Arnold «The Cobra» Gjergjaj (32) muss lange nachdenken. «Nein», sagt der 1,97-m-Hüne. «So einen habe ich noch nie kassiert.» Es ist der 21. Mai. Der Tag, an dem Gjergjajs grosser Moment kommen soll.
Doch an dem Abend in der Londoner O2-Arena kommt nur etwas: Die Rechte von Gjergjajs Gegner David Haye (35). «Er hat mich nach zwanzig Sekunden voll erwischt. Danach war ich nicht mehr ich selber.» Der erste harte Schlag von Haye ist das Ende von Gjergjajs Träumen. Nach 1:31 Minuten in der zweiten Runde ist der Kampf bereits vorbei.
Fast fünf Monate später ist der 32-Jährige immer noch ein bisschen ratlos. «Mein Körper wurde von einer Angst befallen, meine Beine waren schwach», sagt Gjergjaj. «Vielleicht wäre es schlauer gewesen, in diesem Moment zu Boden zu gehen und sich kurz zu erholen.»
Die schlimmste Ernüchterung ist endlich verdaut. «Nach so einer Klatsche gibt es viel runterzuspülen», sagt Angelo Gallina, Gjergjajs Trainer und Manager.
Da ist die Enttäuschung über die verpasste Chance. Mit einem Sieg hätte sich der Schweizer Schwergewichtsprofi in der Weltspitze festgesetzt, weitere Kämpfe auf der grossen Bühne wären ihm sicher gewesen. Stattdessen gehts in der Hackordnung wieder nach unten.
Dazu kommen der Hohn und der Spott, der nach seinem frühen K.o. auf ihn einprasseln. «Ich verstehe die Reaktionen schon ein bisschen», sagt Gjergjaj, «Es ging ja auch schnell. Da ist klar, dass die Leute auch ein paar Fragen haben. Das tut aber nicht mehr weh, ich muss jetzt damit leben. Es ist vorbei.»
Noch einmal angreifen
Ob die Kobra die Möglichkeit noch einmal bekommt, gegen einen Top-Boxer zu kämpfen? «Ja, sicher», sagt Gjergjaj. «Sonst würde ich aufhören.» Der Baselbieter ist trotz Haye-Klatsche zuversichtlich. «Das zweite Mal wird viel einfacher. Ich weiss jetzt, was mich erwartet, das ist ein grosser Vorteil. Eine unbezahlbare Erfahrung.»
Der Plan der Kobra: Zwei oder drei leichtere Kämpfe absolvieren, dann noch einmal ganz oben angreifen. Im Dezember soll gegen einen Aufbaugegner der erste Schritt gemacht werden.
In einem Jahr soll dann der zweite Angriff auf die Weltspitze folgen. «Da werden wir ganz anders an die Sache herangehen», sagt Manager Gallina. «Wir müssen mehr investieren, auch finanziell.» Durch den Haye-Fight hat das Team Gjergjaj rund eine Viertelmillion Franken eingenommen. Ein kleines Polster, mit dem man sich ein professionelleres Umfeld leisten will.
«Meine letzte Chance»
Erstmals in seiner Karriere will Gjergjaj fürs Training nun auch ins Ausland gehen. Etwas, das er bisher abgelehnt hat. Gallina: «Er muss vor dem nächsten grossen Kampf in einer Trainingssituation arbeiten, die dieser Stufe würdig ist. Das letzte Mal haben wir aus der Situation, der verbleibenden Zeit und unseren finanziellen Mitteln das Beste gemacht. Aber wir wissen, dass mit einem besseren Umfeld mehr möglich ist.» Heisst: Mehr Trainer, mehr Sparringspartner, längere Trainingsphasen für die Kobra.
Klar ist auch: Das nächste Mal muss alles passen. «Das ist dann meine letzte Chance», sagt Gjergjaj. «Die werde ich packen.» Gegen Haye hat er in seinem 30. Profikampf zum ersten Mal verloren. Eine weitere Niederlage soll so rasch nicht dazukommen.