Wo er auftauchte, da zuckten die Menschen zusammen. Mike Tyson (53) galt über ein Jahrzehnt als ultimativer Sport-Bösewicht. Weil die Box-Legende im Ring ihre Gegner meist ohne Umschweife im Höchsttempo vermöbelte und daneben mit ihren Eskapaden schockte.
Vergangene Zeiten. 2005 hängte Tyson seine Boxhandschuhe endgültig an den Nagel, nach 58 Profikämpfen, 44 Knockouts und Weltmeistertiteln bei drei grossen Verbänden.
Doch noch immer trauert er den glorreichen Tagen nach. Wörtlich. Bei der Aufnahme seines «Hotboxin' with Mike Tyson»-Podcasts bricht der Ex-Weltmeister aus Brooklyn vor laufender Kamera in Tränen aus. «Ich bin ein verdammter Student des Krieges», sagt Tyson im Gespräch mit «Sugar Ray» Leonard (63, Weltmeister in fünf Gewichtsklassen), einer anderen Legende der «Sweet Science».
«... diese Tage sind vorbei»
«Ich kenne alle Krieger, von Charlemagne bis zu Achilles, bis zu Alexander dem Grossen und Napoleon», so Tyson. «Ich habe alles über sie gelesen, ich habe sie studiert. Ich kenne mich mit der Kunst des Kampfes aus, mit der Kunst des Krieges, das ist alles, das ich jemals gelernt habe.»
Mit brüchiger Stimme fährt er fort: «Darum war ich so gefürchtet. Ich war ein Vernichter. Dafür wurde ich geboren. Aber diese Tage sind vorbei. Ich fühle mich leer, ich bin nichts.» Tyson, der während und nach seiner Karriere sein ganzes Geld verjubelte und wegen einer Vergewaltigung im Gefängnis sass, lebt mittlerweile in Henderson, eine halbe Stunde von Las Vegas (USA) entfernt. Nach einer Reihe von Krisen scheint er wieder auf die Beine gekommen zu sein – finanziell und psychisch.
Aber ganz sind die Dämonen offenbar nicht besiegt. Die Vergangenheit lässt ihn nicht los. «Das ist der Grund, warum ich weine. Diesen Mann gibt es nicht mehr und ich vermisse ihn.» Auch wenn er weiss, dass der alte Tyson kein guter Typ war. «Ich will nicht, dass diese Person rauskommt, denn wenn er rauskommt, kommt die Hölle mit ihm heraus. Das ist nicht lustig. Ich klinge häufig cool, wie ein harter Kerl, aber ich hasse diesen Typen. Ich habe Angst vor ihm.» Er arbeite jetzt an der «Kunst der Bescheidenheit», erklärt Tyson.