Es wird für Arnold «The Cobra» Gjergjaj (31) der Kampf seines Lebens, wenn er am 21. Mai in London gegen David Haye in den Ring steigt. Der beste Schweizer Schwergewichtler fordert den Ex-Weltmeister. Und die Welt schaut zu: Beim letzten «Haye Day» im Januar, als der «Hayemaker» den Australier Mark de Mori in der ersten Runde ausknockte, schalteten allein in Grossbritannien über drei Millionen Zuschauer ein.
Dieses Mal werden es wohl noch mehr sein. Eine ist sich allerdings noch nicht sicher, ob sie sich den Fight antun will. «Ich werde in London sein», sagt Marta Gjergjaj, seit zwei Jahren mit dem Boxer verheiratet. «Aber ob ich in die Arena gehen kann, ob ich dann auch wirklich hinsehen kann, das weiss ich noch nicht.»
Klar freue er sich, wenn seine Frau beim wichtigsten Kampf seiner Karriere am Ring sitze, sagt Gjergjaj. Mitkriegen wird er es auf jeden Fall. «Ich kann sie während den Runden schreien hören.» Was dann in ihm vorgeht? «Nicht viel, ich habe ja keine Zeit. Im Ring kann sie mir nicht helfen.»
Im Ring, da ist Gjergjaj ein anderer Mensch. Der 1,97-Meter-Riese, der abseits des Boxkellers ruhig und leise spricht, nicht allzu viele Worte in den Mund nimmt, kennt zwischen den Seilen keine Gnade. Von 29 Kämpfen hat er 29 gewonnen, 21 davon per Knockout. Seit zwei Jahren ist er EBU-Europameister der Nicht-EU-Staaten.
Im Oktober 2014 schlug er im Titelkampf Adnan Redzovic in der neunten Runde K.o. Fast noch eindrücklicher war seine Leistung im Titelverteidigungs-Fight 2015 gegen Denis Bakhtov. Da brach sich Gjergjaj früh die Hand, riss sich das Trommelfell. Aber er biss sich gegen den Russen durch und siegte am Schluss trotzdem. «Ich schaute mir Youtube-Videos von seinen Boxkämpfen an, als ich ihn 2013 kennenlernte», sagt Marta. «Ich dachte mir nur: ‚Mein Gott, wer ist das? Den Arnold, den ich kenne, sehe ich in diesen Videos nicht.’»
Das zweite Gesicht von Gjergjaj, das des Boxers, soll am 21. Mai nun sein Gegner David Haye näher kennenlernen. Von ganz nahem. Dafür schuftet der Schweizer mit Wurzeln im Kosovo seit Wochen, härter denn je. «Er steht um sechs Uhr auf, geht rennen. Um 10 Uhr gibts Frühstück, dann wieder Training, dann Pause, wieder essen, noch einmal Training», beschreibt Marta Gjergjaj einen typischen Tag im Trainingscamp-Leben ihres Mannes. «Und immer, wenn er nach Hause kommt, ist er müde.»
Trainieren, essen, schlafen. «Im Moment haben wir nicht so viel Zeit miteinander», sagt die 24-Jährige. «Aber ich bin für ihn da: Jetzt ist seine Zeit. Man muss sich vorstellen, was er alles aufgegeben hat für seinen Traum. Er könnte ein entspanntes Leben haben, einen guten Job, einen guten Lohn. Stattdessen quält er sich seit Jahren.»
Eine ungeschriebene Regel gibt es im Hause Gjergjaj. «Wir reden praktisch nicht übers Boxen», sagt Marta, wie Arnold hat sie Wurzeln im Kosovo, ist aber in Ungarn aufgewachsen und hat dort Marketingmanagement, Deutsch und Englisch studiert. «Er denkt ja sonst den ganzen Tag so viel darüber nach. Alle wollen mit ihm übers Boxen reden, jetzt sowieso.» Dabei hat sie sich mittlerweile ganz gut ins Thema eingearbeitet. In Gjergjajs kürzlich eröffnetem Boxklub in Pratteln arbeitet sie fest mit, mittlerweile boxt sie sogar selber.
Für eine Prognose zum grossen Fight von Samstagnacht zwischen der «Kobra» und dem «Hayemaker» ist sie also eine kompetente Adresse. «Ich glaube zu 100 Prozent, dass er es schafft. Auch wenn Haye ein Wahnsinniger ist, Arnold kann es packen. Aber ich bin froh, wenn Sonntagmorgen ist, alle gesund sind und wir wieder nach Hause in die Schweiz fliegen.»