Die grossen Töne werden anderswo gespuckt. «Ich mag mich nicht verstellen», sagt Sefer Seferi (39). Er steht im Boxclub Burgdorf, im Keller eines Industriegebäudes am Stadtrand, eine Etage unter der Erde, es ist schmal, es müffelt nach altem, kaltem, trockenem Schweiss. Wenige Tage noch, dann wird Seferi aus dem Keller heraufsteigen, auf die ganz grosse Bühne.
In der Manchester-Arena wartet einer der ebenso grossen wie wahnsinnigen des Geschäfts: Tyson Fury (29), Ex-Weltmeister, Klitschko-Bezwinger, Sprücheklopfer. Der Brite kehrt nach einer zweieinhalbjährigen Drogen-, Depressions- und Doping-Zwangspause in den Ring zurück, Seferi ist der Comebackgegner, kleiner, leichter und der klare Aussenseiter. «Ich glaube schon, dass ich ihn schlagen kann», sagt der Schweizer mit albanischen Wurzeln zu BLICK. «Ich habe einen Plan, wenn ich den umsetze, habe ich Chancen. Dann kann ich ihn umhauen.»
Eine Siegesgarantie mag er nicht geben, auf Provokationen hat der dreifache Familienvater, verheiratet, keine Lust. «Das wäre nicht ich», sagt er.
Wenn Sefer Seferi in Manchester im Rampenlicht steht, hat sein Bruder Nuri (41) seinen Job bereits erledigt. 24 Stunden vorher steht der ältere der beiden Burgdorfer Brüder in Gabun im Ring. In Libreville geht es gegen Taylor Mabika (39) um den WBC-Titel des besten frankophonen Boxers im Cruisergewicht. Als «Rumble in the Jungle» wird der Fight angekündigt, wie einst das legendäre Duell zwischen Muhammad Ali und George Foreman 1974 in Zaire.
Er scheint selber überrascht, dass es soweit gekommen ist. Nicht nur, weil sein Französisch bestenfalls überschaubar ist. Sein Manager habe ihn eines Tages angefragt, ob ihn der Kampf interessieren würde, sagt Nuri Seferi. «Ich habe zugesagt, aber daran geglaubt, dass er tatsächlich zustande kommt, habe ich nicht wirklich. Ich habe doch noch nie in Afrika geboxt», erzählt er. «Dann hiess es plötzlich: Es ist fix.» Und so bricht der ältere der beiden Seferi-Brüder nächste Woche in die zentralafrikanische 700’000-Einwohner-Stadt am Atlantischen Ozean auf. «Keine Ahnung, was mich da erwartet. Es wird wohl heiss werden.» Was Seferi sonst noch weiss: Mabika wird von Staats-Präsident Ondimba unterstützt. «So schlecht kann er also nicht sein.»
Es passt zu Nuri Seferi, dass er sich auf ein derartiges Abenteuer einlässt. «Er ist ein bisschen ein Draufgänger», sagt Nilo Nilovic, der Trainer der Brüder. «Sehr seriös, bescheiden und voller Leidenschaft fürs Boxen. Die haben beide Seferis.» Nuri, der ältere, hat das grössere Palmarès: Er stand bereits gegen Marco Huck im Ring, gegen Herbie Hide, Krystof Glowacki, Denis Bakhtov und Firat Arslan. «Der ganz grosse Wurf ist ihm verwehrt geblieben», sagt Nilovic. Als Profi hat er sich den Ruf eines zähen Kämpfers geschaffen, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht. «Wo andere sagen, sie bräuchten eine lange Vorbereitung und ein Trainingscamp, springt er mit wenigen Tagen Vorlauf ein.»
So ähnlich tut es der jüngere Bruder nun gegen Tyson Fury. Erst vor zwei Wochen wurde der Fight definitiv. «Das war wenig Zeit, aber er ist gut vorbereitet», sagt Nilovic. Im Gegensatz zu Nuri setzt Sefer nicht nur aufs Boxen. Daneben führt er noch ein Unternehmen. «Ich bewundere, wie er das alles unter einen Hut bekommt. Das macht ihn gelassener. Er wird der gleiche bleiben, ob er gegen Fury gewinnt oder verliert.» Die grossen Töne werden auch weiterhin nicht in Burgdorf gespuckt.