Es ist eine der alten Weisheiten im Schwergewichts-Boxen: Ist ein alter Champion erst einmal geschlagen, kommt er nicht mehr zurück. Heute versucht es wieder einmal einer: Ex-Weltmeister Wladimir Klitschko (41) steigt in London gegen den jungen K.-o.-Spezialisten Anthony Joshua (27) in den Ring (RTL live ab 23 Uhr). «Ich bin besessen davon, meine Gürtel zurückzubekommen», sagt er.
Doch im Wembley-Stadion steht mehr auf dem Spiel als die Titel der grossen Weltverbände IBF und WBA. Es ist ein Duell der Generationen: Zwischen dem alternden Routinier Klitschko und dem jungen Spektakelmacher Joshua.
Vor allem aber geht es um Klitschkos Vermächtnis. Wird er noch einmal Weltmeister, katapultiert er sich im Box-Olymp weiter nach oben: Es wäre das dritte Mal, dass er als Herausforderer den WM-Titel aufs Neue erobert. Das zweite Mal, dass er als Ex-Champ zurückkommt. Das haben erst Muhammad Ali, Lennox Lewis und Klitschkos Bruder Vitali geschafft – Evander Holyfield gelang das Kunststück gar viermal.
Es wäre die endgültige Krönung von Klitschkos Karriere. Und Wiedergutmachung für das Debakel vom November 2015. Damals geht Klitschko gegen Tyson Fury unter. Es ist ein seltsam matter Auftritt, die erste Niederlage nach elf Jahren. Nach insgesamt 4382 Tagen als Schwergewichts-Weltmeister ist er seine Titel los.
Seither lautet die grosse Frage: Wie gut ist Klitschko noch? Hatte er gegen Fury einen schlechten Tag, wie sein Trainer Jonathon Banks glaubt, oder ist er einfach zu alt? Die Revanche-Fights platzen, weil Fury mit Drogen und Depressionen schon genug zu kämpfen hat.
Heute nun endlich der grosse Tag. Doch gegen Ex-Sparringspartner Anthony Joshua (18 Kämpfe, 18 K.o.-Siege) ist Klitschko Aussenseiter. Der Brite hat eine perfekte Profi-Bilanz, bisher hat er jeden weggehauen, der sich ihm in den Weg gestellt hat.
Beim offiziellen Wiegen am Freitag macht er einen topfitten Eindruck: Mit 113,4 kg ist er so schwer wie noch nie, bringt vier Kilo mehr auf die Waage als Klitschko.
Der Ukrainer steht vor einer Riesen-Aufgabe. «Er muss rauskommen und dominieren», rät sein älterer Bruder Vitali. «Er kann nicht warten. Er bekommt keine zweite Chance.» Es ist Wladimirs 69. Profi-Fight. «Der wichtigste meiner Karriere», sagt er. «Ich bin wieder Jäger. Das Gefühl gefällt mir.»
Als Champion wäre er es rasch wieder los. Er könnte es wohl verschmerzen.