Herr Nowitzki, Ihre Saison ist nach dem erneut frühen Playoff-Out mit den Mavericks schon lange vorbei. Wir treffen Sie trotzdem noch hier in Dallas, wo sie zum 5. Mal ein Benefiz-Baselball-Spiel organisieren. Ihrem Ruf folgen Stars der Dallas Cowboys, des FC Dallas. Was bedeutet es Ihnen, mittlerweile eine so wichtige Rolle hier zu haben?
Dirk Nowitzki: Es geht um viel mehr als um mich. Die Mavericks sind seit langer Zeit ein wichtiger Teil der Allgemeinheit in Dallas. Ich hatte die Chance, in all diesen Jahren hier von vielen Grossen zu lernen, dass man in Dallas die Gemeinde, seine Anhänger, sehr ernst nimmt und sich um sie kümmert. Sie sind es schliesslich, die einen unterstützen, die jedes Mal in Stadion kommen. Man muss das schätzen und entsprechend zeigen. Ich versuche mich selber, ehrlich, authentisch zu sein und Spass an allem zu haben, bei dem ich tue.
Das Footballteam der Dallas Cowoboys ist weltweit bekannt. Der FC Dallas ist einer der ältesten Klubs in der MLS. Und die Mavericks ein NBA-Urgestein. Trotzdem folgen Stars aller Klubs Ihrem Ruf. Sind Sie der Stars der Stars hier?
Ach, was. Nicht nur die Fans, sondern auch die Sportler, die Berühmtheiten der Stadt, haben eine enge Verbundenheit in Dallas. Einige meiner Teamkameraden flogen extra aus ihren Ferien zurück für diesen Anlass. Allein darum, um den Fans etwas bieten zu können. Man muss demütig sein und zu schätzen wissen, was wir als Sportler erleben dürfen. Das ist das Wichtige und wird hier von allen Sportlern auch vorgelebt.
Wie haben Sie es geschafft als Deutscher hier zur Legende zu werden, zum Vorbild für alle. In einer Sportwelt mit unzähligen Superstars.
Ich habe mich eigentlich nie als Vorbild gesehen. Ich habe in all diesen Jahren immer nur versucht, mich selber zu sein. Spass zu haben. Die Spiele, Events, Fotoshootings, Interviews, all diese Privilegien immer zu geniessen und dabei ein Lachen auf den Lippen zu haben. Damit nicht nur ich, sondern auch die Leute um mich herum es geniessen können. So habe ich das immer gehandhabt. Jeder Mensch macht in seinem Leben dabei Fehler. Ich habe auch viele gemacht, auf und neben dem Feld. Entscheidend ist daraus zu lernen und sie nicht zu wiederholen.
Einer, der stets seinen Weg gegangen ist, für viele ein Vorbild war, ist soeben von uns gegangen: Muhammad Ali.
Er war ein Pionier, eine Inspiration. Er war anders, kontrovers, sorgte für Debatten in der damaligen Zeit und stand für die Dinge ein, an die er glaubte. Er war eine absolutes Vorbild. Neben dem Ring wie im Ring. Es war ein trauriges Jahr in dem viele grossartige Menschen diesen Planeten viel zu früh verlassen mussten.
Fühlen Sie sich nach 18 Jahren in Dallas mittlerweile eigentlich mehr als Amerikaner denn als Deutscher?
Ich liebe es an beiden Orten. Ich bin in der glücklichen Situation, beide Orte mein Zuhause nennen zu dürfen. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, meine Familie lebt immer noch dort, aber ich geniesse es genau so, in Dallas zu leben. Ich lebe mittlerweile ja fast so lange hier, wie ich in Deutschland gelebt habe. Es waren emotionale 18 Jahre in denen ich viel erleben und viele neue Freunde finden durfte.
Sie mögen sich selber nicht als Vorbild sehen. Und trotzdem denken Sie über den Tellerrand hinaus. Sie sollen daran denken Ihren Vertrag aufzulösen bei den Mavericks, um für weniger Geld einen neuen zu unterschreiben. So hätte der Verein mehr Geld zur Verfügung, um neue Spieler zu verpflichten. Welche Sportler tun schon so etwas!
