BLICK: Ueli Maurer, was waren für Sie die schönsten Momente in diesem grossartigen Sportjahr?
Ueli Maurer: Da gab es viele. Der Erfolg von Stan Wawrinka in Australien. Dann die Olympischen Spiele mit den vielen Medaillen. Zum Beispiel von Dario Cologna und Dominique Gisin. Das sind ja nicht nur Medaillen, sondern auch wunderbare Geschichten dahinter.
An wen denken Sie?
Cologna mit seiner Verletzung. Und dann wird er Doppel-Olympiasieger. Das zeigt die Präzision des Spitzensports, dieses Teamwork von unterschiedlichen Bereichen. Oder Dominique Gisin. Immer wieder zurückgeworfen, immer wieder aufgestanden. Und dann dieser Erfolg. Das sind emotionale Geschichten, die den Sport so faszinierend machen. Eine solche Story hat auch Selina Gasparin geschrieben. Und fasziniert haben mich auch die Hockey-Girls. Junge, couragierte und unerschrockene Frauen.
Von denen sind 2014 einige über sich hinausgewachsen.
Ja. Auch Giulia Steingruber. Oder die Curlerinnen, die WM- und EM-Gold gewannen.
Sie waren auch in Brasilien bei der Fussball-WM.
Auch dort sass ich als stolzer Botschafter des Schweizer Sports auf der Tribüne. Stark, wie unser Team aufgetreten ist. Und auch die Frauen fahren 2015 an die Fussball-WM-Endrunde. Das sind auch Pionierinnen.
Und mit der Leichtathletik-EM in Zürich kam der nächste Höhepunkt.
Da haben Kariem Hussein und Mujinga Kambundji einen tollen Anlass veredelt. Und dann natürlich der Triumph im Davis Cup. Auch da sass ich begeistert im Stadion. Es war für die Schweiz ein unglaublich erfolgreiches Sportjahr. Aber man kann ein Sportjahr nicht nur in Medaillen und Siegen bilanzieren. Da gehört viel mehr dazu. All die Emotionen vor allem.
Was war denn der emotionalste Moment für den Sportminister?
(Überlegt) Stan Wawrinka. Sein Erfolg in Australien. Immer im Schatten von Federer zu stehen, immer die Nummer zwei zu sein. Das ist hart. Und dann dieser Befreiungsschlag. Das hat schon sehr berührt und das hat ihm auch jeder von Herzen gegönnt. Er ist eine Persönlichkeit, die Respekt verdient.
«Oh du fröhlicher Bundesrat» könnte man nach diesem Sportjahr singen.
Ja, das kann man tatsächlich so sagen.
War es das bisher schönste Jahr in Ihrer Funktion als Sportminister?
Von den Erfolgen her sicher. Aber eben, der Sport lebt nicht nur von Medaillen. Berührende Emotionen gibt es ja auch in der Niederlage. Das habe ich im legendären Stadion von Wimbledon erlebt, als Roger im Final beherzt und aufopfernd kämpfte und doch gegen Djokovic verlor.
Der Schweizer Sport hat uns 2014 reich beschenkt. Wir haben Ihnen einen Weihnachtsbaum mitgebracht. Schmücken Sie ihn doch mit den sieben herausragenden Köpfen des Sportjahres.
Da reichen sieben Kugeln nicht. Es gibt doch so viele. Allein in Sotschi gab es so viele Höhepunkte mit elf Medaillen. Wir sind auch Welt- und Europameister im Curling. Oder Giulia Steingruber. Oder Schwinger Matthias Sempach. Die Auswahl ist riesig.
Wir haben aber nur sieben Kugeln dabei.
Gut: Federer und Wawrinka sind klar, wie auch Dario Cologna. Dominique Gisin gehört dazu. Und Giulia Steingruber. Dann Diego Benaglio als Vertreter der Fussballer. Und Kariem Hussein.
Ein Land mit acht Millionen Einwohnern, und so viele Grosserfolge. Sind wir eine Sportnation?
Man muss mit der Formulierung Sportnation vorsichtig sein. Wir haben immer wieder herausragende Individualisten. Aber im Nachwuchs und in der Breite müssen wir noch mehr machen, da dürfen wir uns jetzt nicht blenden lassen. Im Fussball profitieren wir heute von der hervorragenden Nachwuchsarbeit, die man seit vielen Jahren betreibt. In anderen Sportarten haben wir noch grosse Defizite.
Wo?
Der Nachwuchsbereich ist auf Trainerstufe teilweise zu wenig gut bestückt. Da wird das Ehrenamt zum Handicap. Vor allem im Nachwuchs braucht es heute absolut professionelle Betreuung. In vielen Sportarten ist man zu stark auf das grosse Engagement der Eltern angewiesen. Der Spitzensport aber darf nicht zum Privileg werden. Jedes Talent sollte gefördert werden. Im Ausland geht da die Post ab.
