Am Mittwoch wurde aus der Vermutung Gewissheit: Belarus-Diktator Alexander Lukaschenko (66) lässt sich trotz massiver Massenproteste für eine weitere Amtszeit vereidigen. Nach der gefälschten Präsidentschaftswahl und der Gewalt, Folter und willkürlichen Festnahmen gegen Demonstranten im Land der nächste Tiefpunkt.
Nun melden sich auch die Sportler des Landes zu Wort. «Wir sind über den Wendepunkt längst hinaus, es gibt kein Zurück mehr», sagt Yelena Leuchanka, Teil des Basketball-Olympiateams, zu «dw.com». «Wir leben im 21. Jahrhundert, wir sind in Europa, wie ist das möglich? Hier gibt es keine Menschenrechte. Wir können nicht friedlich protestieren.»
Sport als Image-Produkt
Fast 600 Sportler aus dem Land haben einen offenen Brief unterschrieben, in dem Neuwahlen und das Ende der Polizeigewalt gefordert werden. Die Athleten, die unter dem Namen «Free Union of Athletes» auftreten, scheinen bereit, sehr weit zu gehen und sogar ihre Karriere zu gefährden. «Bis hin zu einer möglichen Weigerung, für die Nationalmannschaft zu spielen» können die Konsequenzen gehen, falls Lukaschenko und seine Schergen die Sportler dafür bestrafen wollen.
Das wäre für den Diktator durchaus schmerzhaft: Immer wieder nutzt er den Sport, um sich und sein Regime positiv zu inszenieren. Zuletzt zum Beispiel bei den «European Games» 2019 in Minsk. Oder nächstes Frühjahr, wenn Belarus und Lettland gemeinsam die Eishockey-WM ausrichten sollen.
Wo sind Azarenka und Domracheva?
«Für viele Sportkollegen und auch für mich ist das etwas ganz Neues», so Leuchanka, die ihr Land bei Olympischen Spielen mit dem Basketball-Team vertreten hat. «Wir versuchen, unser Volk so gut wie möglich zu unterstützen.»
Was fehlt: Die Hilfe von den grossen Sportstars des Landes. Tennisspielerin Victoria Azarenka zum Beispiel. Oder die mehrfache Biathlon-Olympiasiegerin Darya Domracheva. Beide wagen sich bisher nicht wirklich aus der Deckung. Die Lage in Belarus sei «herzzerreissend», so Azarenka bei den US Open in New York. Mehr sagte sie nicht. «Ich respektiere sie als Sportler und das, was sie für unser Land erreicht haben», so Leuchanka. «Aber unser Sport ist nur dann populär, wenn man Menschen hat, die einem zujubeln». Nun seien die Sportler gefordert. «Und auch die grossen Athleten unseres Landes, zu denen die Menschen aufschauen. Ihre Stimmen sind wichtig. Ihre Stimmen können eine Veränderung bewirken.»