Box-Weltmeister Anthony «AJ» Joshua ist auf seinem Weg zur Vereinigung aller grossen Schwergewichtsgürtel krachend gescheitert. Der 31-jährige Brite unterlag in der Nacht auf Sonntag in London dem Ukrainer Alexander Usyk (34) einstimmig nach Punkten. Damit verlor Joshua die Schwergewichtstitel der Verbände WBA, WBO, IBF und IBO und muss den Traum von einem Mega-Fight gegen WBC-Champion Tyson Fury (33) vorerst begraben. Usyk ist neuer Schwergewichtsweltmeister – und das gleich vierfach.
Der Ukrainer startete im Duell der beiden früheren Olympiasieger stärker, bescherte seinem Gegner schon in Runde 3 wackelige Beine. Nach sechs Runden wars ein ausgeglichener Kampf. Gegen Ende ist Usyk der Herr im Ring. Nur die Glocke rettet Joshua vorm K.o. Das unumstrittene Urteil (117:112, 116:112, 115:113) für Usyk anerkennen sogar die 70'000 Briten im Stadion mit viel Applaus. Fair!
Für Joshua war es im 26. Profikampf die zweite Niederlage (24 Siege), nachdem er am 1. Juni 2019 sensationell gegen den US-Amerikaner Andy Ruiz Jr. (32) durch technischen K.o. verloren hatte. Rund ein halbes Jahr später holte Joshua seine Titel wieder zurück. In seinem einzigen Kampf 2020 schlug er den Bulgaren Kubrat Pulew (40) am 12. Dezember in der neunten Runde K.o.
Usyk feiert grössten Triumph seiner Karriere
Für Usyk bedeutet der Triumph im Londoner Tottenham Stadium den grössten Erfolg seiner Karriere. Der nun in 19 Profikämpfen ungeschlagene Weltklasse-Techniker war bereits im Cruisergewicht unumstrittener Weltmeister gewesen, bevor er 2019 in die Königsklasse aufstieg.
Das Hype-Duell Joshua gegen Fury war bereits geplant gewesen – und es sollte alle Beteiligte steinreich machen – zumindest noch reicher. Doch Fury muss aus vertraglichen Gründen am 9. Oktober ein drittes Mal gegen Ex-Weltmeister Deontay Wilder (35, USA) antreten, den er im Februar 2020 enttrohnt hatte. Darum stieg Joshua zunächst gegen WBO-Pflichtherausforderer Usyk in den Ring. Mit bitterem Ende für den Briten. Nach dem Kampf musste er ins Spital für Untersuchungen: Verdacht auf Bruch der Augenhöhle. Ab Runde 9 war das eine Auge von Joshua praktisch zu und er kämpfte nicht nur gegen seinen boxerisch überlegenen Gegner, sondern auch mit Sehproblemen. In den beiden letzten Runden bekam der Brite nochmal mächtig was ab – so hilflos in den Seilen hatte man ihn noch nie gesehen.
Wie gehts jetzt weiter? Joshua, der seinem Besieger nach dem Kampf grosses Lob aussprach – «ein grossartiger Fighter, der Bessere hat gewonnen» – besitzt eine Rückkampfklausel. Es kommt also zur Revanche und Joshua, der am 15. Oktober 32 wird, spricht bereits wieder davon, sofort ins Training einzusteigen. Tyson Fury wird am 9. Oktober zum dritten Mal gegen Deintay Wilder antreten. Der ersten Kampf der beiden endete Unentschieden, den zweiten gewann Fury, seither ist er WBC-Weltmeister. Falls der Brite den Amerikaner noch einmal besiegt, muss er abwarten und sehen, was mit Joshua passiert. Fury wird dann wohl vorerst mit einem anderen Gegner Vorlieb nehmen müssen, mit einem wie Dillian Whyte.
Und Usyk? Er ist der Mann der Stunde, nach den Klitschko-Brüdern, die das Schwergewichtsboxen jahrelang dominierten, sitzt jetzt wieder ein Ukrainer auf dem Königsthron. Sein Sieg gegen Joshua war kein Zufall. Dieser Mann kann verdammt gut boxen. (SID/kes)