mit Verletzungen,
mussten jemanden wegen eines Meniskusschadens nach Hause schicken und haben nur zwölf gesunde Spieler. Das trübt die Stimmung.»

Schultern ausgekugelt

Überhaupt würden Verletzungen das Team in eine Art Schockzustand versetzen. «Als in Visp jemand vom Puck im Gesicht getroffen wurde und stark blutete, begannen die Spieler zu schreien und suchten den Doktor. Wir spielten zu Ende, doch die Spieler waren sehr verunsichert.»

Ähnliches habe sich in Biel zugetragen, als sich einer nach einem Check gegen die Elite-A-Junioren des EHC Biel beide Schultern ausgekugelt hatte. «Bis zu diesem Zeitpunkt war das Spiel ausgeglichen. Dann verloren wir die Konzentration und das Spiel mit 1:11.»

In Island haben die Spieler nach jeder Theorie-Lektion applaudiert, sich bei Kölliker bedankt, ihm die Hand gereicht. «Hier tun sie das nicht mehr», sagt Kölliker. Spass bereitet ihm die Arbeit aber noch immer. «Solange ich gefragt bin, mache ich weiter. Die Zeit des Nichtstuns kommt früh genug.» Das Projekt dauert bis im März.

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