Es ist die Szene des Box-Jahres: Plötzlich taumelt der durchtrainierte Muskelprotz durch den Ring. Ungelenk wie ein neugeborenes Kalb stakst Anthony Joshua (30) über die Bretter des Madison Square Garden in New York. Der Goldjunge des Schwergewichts-Boxens, für den der Sieg gegen den unbekannten Aussenseiter Andy Ruiz Jr. (30) doch eine reine Formsache sein sollte, guckt bloss noch verdutzt.
Ruiz liebt Snickers
Wer schon mal einen heftigen Schlag gegen den Schädel bekommen hat, weiss, wie das ist. Mike Tyson (53) zum Beispiel. «Im Kopf ist alles in Ordnung», sagt der Ex-Weltmeister in einer Dokumentation des TV-Streaminganbieters DAZN. «Du hast das Gefühl, du hast alles unter Kontrolle. Aber der Körper gehorcht dir nicht mehr.»
Der Mann, der Joshua ins Wanken gebracht hat, sieht nicht aus wie einer, dem das gelingen sollte. Snickers-Fan Ruiz, der sich selber als «kleiner dicker Junge» bezeichnet, schlägt Joshua insgesamt viermal zu Boden. «Wie David gegen Goliath», sagt Tyson. «Er ist der wahre Rocky», meint «Rocky»-Macher Sylvester Stallone. «Mama, wir müssen nicht mehr kämpfen», ruft Ruiz Jr. nach seinem Sieg ins Mikrofon.
Der Satz passt. Der Kalifornier, Sohn mexikanischer Einwanderer, stammt aus einfachen Verhältnissen. Und er scheint auch nach dem Sprung zu Weltruhm am Boden geblieben zu sein. Im Herbst wird er dabei gefilmt, wie er hilft, ein Pannenfahrzeug eines Fremden die Strasse entlangzuschieben.
Am Samstag trifft er auf einen alten Bekannten. Für die WM-Revanche gegen Joshua hat er etwas Gewicht verloren – das sympathische rundliche Gesicht ist immer noch dasselbe. Nur ein Nobody ist er nicht mehr: Mit seinen neuen prominenten Fans drücken ihm Millionen die Daumen. Damit der mexikanische Rocky es nochmals schafft.