Wie soll das angepackt werden?
Ich versuche gerade etwas Werbung für unser neues Sportförderungskonzept zu machen. Das hat drei Säulen: Breitensport, Leistungssport und Infrastruktur. Darüber werden wir zu Jahresbeginn im Bundesrat reden. Die Politik lässt sich gerne von Erfolgen blenden. Darum kann man nach diesem tollen Jahr nicht einfach sagen: Alles ist gut. Es braucht Investitionen, um dieses Niveau halten zu können. Wir müssen die Gunst der Stunde und diesen Schwung jetzt nutzen. 2015 ist sportpolitisch ein wichtiges Jahr. Da versuchen wir Weichen bis ins Jahr 2025 zu stellen.
Was kostet das?
Natürlich klebt da ein Preisschild dran. Aber wir präsentieren jetzt mal unseren Wunschzettel und dann wird das Parlament darüber befinden. Es geht ja auch darum, den Sport als Integrationsinstrument zu forcieren. Es gibt junge Frauen aus anderen Kulturkreisen, die haben zum Sport überhaupt keine Beziehung. Die Fussball-Nati und die Leichtathletik-EM zeigen ja, was integrierte Zuwanderer bewegen können. Letztlich darf man von Investitionen, nicht von Kosten sprechen
Wie stark profitiert unser Sport von der Zuwanderung?
Das ist abhängig von den Herkunftsländern. Im Fussball ist es ausgeprägt. Im Eishockey und im Skisport gar nicht. Wir haben keine Zuwanderung aus Wintersportländern. Aber die Zuwanderung befruchtet den Sport, das ist klar.
Es gibt Leute, die Mühe haben, sich mit unserer multikulturellen Fussball-Nati zu identifizieren.
Mein Vater ist in Adelboden aufgewachsen. Ich behalte meinen Bürgerort im Berner Oberland mit Inbrunst, obwohl ich sonst zur Region wenig Bezug habe. Man muss akzeptieren, dass die erste Generation am Geburtsort der Eltern irgendwie festhält. Das ist nicht tragisch. Im Militär sind mittlerweile rund ein Drittel der Rekruten Secondos. Das sind Schweizer, die halt noch gewisse Emotionen zu ihrem Herkunftsland haben.
Dann muss man einen Albaner-Jubel auch tolerieren?
Ja. Oder soll er sich bekreuzigen? Es ist eine Leistung der Schweiz und nicht zuletzt des Sports, dass man diese Kulturen vereinen kann. Der Fussball ist sowieso speziell. Der ist seit langem international.
Sie haben auch schon mit einem Departementswechsel geliebäugelt. Bekommen wir einen neuen Sportminister?
Wer als Bundesrat gewählt wird, muss grundsätzlich für alles offen sein. Aber ich bin in meinem Lieblingsdepartement. Im Militär habe ich viel gelernt. Und der Sport war immer meine Leidenschaft.
Können Sie sich vorstellen, nach Ihrer Zeit als Bundesrat wie Parteikollege Adolf Ogi als Sonderbotschafter Sport für die Uno im Einsatz zu sein?
Nein. Aber eine Funktion im Schweizer Sport kann ich mir gut vorstellen.
In Europa will niemand die Olympischen Winterspiele. Auch Graubünden nicht. Ist dieser Zug für die Schweiz abgefahren?
Unsere Kandidatur der Bescheidenheit mit kleineren Spielen und weg vom Gigantismus hat einiges ausgelöst. Das Olympische Komitee hat jetzt diesen Ansatz aufgenommen. Die Schweiz könnte hier die Pionierrolle übernehmen. Wenn eine Schweizer Region unter diesen Voraussetzungen nochmals einen Anlauf nimmt, dann muss man das wohlwollend prüfen. Meine Meinung bleibt: Ein solch grosses Projekt täte der Schweiz gut.
Sie hatten ein tolles Jahr als Sportminister. Aber Sie haben die Abstimmung über den Kampfjet Gripen verloren. Wiegt das eine das andere auf?
Ich bin ein positiver Mensch. Da hilft mir meine sportliche Einstellung. Man muss Niederlagen schnell vergessen und aufbauend vorwärts schauen.
Was war denn Ihre eigene grösste sportliche Leistung 2014?
Ich war am Wasa-Lauf in Schweden. Und habe auch sonst viel Sport getrieben.
Zahlen?
Ich war etwa 1000 Kilometer auf den Langlauf-Ski. Und sass 220 Stunden auf dem Velo. Und dazu kommen vielleicht noch 50 Stunden Krafttraining. Vieles konzentriert sich dann halt auch auf die Ferien.
Wie verbringen Sie die Feiertage?
Irgendwo auf Langlaufskis.