«Jetzt könntest Du das Poulet schneiden.» Die Bitte von Joana Heidrich an ihren jüngeren Bruder Adrian hört man aus dem offenen Küchenfenster. Die beiden Beachvolleyball-Geschwister sind wenige Tage vor dem Heimturnier in Gstaad BE für einmal gleichzeitig zuhause fürs Mittagessen.
Der 23-Jährige kocht selbst zwar auch schon besser als noch vor wenigen Jahren. Weil seine Schwester aber einen Rezept-Tipp ihrer Partnerin Anouk Vergé-Dépré zubereitet, erklärt sie ihm, was zu tun ist. Wenige Minuten später stehen die Teller auf dem Tisch mit Quinoa mit geschnetzeltem Poulet, Federnkohl, Nektarinen und etwas Honig.
«Werde ermahnt, nicht zu viel Zucker zu essen»
Die Blockspielerin achtet bewusst auf ausgewogene, gesunde Ernährung. Bruder Adrian versucht es ihr gleich zu tun. «Ich werde vom Trainer regelmässig ermahnt, nicht zu viel Zucker zu mir zu nehmen», gesteht der Blocker.
Der 2.07-m-Hüne verdrückt zwei Portionen. «Es ist der Mähdrescher in der Familie, wenns ums Essen geht», sagt Joana Heidrich schmunzelnd. Vor allem abends, wenn sich die Geschwister zusammen etwas im TV anschauen, knabbere ihr Bruder ständig etwas.
Man spürt schnell: Das Verhältnis zwischen den Geschwistern ist bestens. Bis auf eine kurze Phase in ihrer Jugend habe sie es immer super gehabt mit ihren Brüdern. Nebst Adrian ist da noch Florian (28), der Hallen-Volleyball spielt.
Deshalb musste Joana Heidrich nicht gross darüber nachdenken, ob sie Adrian ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung stellt, als er auf die Karte Beachvolleyball setzt und vermehrt im Beachcenter in Bern trainiert, das nur wenige Gehminuten entfernt ist.
«Es braucht gewisse Regeln»
Zuhause haben sich die Geschwister bestens organisiert. «Es braucht gewisse Regeln», erklärt Adrian Heidrich, «denn unser Trainingsplan ist unregelmässig und wir sind oft an Turnieren im Ausland.» Im Haushalt läufts trotzdem unkompliziert. Die Wäsche macht, wer gerade daheim ist. Und einmal pro Woche wird geputzt. «Wir haben es beide gerne ordentlich», sagt die 26-Jährige.
Dank dem erneuten Zusammenleben haben sich Bruder und Schwester noch besser kennengelernt. Die Angewohnheiten des jeweils Anderen sind keine Geheimnisse, Adrian ist der Morgenmuffel, Joana die Frühaufsteherin. Auch sportlich: Weil beide mit einem gesunden Ehrgeiz ausgestattet sind, wissen sie, dass sie einander nach Niederlagen zunächst in Ruhe lassen sollten.
«Es ist ein Geben und Nehmen»
Ansonsten aber führen sie offene Gespräche über ihre Leistungen, über Mentales. «Es ist ein Geben und Nehmen», betonen sie unisono, obwohl Joana einige Jahre an Erfahrung reicher ist. «Früher hatte ich das Gefühl, dass ich ihn mehr unterstützen muss.»
Denn als Teenager hat Adrian Heidrich oftmals gesagt, dass seine grosse Schwester sein sportliches Vorbild sei. Mittlerweile hat er den Niveau-Unterschied bald aufgeholt, die Geschwister spielen an den gleichen Turnieren. Adrian an der Seite von Abwehrspieler Mirco Gerson (25) immer öfter auch im Hauptfeld – wie diese Woche in Gstaad.
«Früher haben viele auf der Tour gar nicht realisiert, dass mein Bruder auch spielt. Nun bekomme regelmässig Komplimente für ihn», sagt die Olympia-Fünfte von Rio 2016 stolz. Und überlässt Adrian nach dem Mittagessen lächelnd das Aufräumen der Küche, weil sie zur Physio muss.