Die Tage sind länger geworden. Wenn Alain Chervet am 26. Dezember zum Boxing Day in den Ring steigt, dann tut er dies zum ersten Mal nicht mehr nur als Profi. Sondern als Klub-Besitzer, Geschäftsführer, Trainer und Familienvater.
Im Sommer hat der Neffe von Box-Legende Fritzli Chervet den Berner Boxklub «Boxing Kings» übernommen. Anzahl der Angestellten: Einer. Chervet selber.
Das heisst für den Berner Superleichtgewichtler (bis 63,5 kg) vor allem: Stress. «Es ist sicher mehr, als ich am Anfang gedacht habe», sagt er. «Vor allem auch gedanklich. Man kommt fast nicht mehr zum Abschalten, denkt daran, was man hier noch machen müsste und da noch optimieren sollte.»
Der Boxer Chervet wird zum Geschäftsmann. «Im Moment läufts gut», erzählt der 27-Jährige übers Geschäft. «Die Anmeldungen ziehen an, ich hoffe, ich kann demnächst jemanden als festen Trainer engagieren.»
Das würde ihn entlasten. Und ihm helfen, eine Scharte auszuwetzen. Denn wenn der Schweizer am Dienstag durch die Seile steigt, tut er das zum ersten Mal nicht mehr mit einer perfekten Bilanz. Gegen den Polen Przemyslaw Runowski läuft Chervet letzten Mai in den Hammer. Im Auswärts-Fight von Posen holt er sich auf den Punktkarten die erste Runde noch. In Runde 2 geht er k.o. – im 14. Profi-Kampf die erste Niederlage. «Das war ein Tiefpunkt», erinnert er sich. «Danach dachte ich, alles sei vorbei. Wenn ich in den Wochen danach im Bett lag, habe ich lange nur daran rumstudiert.»
Gegen Giorgi Abramishvili (23) will Chervet die Geister von Posen nun vertreiben. Die Chancen stehen gut. Der Georgier mag eine positive Kampfbilanz haben, in den letzten Jahren musste er sich Gegnern von Chervets Niveau jedoch regelmässig geschlagen geben.
Mit einem Sieg im Berner Kursaal kämen wieder bessere Angebote, wieder die Chance auf einen grösseren Fight.
Und Chervet käme weiter weg davon, einfach Neffe von Fliegengewichts-Europameister Fritzli zu sein. «Mir ist klar, dass ich mich zu Beginn beweisen musste», sagt er. «Aber mittlerweile bin ich nicht mehr einfach nur der Neffe meines Onkels. Die Leute kennen mich als Alain Chervet. Das ist ein gutes Gefühl.»
Auf dem Plakat zum Boxing Day steht Chervet. Ganz allein. Auf eigenen Beinen.