Alain Chervet (29) ist in offizieller Mission unterwegs: Der Berner Box-Profi soll bei den Military World Games in Wuhan für die Schweiz in den Ring steigen. Eigentlich. Doch nun, zwei Tage vor Beginn der Wettkämpfe am Samstag, nach wochenlanger Vorbereitung und 16 Stunden Flug aus der Schweiz in die chinesische 10-Millionen-Metropole, ist Chervets Einsatz in Gefahr.
Denn noch immer ist überhaupt nicht sicher, ob Chervet boxen darf. Es fehlt die nötige Lizenz.
Der Grund findet sich im offiziellen Reglement: Um an den Militär-Spielen teilnehmen zu dürfen muss ein Boxer mindestens 17 Jahre alt sein. Und: Amateur.
Letzteres ist Chervet, der seit 2012 19 Profi-Fights (16 Siege, 1 Niederlage, 2 Remis) bestritten hat, nicht. «Wir wurden angefragt, ob er bei uns eine neue Amateur-Lizenz lösen kann», bestätigt Swiss-Boxing-Präsident Andreas Anderegg. «Aber das ist nach unseren Regeln nicht möglich. Wer mehr als drei Profi-Kämpfe bestritten hat, kann nicht mehr zu den Amateuren zurück. Das wäre zu gefährlich. Amateur- und Profi-Boxen sind zwei unterschiedliche Sportarten.» Bereits im Frühjahr hatte man bei Swiss Boxing darauf hingewiesen, dass es Probleme mit Chervets Status geben könnte. Doch davon wollte die Armee, die im Alleingang selektioniert, offenbar nichts wissen.
War der ganze Aufwand also umsonst? Und: Hat die Schweizer Armee für die Militär-Olympiade einen Sportler selektioniert, der gar nicht antreten darf? Das wäre peinlich. Zumal es Amateure wie den WM-Teilnehmer Uke Smajli gibt, die ebenfalls Interesse angemeldet hatten, an den Military Games teilzunehmen.
«Das wäre unerfreulich», sagt Armeesprecher Daniel Reist zu BLICK. «Und es wäre weder im Sinne des Sportlers noch der Helfer, die ihn auf dem Weg dorthin unterstützt haben.»
In Chervets Team und beim Militär hat man eine Erklärung parat: In Wuhan ist der skandalumwitterte Boxweltverband Aiba zuständig – und der liess bei den letzten Olympischen Spielen in Rio 2016 Profis und Amateure antreten. Da wäre Chervet also zugelassen gewesen. «Aus unserer Perspektive sind die Militär-Spiele eine Militär-Olympiade», erklärt Chervets Manager Leander Strupler die Panne, die den Steuerzahler eine ordentliche Stange Geld kosten könnte. Und auch, wenn von der Olympia-Argumentation nichts im Wuhan-Reglement steht, findet er: «Für uns wäre es grundsätzlich richtig, wenn nach gleichen Kriterien selektioniert würde.»
Dafür ist nun Diplomatie gefordert. Reist: «Unsere Delegation vor Ort hat am Freitag ein technisches Meeting mit den Chinesen. Sie rechnet damit, dass sich diese Probleme lösen lassen.»
Wenn nicht, ist der Neffe von Box-Legende «Fritzli» Chervet (77) vergebens nach China geflogen. Als Tourist im Tarnanzug.