Naja, bis jetzt habe ich die Option noch nicht gezogen und bin noch in meinem Vertrag drin. Wir überlegen gerade noch, was das Beste für mich, meine Familie und die Mavericks ist. Ich habe mich mit der Vereinsführung getroffen, um zu besprechen, was in der Situation am Besten ist. Die Entscheidung wird in den nächsten Wochen fallen, ob es Sinn macht einen neuen Einjahr- oder Zweijahresvertrag zu unterschreiben. Wir schauen, was im Juli passiert.
Es geht Ihnen nach 18 Jahren beim selben Klub, in dem Sie den Titel gewonnen und zum MVP gewählt wurden, nicht mehr um das Geld. Sie wollen weitespielen, sie haben genug erlebt. Aktuell erlebt die NBA mit den Golden State Warriors eine Revolution. Die Spieler sind kleiner. Sie schiessen aus jeder scheinbar unmöglichen Position. Mit Erfolg. Wie erleben Sie diese Revolution des Spiels?
Es sind ja nicht nur die Warriors, die diesen Weg gehen. Ich finde die ganze Liga entwickelt sich in die Richtung „kleiner“ unterwegs zu sein, kleinere Spieler in seinen Reihen zu haben. Das ist nun mal der Weg, der eingeschlagen wurde. Diejenigen Teams haben Erfolg. Was heisst, wer gewinnen will, muss sich dem nun anpassen.
Muss man sich denn anpassen? Sie waren in Ihren Anfängen der neue, blonde, grosse Kerl aus Deutschland, den man so zuvor in der NBA noch nie gesehen hatte. Jetzt ist Steph Curry der kleine, wirblige Typ, der von überall schiesst. Muss man nicht anders sein, um einen Sport zu prägen und zu ändern?
Sport im Allgemeinen entwickelt sich doch immer weiter. Es gibt immer neue Dinge, die interessant sind. Genau deshalb wird Sport ja auch nie langweilig. Weil es immer wieder individuelle Typen gibt, die, ob mit ihrer Einstellung, ihrer Spielweise oder was auch immer, etwas Neues einbringen und dem Sport damit einen Input für eine Weiterentwicklung verleihen. Genau deshalb ist Sport interessant. Genau deshalb wird er nie langweilig. Genau deshalb fasziniert er die grossen Massen.
Und vergleichen Sie sich mit Steph Curry?
Nein, ich vergleiche mich nicht mit Steph. Er ist ein Wahnsinns-Spieler, der von überall schiessen kann. Und ja: Sowas hat die Liga eben auch noch nie gesehen!
Mit Thabo Sefolosha und Clint Capela spielen zwei Schweizer in der NBA. Sefolosha seit rund 10 Jahren, Capela seit einem. Wie sieht der Deutsche NBA-Star unsere NBA-Exporte?
Thabo hat eine lange Karriere hinter sich, ist einen super Weg gegangen, hat für super Mannschaften gespielt. Mit Sicherheit eine solide Karriere, die er da hingelegt hat. Auch wenn er letztes Jahr vielleicht ein paar Probleme hatte mit der Geschichte in New York, hat er sich als Veteran sehr, sehr solide über Jahre durchgesetzt in der NBA. Und Capela ist ja genau sein Gegenstück: er ist der junge Kerl, der sich jetzt durchsetzen will. Ich glaube die Grundbedingungen sind da, er hat gute Hände, ist gross, athletisch stark, hat ein gutes Timing bei Rebounds und den Blocks. Ich glaube, dass wenn er gesund bleibt, auch er eine lange Karriere in der NBA haben kann.
Zum Schluss: Was kann der Sport in Europa vom US-Sport lernen?
Als ich damals noch in Deutschland spielte fehlte in Europa noch die Show, die Cheerleader, das ganze Drumherum. Das wollen die Fans hier sehen. Die kommen zwar zum Spiel, aber die wollen auch unterhalten werden. Da muss mehr kommen als nur ein bisschen Basketball oder Football. Und das haben die Amerikaner von Beginn weg sehr gut verstanden. Europa hat es mittlerweile auch langsam realisiert, dass man sich in dem Bereich verbessern muss. Dass es im Sport mehr Show und Entertainment braucht – und weniger Gewalt.