Boxerin Nicole Boss vor dem Kampf ihres Lebens
«Es kribbelt gewaltig»

Seit Wochen trainiert Nicole Boss nur noch mit Männern. Weil sie härter zuschlagen. Am Samstag will die Bernerin Box-Weltmeisterin werden.
Publiziert: 23.04.2015 um 19:21 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 09:32 Uhr
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Nicole Boss (hier gegen Florea Lihet) will Delfine Persoon mit hohem Tempo überraschen.
Foto: KEYSTONE
Von Simon Häring

Grosse Bühne für Nicole Boss (35). Am Samstag boxt die Bernerin im Sternensaal in Bümpliz gegen die amtierende Weltmeisterin Delfine Persoon (30) aus Belgien um den Titel. Seit 14 Wochen bereitet sie sich auf diesen Tag vor. Zweimal täglich trainiert sie. 20 Stunden in der Woche. Intervalltraining, Krafttraining, Technikeinheiten. Boxkeller statt Mittagspause. Schweiss und Schläge statt Feierabend. Trotzdem sagt die Direktionsassistentin: «Ich bin froh, dass ich noch voll arbeite. Das ist ein wichtiger Ausgleich für mich. Denn in den ruhigen Minuten kribbelt es bereits gewaltig.»

Die 35-Jährige überlässt nichts dem Zufall, um den Traum vom WM-Gürtel wahr zu machen. Ihr Kampfgewicht von 61,2 Kilogramm hat sie bereits seit Wochen. «Ich kann ganz normal essen und trinken.» Im Training misst sie sich vor allem mit Männern. «Weil sie kräftiger sind und mich das weiterbringt», sagt die 171 Zentimeter grosse Bernerin.

Vor 4 Jahren verlor Boss nach Punkten gegen Persoon

Gegen Weltmeisterin Persoon boxte sie schon vor vier Jahren und musste sich in Belgien knapp nach Punkten geschlagen geben. «Ich habe mich wie sie weiterentwickelt. Darum wird es ein ganz anderer Kampf als das letzte Mal.» Und wie will Boss ihre Gegnerin im Sternensaal ausknocken? «Ich werde von der ersten Runde an Tempo machen und versuchen, sie damit zu überraschen.»

Sie zählt dabei auch auf die Zuschauer. «Vielleicht macht das diesmal den Unterschied aus. Ich boxe vor 400 Zuschauern, die mich anfeuern werden.» Nicht dabei ist allerdings ihre Mutter. «Ihr ist es egal, ob ich gewinne oder verliere. Nach dem Kampf will sie nur wissen, dass alles okay ist.»

Seit 16 Jahren boxt Nicole Boss, seit 2008 ist sie Profi. Klar, der WM-Gürtel wäre die Krönung ihrer Karriere. Aber ihr geht es um mehr: «Boxen ist nicht einfach Dreinschlagen. Der Mix aus Kondition, Kraft und Technik macht für mich die Faszination aus. Der ganze Körper ist involviert, von den Haar- bis in die Zehenspitzen. Ja, Boxen ist meine grosse Liebe – neben meinem Mann.»

Die Vorbereitung sei bisher wie davor minutiös geplant verlaufen. Sogar die Besuche der Dopingjäger hatte sie erwartet. Nur die Uhrzeit sei etwas überraschend gewesen. Zwei Mal schauten sie in der letzten Woche vorbei: einmal im Büro und einmal nach 22 Uhr, als Boss bereits im Bett lag. «Kein Problem», sagt sie.

Schweiss, Nasenbluten und blaue Flecken – das alles nimmt Boss für ihren Traum in Kauf. Obwohl Sie im Lager der Profis boxt, zahlt sie für das zeitintensive Hobby noch drauf. Rund 5000 Franken sind es im Jahr. Die Regeln des Verbandes World Boxing Council (WBC) verlangen, dass Boss für diesen Kampf ihren Europameistertitel von 2013 abgibt. Verliert sie gegen Persoon, steht sie ohne Titel da.

Für Boss ist das kein Problem: «Das ist für mich sowieso abgeschlossen. Den EM-Titel kann mir keiner mehr nehmen. Ich will diesen WM-Titel in die Schweiz holen.»

Obwohl der Titel für sie die Krönung ihrer Karriere wäre: An ihrem Programm ändert sich vorläufig nichts. Schon am Montag fliegt sie für Ferien in die USA. Mit ihrer zweiten grossen Liebe – Ehemann und Trainer Stefan.

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