Ein normaler Mensch kann die Luft für eine Minute anhalten, vielleicht für zwei. Vasyl Lomachenko schafft viereinhalb. Ein normaler Mensch geht joggen. Vasyl Lomachenko rennt am Strand mit einem Fallschirm am Rücken. Ein normaler Mensch braucht einen Gegner auf dem Tennisplatz. Vasyl Lomachenko spielt für sich selbst, rennt um den Platz, um sich die Bälle selbst zuzuspielen. Teil seines Trainingsplans sind auch mal 10 Kilometer schwimmen im offenen Meer. Er löst Kreuzworträtsel. Spielt Basketball.
Ein Trainingsregime, das klar macht: Normal ist der Ukrainer nicht. Und er boxt auch nicht wie ein Normaler. Lomachenko ist schneller als alle anderen und er ist härter als alle anderen. Er bewegt sich in einer Mischung aus Anmut und Brutalität. Wenn er zuschlägt, ist er schon fast wieder weg. «Er ist mein Lieblings-Fighter», sagt Mike Tyson. «Niemand hat eine Technik wie er», meint der legendäre Promoter Bob Arum. «Ich habe seit Muhammed Ali keinen besseren gesehen.» Zweimal wurde Lomachenko Olympiasieger. Von 397 Amateurkämpfen gewann er 396. Drei Kämpfe brauchte er als Profi, da war er ein erstes Mal Champion. 12 Profi-Fights benötigte er, um in drei Gewichtsklassen den Gürtel zu halten. Rekord! Und so wundert es nicht, dass die Fachwelt fragt, ob er eines Tages der Grösste aller Zeiten wird.
Gegner haben keine Chance
Die Statistik sieht ihn schon auf dem Level von Ali: Das Programm CompuBox hat ausgerechnet, dass kein Boxer seit «The Greatest» ein besseres Verhältnis zwischen ausgeteilten Schlägen und kassierten Prügeln vorzuweisen hat. Heisst: Lomachenko ist nicht nur ein Garant für Offensivspektakel, er beherrscht die Kunst des Ausweichens wie kein Zweiter. Damit brachte er zum Beispiel den Kubaner Guillermo Rigondeaux zur Verzweiflung. Der zweifache Olympiasieger gab 2017 einen WM-Fight auf – als insgesamt vierter Gegner.
Unter Ali macht es Lomachenko auch nicht. Es geht ihm um nicht weniger als «um Geschichte», sagt er zu ESPN. «Wenn du in 10, 20 oder 30 mit deinen Freunden zusammensitzt und über Boxen redest, dann muss dir mein Name einfallen.»
Der Vater des Erfolgs ist der Vater des Erfolgreichen: Anatoli Lomachenko ist seit frühesten Tagen der Trainer seines Sohnes. Früher Turnlehrer und Amateur-Boxer, zog er seinem Sohn im Alter von 3 Tagen zum ersten Mal Boxhandschuhe an. Mit 10 liess er ihn nicht mehr boxen, sondern steckte ihn jahrelang in eine Tanzschule, liess ihn ukrainische Volkstänze üben.
Das zahlt sich aus. Lomachenkos Beinarbeit ist nicht von dieser Welt. Der nächste, der das zu spüren bekommen wird ist der Brite Anthony Crolla. Er wird in der Nacht auf Samstag ohne Chance bleiben.