Nach IOC-Skandalturnier
Schweizer Boxer mit Corona infiziert

Der Schweizer Boxer Angel Roque ist am Coronavirus erkrankt. Angesteckt hat er sich in der Olympia-Qualifikation Mitte März. Jetzt macht er dem Verband und dem IOC schwere Vorwürfe.
Publiziert: 01.04.2020 um 07:29 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2020 um 18:18 Uhr
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Liegt mit Coronavirus im Bett: Angel Roque.
Foto: zVg
Emanuel Gisi und Daniel Aenishänslin

Mitte März kämpfte er in London um seinen Traum von Olympia: Angel Roque (24), Mittelgewichts-Boxer aus Zürich-Altstetten. Jetzt liegt er krank im Bett. Die Diagnose: Corona-positiv!

Angesteckt hat er sich in Grossbritannien, beim Skandal-Turnier in der Copper Box Arena, wo sich mit Roque mindestens sieben Sportler mit dem Virus angesteckt haben (BLICK berichtete). In London hatte der Schweizer mit Wurzeln in der Dominikanischen Republik viel Kontakt zu einem Trainer des türkischen Teams. «Ein Kubaner, wir haben uns oft auf spanisch unterhalten, da wird es passiert sein», sagt Roque zu BLICK, kurz nachdem er am Dienstagnachmittag die Diagnose erhalten hat. Später wird bekannt: Bei den Türken haben sich zwei Athleten und ein Coach mit dem Coronavirus infiziert. «Ich habe mich seit der Rückkehr zuhause aufgehalten, alle Vorsichtsmassnahmen befolgt.»

«Mache mir mehr Sorgen um meine Mutter»

Vor ein paar Tagen zeigen sich die ersten Symptome: Fieber, Kopfschmerzen, Durchfall, Verlust des Geschmackssinns. Am Montag wird er getestet, am Dienstag liegt das Ergebnis vor. «Ich fühle mich nicht gut», sagt er. «Aber ich werde es überstehen, ich bin jung und fit. Mehr Sorgen mache ich mich um meine Mutter. Die ist als Diabetikerin Teil der Risikogruppe. Ich würde mir wahnsinnige Vorwürfe machen, wenn ich sie angesteckt hätte.»

Vorwürfe macht er auch den Verbänden: Dem IOC und dem Schweizer Boxverband Swissboxing. «Dass das Turnier überhaupt gestartet wurde, kann man im Nachhinein nicht rechtfertigen», sagt Roque, der seinen ersten Kampf gewann, ehe die Quali nach drei Tagen abgebrochen wurde. «Und vom Schweizer Verband wurden wir in dieser Sache im Stich gelassen. Wir haben in Bezug auf Corona im Vorfeld keine Weisungen bekommen, währenddessen nicht. Und auch danach wurde nicht nachgefragt, wie es uns geht. Nix, niente, nada!» Andere Teammitglieder bestätigen die happigen Vorwürfe. «Ich habe weder im Trainingslager in Italien noch in England ein Wort vom Verband gehört», so Teamleader Ukë Smajli (27), «Freunde fragten mich, ob alles okay ist.»

«Haben aus London nichts gehört»

Verbandspräsident Andreas Anderegg erfährt durch BLICK von Roques Erkrankung. Die Vorwürfe weist er zurück. «Wir sind davon ausgegangen, dass eine Veranstaltung, die vom IOC ausgetragen wird, gesundheitlich für unsere Athleten kein Problem ist. Wenn man dem grössten Sportverband der Welt in dieser Sache nicht mehr vertrauen kann, nach wem sollen wir uns dann noch richten?»

Der Thurgauer führt die Funkstille auf das zerrüttete Verhältnis zwischen Verbandsspitze und Nationaltrainer Michael Sommer zurück. «Kommunikation gab es keine, wir haben aus London nichts gehört», sagt er. Konflikte habe es schon länger gegeben. Sommer wurde mittlerweile freigestellt. Ein Entscheid, der bereits vor dem Quali-Turnier gefallen sei.

Ob es geschickt war, den angezählten Coach nach London zu schicken? «Wenn wir ihn vorher freigestellt hätten, hätten wir Unruhe ins Team gebracht.» Dass man die Athleten nach ihrer Rückkehr nicht betreut habe, sieht Anderegg ebenfalls nicht als Versäumnis des Verbands: «Das sind erwachsene Menschen, die ihre eigenen Ärzte haben. Die haben sie vor dem Turnier konsultiert und werden das auch danach gemacht haben. Wir können nicht für alles verantwortlich sein.» Ein Medizincheck durch den Verbandsarzt sei nach der Rückkehr der sechs Schweizer Boxer und Boxerinnen aus London nie ein Thema gewesen.

Quali-Turnier soll wieder aufgenommen werden

Die Olympia-Qualifikation in London hatte am 14. März begonnen. Ab dem zweiten Tag fanden die Kämpfe ohne Zuschauer statt, ehe sie nach Wettkampftag 3 abgebrochen wurden – nachdem der norwegische Verband bereits am Morgen erklärt hatte, seine Athleten aus Gesundheitsgründen aus dem Verkehr zu ziehen.

Die Abbruch-Begründung des IOC Mitte März hatte denn auch mit gesundheitlichen Bedenken nichts zu tun: Man könnte wegen der vielen Reisesperren nicht garantieren, dass die Athleten alle wieder nach Hause zurückkehren können.

Neben Roque hatte auch Ukë Smajli seinen ersten Quali-Fight gewonnen. Das Qualifikations-Turnier soll mit den beiden Schweizern zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden.

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